Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Komponistin Gubaidulina verstorben: Der Klang des Universums
> Die tatarischstämmige Komponistin Sofia Gubaidulina ist in Appen bei
> Hamburg gestorben. Ihre Inspiration bezog sie aus dem Klang der Natur.
Bild: Experimentell und spirituell: Sofia Gubaidulina
Hamburg taz | Wenn sie die Haustür öffnete, sah man: Diese Frau weiß, was
sie will, und es kümmert sie nicht, ob das irgendwem gefällt. In der Tat
hat sich die tatarisch-stämmige russische Komponistin [1][Sofia
Gubaidulina], die jetzt 93-jährig starb, nie einpferchen lassen in die
Doktrin des Sozialistischen Realismus – weder inhaltlich noch
instrumentell. Sie, die orthodoxe Christin, schrieb vielmehr spirituelle
Werke und integrierte Volksmusik-Instrumente in Klassik-Orchester.
Auslöser fürs Komponieren war das Jazz-Improvisieren auf
Volksmusik-Instrumenten in den 1970ern mit ihrem Ensemble Astreja. Das
Improvisieren habe ihr das Tor zur Inspiration geöffnet, sagte sie einmal.
Seither schrieb sie – in [2][Stalins] Sowjetunion verbotene – Oratorien,
Passionen, Pslamenvertonungen, hielt sich nebenbei mit Filmmusik über
Wasser.
1992 sei das dann in Russland genug gewesen, die gesellschaftliche
Atmosphäre aggressiv und die innere und äußere Ruhe fürs Komponieren dahin.
Sie zog mit ihrem Ehemann, dem Musiktheoretiker Pjotr Meschtschaninow nach
Appen bei Hamburg; der einstige Astreja-Mitstreiter Viktor Suslin wohnte
nebenan.
Da war sie hierzulande längst bekannt, hatte der Geiger [3][Gidon Kremer]
doch 1981 ihr Violinkonzert „Offertorium“ im Westen uraufgeführt. Seitdem
galt Gubaidulina, neben Alfred Schnittke und Edisson Denissov, als eine der
wichtigsten zeitgenössischen russischen KomponistInnen.
## Sie schätzte düstere Klänge
Und ihr Spektrum war breit, die Besetzung eigenwillig und reichte vom
„Sonnengesang“ für Cello, Chor, Schlagzeug und Celesta bis zu „Im Zeichen
des Skorpions“ für Bajan und Orchester. Sie schätzte düstere Klänge,
beobachtete die Welt genau und warb dafür, über den Alltag hinauszuwachsen
und sich auf das Spirituelle und Einigende zu besinnen. 2016 wurde dann ihr
[4][Oratorium „Über Liebe und Hass“] uraufgeführt.
Aber eigentlich, sagte sie an jenem Tag in Appen, sei ihr der Trubel
zuviel. Zum komponieren brauche sie Ruhe. Wenn sie dem Klang der Natur, des
Universums lausche, ereile sie jene Inspiration, die ihr, plötzlich und
komprimiert, das ganze Stück eingebe. Den Rest der Zeit verbringe sie
damit, das in Noten zu übersetzen – die übrigens aussehen wie ein Mix aus
mathematischer Gleichung und Geometrie mit Pfeilen und Zahlen.
Das passt: Als größtes Vorbild bezeichnete sie den „intuitiv wie
strukturiert komponierenden“ [5][Johann Sebastian Bach].
14 Mar 2025
## LINKS
[1] /Die-orthodoxe-Dissidentin/!630983/
[2] /Kriegsende-vor-75-Jahren/!5680439
[3] /!1161285/
[4] https://www.youtube.com/watch?v=Bn1hUX7qu5Y
[5] /Dekodierung-von-Johann-Sebastian-Bach/!5037122
## AUTOREN
Petra Schellen
## TAGS
Musik
Sowjetunion
Stalin
Orchester
Komponist
Exil
Neue Musik
## ARTIKEL ZUM THEMA
Herschkowitz-Konzert in Wien: Das noch nicht gerettete Werk
Philip Herschkowitz war Schüler von Alban Berg und Anton Webern. Aber
Schoah und Stalinismus haben sein Werk überschrieben.
Festivals für Neues in der Musik: Alle Ohren offen
Frische Musik im noch neuen Jahr: Mit Ultraschall ist der Experimentierlust
der Neuen Musik eine Spielwiese eingerichtet. Und dann folgt gleich CTM.
Eine Akkordeonistin im Interview: „Das Instrument hat meine Schwingung“
Dass das Akkordeon ein ernst zu nehmendes Klassik-Instrument ist, hat
Hannovers Hochschulprofessorin Elsbeth Moser ihren Musikerkollegen
beigebracht.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.