# taz.de -- Festivals für Neues in der Musik: Alle Ohren offen | |
> Frische Musik im noch neuen Jahr: Mit Ultraschall ist der | |
> Experimentierlust der Neuen Musik eine Spielwiese eingerichtet. Und dann | |
> folgt gleich CTM. | |
Bild: Notfalls auch Musik mit Hammer und Kinderklavier: LUX:NM spielen bei Ultr… | |
Kurz die Klassik-Checkliste abgehakt: Also Beethoven? Gibt’s hier nicht. | |
Nicht einmal im Beethoven-Jahr. Und nach Mozart braucht man beim | |
Ultraschall-Festival gar nicht erst zu suchen. | |
Aber schließlich handelt es sich bei dem von Deutschlandfunk Kultur und RBB | |
Kultur gemeinsam verantworteten Festival um eines speziell für Neue Musik. | |
Zeitgenössisches. Wobei Andreas Göbel, neben Rainer Pöllmann | |
Ultraschall-Leiter, keineswegs Einwände gegen ein bisschen Beethoven gehabt | |
hätte. „Wir hätten kein Werk mit Beethoven-Bezug verhindert“, lässt er | |
wissen. „Es hat sich bei der aktuellen Planung jedoch auch nicht ergeben.“ | |
Und nur, weil der große Bonner in diesem Jahr seinen 250. Geburtstag | |
feiert, einen „Alibi-Beethoven“ im Programm unterbringen, das wollte man | |
dann doch nicht. | |
Was man bei einem Neue-Musik-Festival aber naturgemäß will, ist, tja, neue | |
Musik, die dann gern so richtig fangfrisch sein darf und anderswo noch nie | |
gehört – Uraufführungen also. Insgesamt elf gibt es beim diesjährigen, am | |
Mittwoch startenden Festival-Durchlauf. Ein wirkliches | |
Uraufführungsfestival wie Witten oder Donaueschingen aber ist Ultraschall | |
nicht. Da gönnt man sich dazu doch auch Klassiker der neuen Musik wie | |
Helmut Lachenmann (dessen „Dal niente“ am 17. Januar beim | |
[1][Klarinetten-Solo-Konzert von Nina Janßen-Deinzer] zu hören ist) und | |
Sofia Gubaidulina (deren „Fünf Etüden“ gibt es gleichfalls am 17. Januar | |
mit [2][œnm, dem österreichischen Ensemble für Neue Musik]). | |
Die eigentliche Hürde aber ist dazwischen, die ein Werk nach einer | |
allerersten Aufführung erst mal überwinden muss, um zum Klassiker werden zu | |
können. Was, sagt Andras Göbel, auch „einer der Grundgedanken“ sei bei | |
Ultraschall: „Werke aufzuführen, die eine Wiederaufführung verdient haben.�… | |
## Raus aus der Schublade | |
Weil es ja nicht unbedingt so ist, dass die vielen Neue-Musik-Stücke, die | |
nach ihrer Uraufführung nur mehr in der Schublade herumlungern, dort | |
liegen, weil sie in der Qualität zweifelhaft wären. Aber erst einmal gibt | |
es so viele Plattformen auch nicht, die sich der Neuen Musik widmen. Und | |
dann ist ein Neue-Musik-Merkmal durchaus so eine gewisse Zersplitterung, | |
die man etwa in den Besetzungslisten ablesen kann. Da wird zwar mit den | |
klassischen Formaten wie Streichquartett oder Klaviertrio durchaus die | |
traditionelle Verbindung zur Klassik gepflegt, wo die Neue Musik letztlich | |
ja herkommt. Daneben allerdings gibt es immer mehr Ensembles in schon sehr | |
speziellen Zusammensetzungen bei den Instrumenten, für die dann eben ganz | |
spezielle Kompositionen geschrieben werden. Und die können dann halt nicht | |
einfach von einem anderen und ganz anders besetzten Ensemble übernommen | |
werden – wie das natürlich einfacher geht im durchnormierteren Betrieb der | |
Streichquartette. | |
Ein Trio mit Schlagzeug, Saxofon und Klavier mag zum Beispiel im Jazz keine | |
große Besonderheit sein. Im Rahmen der Neuen Musik aber ist das so besetzte | |
Trio Accanto schon einigermaßen ungewöhnlich und damit auch eine | |
Herausforderung für Komponisten, neues dafür zu schreiben. Gleich zwei | |
Uraufführungen gibt es so beim Accanto-Auftritt am 16. Januar zu erleben. | |
Die Konzerte werden – teilweise live – von den veranstaltenden Sendern im | |
Radio übertragen, durchgespielt werden alle Formate: das große Orchester, | |
üppiger besetzte Ensembles, Seltsamkeiten, Streichquartette, Solos. Auch | |
Elektronisches steht auf dem Programm, womit man gleich wieder eine | |
Schnittstelle zum unmittelbar auf Ultraschall folgenden CTM-Festival hat, | |
das ja gleichfalls mit experimentell frischer und abenteuerlicher Musik | |
wirbt. Abgrenzen davon aber müsse man sich nicht bei Ultraschall, so Göbel, | |
„das geschieht schon automatisch durch die jeweilige Ausrichtung der | |
Festivals. Während CTM mehr in Richtung Performance, Klang- und Clubkultur | |
geht, steht bei Ultraschall der Gedanke des komponierten Werkes im | |
Mittelpunkt.“ | |
## Musikalisch mit Überschneidungen | |
Tatsächlich sind die beiden Festivals durchaus unterschiedlich, auch etwa | |
im Habitus. Aber es gibt dabei doch musikalisch Überschneidungen, manchmal | |
sind sie direkt in den Programmen notiert. Die US-amerikanische Komponistin | |
und Installationskünstlerin Ashley Fure zum Beispiel war im vergangenen | |
Jahr mit einer Komposition bei Ultraschall zu hören, in diesem Jahr findet | |
sie sich im CTM-Programm. | |
Was nur heißen kann, dass CTM-Gänger mal bei Ultraschall vorbeihorchen | |
sollten, wenn sie es nicht eh schon tun. Und umgekehrt natürlich auch. Und | |
all die anderen ohne feste musikalische Heimatadresse sowieso. | |
Die Ohren öffnen. Neues hören. | |
11 Jan 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://ultraschallberlin.de/konzert/2020-01-17_solo-recital-nina-janssen-d… | |
[2] https://ultraschallberlin.de/konzert/2020-01-17_oenm-oesterreichisches-ense… | |
## AUTOREN | |
Thomas Mauch | |
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