Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Extinction Rebellion weltweit: Globaler Ungehorsam beginnt
> In Städten auf der ganzen Welt protestieren AktivistInnen gegen den
> Klimakollaps. Sie blockieren, besetzen, stellen sich tot – noch eine
> Woche lang.
Bild: Symbolisches Sterben: KlimaaktivistInnen in Neu Delhi stellen sich tot
MUMBAI/BUENOS AIRES/PARIS/MADRID taz | In Mumbai ist es ein Wald auf einer
ehemaligen Weidefläche, der das Fass für die KlimaaktivistInnen zum
Überlaufen bringt. Seit Wochen streiken BürgerInnen für den Erhalt von
Mumbais Stadtwald, der nach der Kolonialzeit zu einem wilden Dschungel
heranwuchs. Doch die Stadtregierung erkennt das Gelände nicht als „grüne
Lunge“ an, sondern als kostenfreie Projektfläche, auf der ein
Betriebsbahnhof der neuen Metro entstehen soll.
Der Student Harshad Tambe macht sich auch am Montag auf zur ehemaligen
Milchkolonie Aarey, wo der Stadtwald wächst. „Die Leute dürfen nicht einmal
dort stehen, geschweige denn protestieren“, beschwert er sich. Ein Haufen
Lügen ist über Aarey veröffentlicht wurden, sagt auch der Umweltschützer
und Aktivist Zoru Bhathena, der gerichtlich klagte.
Doch am Freitag wurde Aarey abgesprochen, ein Wald zu sein. Noch am
gleichen Abend begangen die Behörden mit der Rodung, die massive Proteste
auf dem Aarey-Gelände auslöste. „Die Lage war einfach nur hässlich“, sagt
Tambe.
Auch [1][Extinction Rebellion], mittlerweile in vierzehn indischen Städten
aktiv, unterstützt die Proteste. Am Sonntag legten sich AktivistInnen in
zwölf indischen Städten stumm und regungslos auf den Boden öffentlicher
Plätze. „Die-In“ nennt sich diese Aktionsform. Schon nach zwanzig Minuten
löste die Polizei, die seit den Aarey-Demonstrationen besonders gereizt
reagiert, die Aktion auf. So wie in vielen Städten weltweit [2][plant
Extinction Rebellion für diese Woche aber weitere Aktionen].
## Paris: Der Irrweg des Wirtschaftssystems
In Paris besetzten Mitglieder von Extinction Rebellionen am Sonntag das
Einkaufszentrum „Italie 2“. In kleinen Gruppen gelang es ihnen unbemerkt in
die weitläufige Shopping-Anlage zu gelangen. „Dieser Ort ist ein Symbol für
den Irrweg unseres wirtschaftlichen Systems“, erklärte eine Beteiligte.
Auch einige AktivistInnen der „Gilets jaunes“ und anderer Gruppen waren
gekommen, um die Aktion zu unterstützen. In einer halsbrecherischen
Kletterübung gelang es, an der Fassade Spruchbänder zu befestigen.
Nach einigen Stunden traf die Polizei beim Einkaufszentrum ein. Sie zögerte
zunächst, gegen die gewaltlos Protestierenden vorzugehen. Die Bilder einer
unverhältnismäßig brutalen Intervention der Ordnungskräfte bei einer
früheren XR-Demonstration auf einer Pariser Brücke sind vielen noch in
guter Erinnerung. Ganz Frankreich konnte vor den Bildschirmen beobachten,
wie ein Polizeioffizier die TeilnehmerInnen eines friedlichen Sit-ins aus
direkter Nähe mit einem Tränengasspray attackierte.
Gegen 21 Uhr erhielt das Polizeikommando den Räumungsbefehl. Die
BesetzerInnen aber hielten dem Tränengas Stand, und die Beamten, die sich
nicht erneut wegen Polizeigewalt anprangern lassen wollten, zogen wieder
ab. Am frühen Montagmorgen verließen dann die AktivistInnen von sich aus
das Einkaufszentrum – mit dem Versprechen, in den kommenden Tagen erneut
das Aufsehen ihrer Landsleute auf sich ziehen zu wollen.
## Santiago und Madrid: Sterben für den Klimaschutz
Um Aufsehen kämpfen KlimaaktivistInnen auch in Chile, wo im Dezember die
weltweite Klimakonferenz COP25 stattfindet. Trotzdem ist der Klimawandel
noch immer kein öffentlichkeitswirksames Thema. Um darauf aufmerksam zu
machen, fielen am Sonntag im Zentrum der Hauptstadt Santiago rund 40
KlimaaktivistInnen wie tot um. Allerdings wusste kaum jemand der
sonntäglichen SpaziergängerInnen mit dem Aufdruck „#XRChile“ auf den
T-Shirts der symbolischen Toten etwas anzufangen. Eindeutiger war dann die
Forderung nach der Ausrufung des Klimanotstands.
In Madrid blockierten die Klimarebellen am Montag ab 8 Uhr morgens den
Verkehr vor den Ministeriumsgebäuden auf dem Paseo de la Castellana, einer
der Hauptverkehrsadern der spanischen Hauptstadt. Hunderte, meist junge
Menschen nahmen an der gewaltfreien Aktion teil, zu der sie sich im Vorfeld
online eingeschrieben hatten.
Sie beklagten die „verbrecherische Untätigkeit der Regierung angesichts der
klimatischen Notlage“. Eine Sprecherin von Extinction Rebellion verlangte
„die sofortige Ausrufung des klimatischen Ausnahmezustands“, „Drastische
Maßnahmen gegen den Klimawandel“ sowie „echte Demokratie mit Instrumenten,
mit deren Hilfe die Bürger die Klimapolitik überwachen“ könnten. Die
DemonstrantInnen stellten ein Boot auf der Straße quer – als Symbol für den
steigenden Meeresspiegel, der zunehmend die spanische Küste bedroht.
