| # taz.de -- Fehlverhalten Thüringer Beamter: Neue Vorwürfe gegen Polizei Weim… | |
| > Polizeigewalt, Stalking, falsch registrierte Waffen und ein Polizeichef, | |
| > der wegschaut – Weimarer Polizist:innen berichten erneut von Missständen. | |
| Bild: Aufklären steht hier nicht auf der Agenda: die Polizeiinspektion in Weim… | |
| Leipzig taz | Erneut werden schwere Vorwürfe gegen zwei Polizeibeamte aus | |
| Weimar erhoben. Der taz liegt ein exklusives Schreiben vor, nach dem sich | |
| der Beamte Sebastian K. mehrfach der Körperverletzung im Amt, des | |
| unerlaubten Waffenbesitzes und des Stalkings strafbar gemacht haben soll. | |
| Zudem soll er sich immer wieder aggressiv gegenüber Kolleg:innen und | |
| Bürger:innen verhalten sowie eine Schichtleiterin homophob beleidigt haben. | |
| Ein weiterer Beamter soll sich zudem des Diebstahls von Betäubungsmitteln | |
| strafbar gemacht haben. | |
| Bereits im Juni hatte die taz [1][von Missständen in der Polizeiinspektion | |
| Weimar berichtet]. Damals konnten interne Ermittlungsakten belegen, dass | |
| der Beamte Tino M. mehrfach übergriffig handelte, interne Polizeidaten | |
| weitergab und Penisfotos an ein junges Mädchen verschickte. Das Verfahren | |
| gegen M. wurde auf Januar verschoben, bis heute ist er suspendiert, erhält | |
| jedoch weiterhin Bezüge. | |
| Nun heißt es mit Bezug auf die Recherchen in dem Schreiben, dass es „auch | |
| weiterhin keine Folgen für Kollegen“ gebe, die Fehler machen. In der | |
| anonymen E-Mail berichten die Absender:innen unter dem Pseudonym „Kollegen | |
| der Polizei Weimar“ detailliert über die Anschuldigungen. | |
| Demnach seien die von der taz recherchierten Führungsprobleme durch die | |
| neue Dienststellenleitung unter Polizeichef René Treunert noch schlimmer | |
| geworden als bei dessen Vorgänger und heutigem Bürgermeister Ralf Kirsten. | |
| Fehler würden „nicht einfach nur verschwiegen“, sondern Kollegen, die | |
| Probleme und Straftaten ansprächen, zudem „systematisch schikaniert und | |
| demontiert“. | |
| Konsequenzen gefordert | |
| Drei Beamte der insgesamt 18-köpfigen Schicht haben sich zusammengefunden, | |
| um auf die Missstände aufmerksam zu machen. Die taz konnte mit einem von | |
| ihnen sprechen. Über zehn weitere Polizist:innen, so die Beamten, würden | |
| ihr Vorhaben, die Vorwürfe an die Öffentlichkeit zu bringen, unterstützen. | |
| „Uns ist bewusst, dass wir mit diesem Schreiben ein schlechtes Bild auf die | |
| Polizeiinspektion Weimar hinterlassen“, schreiben die Beamt:innen. „Auch | |
| wenn wir uns wiederholen, wollen wir, dass Fehler, die absichtlich begangen | |
| werden, Konsequenzen haben. Das scheint aber nur möglich, wenn bei | |
| Bekanntwerden der Fehler auch ermittelt wird.“ | |
| Ein Polizeikommissar, der anonym bleiben will, dessen Identität der taz | |
| jedoch bekannt ist, bestätigte die Vorwürfe. Laut seiner Aussage habe der | |
| Polizeimeister Sebastian K. mehrfach „gewaltvolle Übergriffe“ gegenüber | |
| Personen zu verantworten. | |
| Demnach habe er im Einsatz Tatverdächtige „absichtlich mit dem Kopf auf den | |
| Boden geschlagen“, bis Kollegen ihn wegziehen konnten. Während eines | |
| Polizeieinsatzes habe er einen Ladendieb „permanent verbal und körperlich | |
| provoziert“ und ihm, als dieser aufstand, „kräftig mit der Faust in den | |
| Magen geschlagen“. | |
| Polizeigewalt, Stalking, Homophobie | |
| Im Anschluss habe er ihn „absichtlich stark“ am Arm gegriffen, woraufhin | |
| der Ladendieb versucht habe, sich aus dem Griff zu befreien. Sebastian K. | |
| habe ihn dann „radikal zu Boden geworfen“ und gefesselt. Der Betroffene, | |
| der eigentlich nur eine Anzeige wegen Ladendiebstahls zu befürchten hatte, | |
| sei daraufhin ins Klinikum gebracht worden und habe eine Anzeige wegen | |
| Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte erhalten. | |
| K. habe behauptet, er sei mittels eines Ellenbogenschlages angegriffen | |
| worden. Im Einsatzbericht ist lediglich die Anzeige wegen Widerstandes | |
| gegen Vollstreckungsbeamte vermerkt. Der Hinweisgeber sagte der taz, | |
| Sebastian K. habe Protokolle, „so rundgeschrieben, dass ein Widerstand | |
| gegen Vollstreckungsbeamte dabei herauskommt“. Des Weiteren sagte er, | |
| Sebastian K. habe Kolleginnen mehrfach sexistisch, sowie eine lesbische | |
| Kollegin mit den Worten „Die gehört mal ordentlich durchgebumst. Wenn ich | |
| die mal ficken würde, dann wär die Hetero“ homophob beleidigt. | |
| Immer wieder soll K. aggressiv auf Kolleg:innen sowie Bürger:innen reagiert | |
