| # taz.de -- Feministische Linguistin Luise F. Pusch: Reparatur der Herrenkultur | |
| > Luise F. Pusch, Autorin von „Das Deutsche als Männersprache“, legt ihre | |
| > Biografie vor. Sie erzählt vom dumpfen Geist der deutschen | |
| > Nachkriegsjahre. | |
| Bild: Die Autorin und Sprachwissenschaftlerin Luise F. Pusch, aufgenommen im Ja… | |
| Luise F. Pusch ist die wohl erfolgreichste und bekannteste Mitbegründerin | |
| der feministischen Sprachwissenschaft in Deutschland. Ihre originellen | |
| Reparaturvorschläge gegen die Bevorzugung des Mannes in der Sprache und im | |
| Leben seit nun gut 40 Jahren kulminieren in dem Ausspruch: „Das Maskulinum | |
| ist nicht mehr das, was es einmal war.“ Ihr biografisches Webportal | |
| [1][fembio.org] zu bedeutenden Frauen aller Epochen und Länder ist genial. | |
| Fast alle unsere weiblichen Vorbilder sind hier vertreten und es werden | |
| immer mehr. | |
| Der Suhrkamp Verlag bewirbt Luise F. Pusch pointiert als respektlos, | |
| fundiert, einzigartig und kritisch. „Das Deutsche als Männersprache“, ihr | |
| viertes Buch von 1984, ist mittlerweile das bestverkaufte | |
| sprachwissenschaftliche Werk der deutschen Nachkriegsgeschichte. | |
| Dass sich Luise F. Pusch, Jahrgang 1944, bereits früh zu Frauen hingezogen | |
| fühlte, musste sie lange unter Verschluss halten. Die Jahre ihrer Kindheit | |
| und Jugend waren extrem homophob und führten bei der hochbegabten, stark | |
| protestantisch geprägten, wahrheitsliebenden jungen Frau zu permanenter | |
| sozialer Angst, die sie in jahrelangen Psychotherapien zu bewältigen | |
| versuchte. | |
| 1983, in dem Sammelband „Feminismus, Inspektion der Herrenkultur“, schreibt | |
| sie noch unter Pseudonym: „In den fünfziger Jahren hielt ich meine Liebe zu | |
| Frauen für sündig und pervers, in den sechziger Jahren für eine | |
| (hoffentlich heilbare!) Krankheit, in den siebziger Jahren schließlich für | |
| eine Veranlagung etwa wie Linkshändigkeit oder Farbenblindheit – nicht ganz | |
| das Wahre und Normale, ein bisschen unpraktisch in dieser anders genormten | |
| Welt, aber andererseits auch nichts, dessen frau/man sich zu schämen | |
| brauchte. Ich kam durch intensive Lektüre wohlmeinender Schriften und | |
| emsiges Nachdenken zu dem Schluss, ‚die anderen‘ hätten mich und | |
| meinesgleichen gefälligst zu akzeptieren – Farbenblinde und Linkshänder | |
| werden schließlich auch nicht für ihre Veranlagung bestraft und | |
| ausgestoßen, als letzter Dreck behandelt. Es ist schön, sich endlich selbst | |
| akzeptieren gelernt zu haben und neben den anderen als gleichberechtigt | |
| einordnen zu können – aber was nützt eine geheilte Selbstsicht, wenn die | |
| andern die Sicht nicht teilen und fortfahren, dich für Abschaum zu halten?“ | |
| ## Versuche, das Leben zu beschreiben | |
| Von diesen traumatisierenden Erfahrungen handelt ihr Coming-of-Age-Buch | |
| „Gegen das Schweigen. Meine etwas andere Kindheit und Jugend“. Es spielt in | |
| den Nachkriegsjahren in der Provinz in Ostwestfalen. Nach „Sonja: Eine | |
| Melancholie für Fortgeschrittene“ von 1981, einem der erfolgreichsten | |
| Bücher mit lesbischer Thematik nach 1945, ist dies ihr zweiter Versuch, ihr | |
| Leben im und nach dem „Lockdown der Wirtschaftswunderzeit“ zu beschreiben. | |
| Die stark protestantisch geprägte Missionarstochter mit der | |
| alleinerziehenden und wunderbar exzentrischen Mutter am finanziellen | |
| Abgrund – von der sie sicher den Mut hat, sich durchzusetzen –, die | |
| Geschwister, die Liebe zur Musik und zur Literatur, der innere Rückzug, das | |
| Leiden, geben ein lebendiges und beredtes Zeugnis für die Überwindung von | |
| Kleinbürgerlichkeit, von lähmender Angst und dem Zwang zur Verstellung. | |
| Das Buch erzählt in fünf Kapiteln über die Zeit von 1944 bis 1965, vom | |
| Aufwachsen in Gütersloh bis zum fünften Semester an der Uni Hamburg. Es | |
| regt an, ist persönlich, reflektiert. Die geschilderten schlimmen | |
| Erfahrungen scheinen symptomatisch für den dumpfen Geist dieser Zeit. | |
| Heute ist die amerikanische Germanistin Joey Horsley nun schon seit 37 | |
| Jahren ihre Lebenspartnerin und intellektuelle Mitstreiterin. „Ohne sie | |
| wüsste ich nicht, wie wunderbar das Leben sein kann, sogar, und vor allem, | |
| für Lesben.“ | |
| [2][Luise F. Pusch bezaubert mit ihrer Wahrheitssuche] und stellt wieder | |
| einmal unter Beweis, dass noch nie jemand etwas verändert hat, indem sie | |
| oder er so ist wie andere. | |
| 12 Jan 2023 | |
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| [1] https://www.fembio.org/ | |
| [2] /Debatte-Geschlechtergerechte-Sprache/!5577446 | |
| ## AUTOREN | |
| Brigitte Siebrasse | |
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