Die DemonstrantInnen errichteten auch ein Protestcamp vor den Toren des
„Ministeriums für den ökologischen Umbau“, wie das Umweltministerium hei�…
seit der Sozialist Pedro Sánchez vor etwas mehr als einem Jahr an die
Regierung kam. „Wir brauchen eine gesellschaftliche Mobilisierung
angesichts der fehlenden Maßnahmen durch die Regierung“, erklärte der
ehemalige Chef von Greenpeace-Spanien und derzeitige Parlamentsabgeordnete
der linksalternativen Unidas Podemos, Juan López de Uralde. Er hatte vor
wenigen Wochen mit Erfolg eine Abstimmung über den klimatischen
Ausnahmezustand ins Parlament eingebracht. Allerdings folgten daraus
keinerlei Maßnahmen, da Spanien mittlerweile vor vorgezogenen Neuwahlen
steht.
## London und Sydney: Blockaden und Festnahmen
Das Protestcamp soll erst einmal bestehen bleiben. Ob die Polizei, die in
großer Zahl vor Ort ist, das dulden wird, ist unklar. An anderen Orten
gehen die Beamten tatkräftig gegen die AktivistInnen vor. Nur Stunden nach
Beginn des Klimaprotests hat es in London bereits 20 Festnahmen gegeben.
Bereits im April waren bei den weitgehend friedlichen Demonstrationen mehr
als 1.100 Anhänger der Bewegung in der britischen Hauptstadt festgesetzt
worden. Die AktivistInnen gehen davon aus, dass die Proteste dieses Mal in
London noch deutlich größer sein werden als im Frühjahr.
Auch in mehreren australischen Städten blockierten DemonstrantInnen
Straßen. In Sydney nahm die Polizei 30 Menschen fest, die sich geweigert
hatten, eine Straße nahe dem Hauptbahnhof zu räumen. Ziel sei es, die
Regierung dazu zu bringen, entschlossenere Maßnahmen gegen den Klimawandel
zu ergreifen, sagte die Aktivistin Miriam Robinson der australischen
Nachrichtenagentur AAP. Die Gruppe habe sich bei den Menschen für die
Unannehmlichkeiten entschuldigt. „Aber das ist nichts im Vergleich zu den
Unannehmlichkeiten, die uns erwarten, wenn uns Nahrung und Wasser
ausgehen“, fügte sie hinzu. Deshalb geht der Protest weiter – an vielen
Orten. (mit dpa)
7 Oct 2019
## LINKS
[1] /Extinction-Rebellion-startet-Proteste/!5631471
[2] /Aufstand-gegen-das-Aussterben/!5631247/
## AUTOREN
Natalie Mayroth
Rudolf Balmer
Jürgen Vogt
Reiner Wandler
## TAGS
Extinction Rebellion
Schwerpunkt Klimaproteste
Mumbai
Paris
Madrid
Santiago de Chile
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Fridays For Future
Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Fridays For Future
Santiago de Chile
Extinction Rebellion
Extinction Rebellion
Extinction Rebellion
Extinction Rebellion
Schwerpunkt Klimaproteste
Extinction Rebellion
Schwerpunkt Fridays For Future
## ARTIKEL ZUM THEMA
Umweltschutz in Indien: Eine Frage der Kohle
Die indische Regierung verfolgt ambitionierte Ziele für die Energiewende.
Trotzdem müssen die Menschen dort nach frischer Luft ringen.
Chile sagt Weltklimagipfel ab: Klima sucht Konferenz
Nach der Absage von Santiago als Ort der COP25 sucht die UNO nach
Alternativen – auch in Bonn. Wer bietet Logistik und Hotels für 30.000
Leute?
Extinction Rebellion in London: Drei Tage Stillstand – fast
Festnahmen und Zufahrtsblockaden in London: An Tag vier der Protestwochen
besetzen Klimaaktivist*innen auch einen Flughafen nahe der Innenstadt.
Klimaproteste von Extinction Rebellion: Bringt das was?
Wer heute eine Bewegung daran bemisst, wie realistisch durchsetzbar ihre
Forderungen sind, denkt ahistorisch. Der Protest von XR funktioniert.
Debatte um Extinction Rebellion: Esoterisch! Naiv! Inhaltsleer!
Kritiker im Netz werfen Extinction Rebellion vor, eine Sekte zu sein, die
von rechts unterwandert werden könne. Wie Aktivist*innen vor Ort reagieren.
Klimaprotest in Berlin: Gitarre für den Klimaschutz
In Berlin blockieren die KlimaaktivistInnen von Extinction Rebellion an
vielen Standorten die Straßen – die Polizei reagiert besonnen.
„Critical Mass“-Protest in Berlin: Hedonistische Frühaufsteher
Zu Beginn der Extinction-Rebellion-Aktionswoche beteiligen sich
Aktivist:innen der Hedonistischen Internationalen mit einer Fahrraddemo.
Extinction Rebellion startet Proteste: Probier's mal mit Klimastreik
Die Klimaaktivist*innen von Extinction Rebellion starten ihre Protestwoche
in Berlin und anderswo. Kritik vom Kanzleramt und den Grünen.
Aufstand gegen das Aussterben: Die große Berlinblockade
Extinction Rebellion nennt sich ein Bündnis, das Berlin in der kommenden
Woche lahmlegen will. Neuralgische Punkte sollen blockiert werden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.