| # taz.de -- Fehlverhalten beim NDR in Kiel: Nur ein Anschein von Einflussnahme | |
| > Die Beratungsfirma Deloitte stellt ihren Bericht vor. Die Prüfer finden | |
| > zwar diverse Fehler, aber kein systematisches Systemversagen. | |
| Bild: Frank Marzluf (m.) vom Wirtschaftsprüfungsunternehmen Deloitte bei der V… | |
| Kiel taz | Ein Versagen von Einzelnen, aber keine systematischen oder | |
| bewussten Fehler in der journalistischen Arbeit: So lautet das Fazit der | |
| Beratungsfirma Deloitte über das NDR-Landesfunkhaus Kiel. Im Auftrag des | |
| Landesrundfunkrates hatten sich Bilanz- und Wirtschaftsprüfer*innen | |
| [1][mit Vorwürfen befasst], die im Sommer bekannt geworden waren. | |
| „Wir standen vor einem Berg von Vorwürfen, die ins Mark trafen“, sagte die | |
| Vorsitzende des Rundfunkrats, Laura Pooth, bei einer Pressekonferenz in | |
| Kiel. Im August gelangten interne Berichte in die Öffentlichkeit, in denen | |
| Beschäftigte von einem „politischen Filter“ und einem „Klima der Angst�… | |
| einzelnen Redaktionen berichteten. | |
| Unter anderem sei ein Interview mit dem frisch entlassenen Innenminister | |
| Hans-Joachim Grote (CDU) untersagt worden, auch über eine Alkoholfahrt des | |
| CDU-Landtagsabgeordneten Hans-Jörn Arp berichtete der NDR nicht. In der | |
| Folge ging Landesfunkhausdirektor Volker Thormählen in unbezahlten Urlaub, | |
| Chefredakteur Norbert Lorenzen und Julia Stein, Leiterin des Bereichs | |
| Politik und Recherche, wurden von ihren Aufgaben entbunden. | |
| [2][Das Deloitte-Team um Franz Markluf, Leiter der Abteilung Forensik, las | |
| Akten, Berichte und Mails], sprach mit Beschäftigten und holte sich für die | |
| „journalistische Einordnung“ den Rat der Katholischen Journalistenschule | |
| IFP in München. Kommunikation und Strukturen seien durchaus eine Kompetenz | |
| seines Teams, sagte Markluf auf die Frage, warum Deloitte die richtige | |
| Firma für den Auftrag war. „Wir prüfen nicht nur Zahlen, Daten, Fakten.“ | |
| ## Klarere Rollen und Regeln | |
| Sechs Fälle untersuchte das Team und fand diverse Fehler: So hatte es zwar | |
| eine Debatte in der Konferenz über [3][ein Grote-Interview] gegeben, aber | |
| der Mitarbeiter erfuhr nichts über die Gründe für die Absage. Über Arps | |
| Alkoholfahrt hätte der NDR berichten sollen. Im Fall einer Recherche zum | |
| Deutschen Roten Kreuz griff ein Vorgesetzter „nicht professionell-sachlich | |
| begründet“ ein, allerdings wohl nicht wegen politischer oder persönlicher | |
| Rücksichtnahme. | |
| Der Name von Redaktionsleiterin Julia Stein war als Verantwortliche | |
| mehrerer Sendungen eingeblendet, obwohl sie eine Podiumsrunde auf dem | |
| Bauerntag moderierte – das hätte nicht sein dürfen. Kritik gab es auch an | |
| einem Reporter, der seinen Ehemann beim Wahlkampf um ein Bürgermeisteramt | |
| begleitete. Alles in allem sei aber ein systematisches Versagen nicht zu | |
| erkennen, so Markluf. | |
| Pooth leitete einige Empfehlungen an den NDR ab. Dazu zählten Schulungen | |
| zum richtigen Verhalten und politischer Betätigung, um jeden Anschein von | |
| Bestechlichkeit oder Voreingenommenheit zu vermeiden. Auch sollten die | |
| Rollen von Führungskräften auf allen Ebenen klarer definiert sein, und für | |
| den Umgang mit Beschwerden müsste es Regelungen geben. | |
| „Die Beschäftigten sind zu wenig gehört worden, das muss sich ändern“, | |
| sagte Pooth. Der Rundfunkrat selbst ging allerdings nicht mit gutem | |
| Beispiel voran: Statt den Deloitte-Bericht zuerst den Beschäftigten | |
| vorzustellen, gab es die Pressekonferenz, immerhin mit Livestream. | |
| [4][Lukas Knauer], freier Mitarbeiter im Kieler Landesfunkhaus und Mitglied | |
| im Vorstand des Landesverbandes Nord des Deutschen Journalistenverbandes, | |
| sagte nach der Pressekonferenz, die externe Prüfung sei wichtig: „Ich fand | |
| es gut zu hören, dass ein Eindruck der politischen Einflussnahme und zu | |
| großer Nähe zur Politik durchaus hätte entstehen können. Auch wenn es nur | |
| ein Anschein war, wir müssen daran arbeiten, dass das künftig nicht | |
| passiert.“ | |
| Die von Pooth genannten Maßnahmen seien „ein Schritt in die richtige | |
| Richtung“. Für Beschäftigte und Führungskräfte seien die vergangenen Mona… | |
| aber sehr anstrengend gewesen: „Wir sind alle fertig mit den Nerven“. | |
| Erleichtert ist auch Redaktionsleiterin Julia Stein: „Am Ende bleibt nichts | |
| von den schwerwiegenden Vorwürfen gegen meine Arbeit.“ | |
| 7 Dec 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Vorwuerfe-gegen-NDR-Spitze-in-Kiel/!5878376 | |
| [2] /Aufklaerung-der-Missstaende-beim-NDR/!5879582 | |
| [3] /Politik-und-Medien/!5879260 | |
| [4] https://www.ndr.de/wellenord/wir_ueber_uns/knauer136.html | |
| ## AUTOREN | |
| Esther Geißlinger | |
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