| haben, mehrfach Personen während einer Polizeimaßnahme zum „Kampf Mann | |
| gegen Mann“ herausgefordert haben. Einen angetrunkenen Jugendlichen, der | |
| nachts durch eine Straße in Weimar lief und die Beamten mit „ACAB“-Rufen | |
| beleidigte, habe er ohne Ankündigung auf den Boden geworfen und auf ihn | |
| eingeschlagen, bis sein Kollege ihn bremste. | |
| Sebastian K. soll darüber hinaus seine ehemalige Lebenspartnerin gestalkt | |
| haben. Der Zeuge berichtet, K. sei während der Dienstzeit mehrfach an ihrer | |
| Wohnung vorbeigefahren, zudem soll er einmal während des Dienstes ihre | |
| Wohnung unter dem Vorwand, etwas abholen zu wollen, durchsucht haben: | |
| Unterwäsche, Schränke, ihr Adressbuch. Die Eltern der Ex-Partnerin hätten | |
| ausgesagt, dass sie enorme Angst vor Sebastian K. haben, da er sie | |
| „permanent kontrolliere“ und dem neuem Lebenspartner Gewalt angedroht habe. | |
| Bis heute keine Ermittlungen | |
| Außerdem, so der Polizeibeamte, sei Sebastian K. im Besitz von Waffen | |
| gewesen, darunter ein Scharfschützengewehr, Großkaliberwaffen, | |
| Handfeuerwaffen, Kleinkaliberwaffen sowie ein Sturmgewehr inklusive | |
| Munition. Einige dieser Waffen davon stünden jedoch bei seinem Vater auf | |
| der Erlaubniskarte, nicht bei ihm selbst. | |
| Die Vorwürfe, die die „Kollegen der Polizei Weimar“ in ihrer anonymen | |
| E-Mail sowie der Polizeibeamte im telefonischen Gespräch mit der taz | |
| formulieren, decken sich mit einem Schreiben vom 5. August 2019 – | |
| adressiert an René Treunert, den Leiter der Polizeiinspektion Weimar. In | |
| dem Brief wird auf fünf Seiten ausführlich dargestellt, warum die | |
| Einschätzung naheliege, dass Sebastian K. „sowohl dienstlich als auch | |
| privat eine Gefahr für andere Personen darstellt“. | |
| Der Polizeichef muss von den Vorwürfen gewusst haben – spätestens seit dem | |
| Sommer 2019, dem Datum des Schreibens. Der taz wollte er keine Auskünfte | |
| geben und sagte lediglich, sie „renne einer Sache hinterher, die von allen | |
| Seiten zu einer einvernehmlichen Lösung gebracht wurde“. | |
| Die „Kollegen der Polizei Weimar“ bestreiten gegenüber der taz jedoch, dass | |
| es eine einvernehmliche Lösung gegeben habe. Sie behaupten, dass Treunert | |
| Sebastian K. bereits zwei Monate nach Meldung der Vorfälle wieder in der | |
| Schicht einsetzen wollte, ohne eine:n der Beamt:innen zu den Vorwürfen | |
| befragt zu haben. Bis heute seien keine Ermittlungen eingeleitet worden. | |
| taz-Recherchen sorgen für Wirbel | |
| Angeblich, so die Hinweisgebenden, soll der Polizeichef „massiv Druck“ | |
| ausgeübt haben, damit gar nicht erst ermittelt werde. K. habe stattdessen | |
| im Gespräch mit Treunert psychische Probleme angegeben, woraufhin ihm | |
| jegliche Waffen entzogen worden seien. Die Waffenbehörde gibt auf Anfrage | |
| keine Auskunft. | |
| Und die Hinweisgebenden erheben weitere Vorwürfe gegen einen anderen | |
| Beamten. Seit dieser im Ermittlungsdienst für Betäubungsmittel zuständig | |
| sei, würden immer wieder Betäubungsmittel „verschwinden.“ Akten würden | |
| nachträglich geändert und Fotos von beschlagnahmten Betäubungsmitteln seien | |
| nicht mehr auffindbar. | |
| Mehrere Kollegen würden berichten, dass der Beamte auf dem Heimweg | |
| Jugendliche anspreche, von ihnen Drogen und Tabak sicherstelle und nie eine | |
| Anzeige gefertigt würde. Auch diese Vorfälle seien der Dienststellenleitung | |
| bekannt. Von ihr habe es geheißen, dass der Beschuldigte keine | |
| Betäubungsmittelsachverhalte mehr bearbeite. Bis heute sei dies jedoch | |
| nicht geschehen. | |
| Schon jetzt scheinen die Recherchen für Wirbel in der Landespolizei zu | |
| sorgen. Aus Polizeikreisen heißt es, bei einer Lagebesprechung der | |
| Landespolizeidirektion am Montag habe ein Beamter gesagt, die taz würde | |
| „Druck auf den Leiter der PI Weimar ausüben“. | |
| Ein Sprecher der Landespolizeidirektion sagte auf Anfrage, die | |
| „angesprochenen Sachverhalte mit möglicher strafrechtlicher Relevanz“ | |
| würden in Folge der Anfrage an den Bereich Interne Ermittlungen zur Prüfung | |
| übergeben. Man bedauere, keine weiteren Auskünfte geben zu können. | |
| Sebastian K. selbst nahm zu den Vorwürfen bis Redaktionsschluss keine | |
| Stellung. Nach taz-Informationen ist er weiterhin im Dienst, wenn auch in | |
| einer anderen Schicht. Aber: auf Streife, mit Dienstwaffe. | |
| 30 Oct 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Sarah Ulrich | |
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