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# taz.de -- Expertin über Racial Profiling: „Traumatische Folgen“
> Maria Marouda von der Europäischen Kommission gegen Rassismus appelliert
> an Deutschland: Führt die Studie zu Racial Profiling durch!
Bild: ... und untersucht sie! Mit einer Racial Profiling-Studie soll Rassismus …
taz: Frau Marouda, die Europäische Kommission gegen Rassismus und
Intoleranz (ECRI) empfahl Deutschland im Frühjahr, eine Studie über Racial
Profiling in der Polizei durchzuführen. Es gebe Indizien dafür, dass die
Praxis hierzulande „ausgeprägt“ sei. Die Studie war auch geplant, [1][jetzt
sagte Innenminister Horst Seehofer sie aber ab]: Es gebe keinen Bedarf. Was
halten Sie davon?
Maria Marouda: Das Thema Racial Profiling ist ein sensibles. Ich freue
mich, dass es nun eine breite öffentliche Diskussion in Deutschland über
unsere Empfehlung zu der Studie gibt, und dass die deutsche
Justizministerin und andere führende Politiker sich für diese Untersuchung
ausgesprochen haben. Wir sind überzeugt, dass es im eigenen Interesse der
Polizei ist, sich in eine solche Studie einzubringen, die eine Faktenbasis
für weitere Maßnahmen in diesem Feld schafft.
Seehofer begründet seine Absage damit, dass es Racial Profiling in
Deutschland nicht gebe, höchstens in Einzelfällen, denen dann auch
nachgegangen werde. Sehen Sie das auch so?
In unserem Report vom Frühjahr verweisen wir auf den zweiten EU-Report zu
Minderheiten und Diskriminierung von 2017. Dort sagten 34 Prozent der
Befragten in Deutschland mit Background aus Subsahara-Afrika, dass sie in
den fünf Jahren vor der Studie von der Polizei gestoppt wurden und 14
Prozent glaubten, dies sei wegen ihres migrantischen oder ethnischen
Hintergrunds geschehen. Das sind Indizien, dass es hier ein substanzielles
Problem in Deutschland geben könnte.
Was macht Racial Profiling mit den Betroffenen?
Racial Profiling verursacht bei den Betroffenen ein starkes Gefühl der
Ungerechtigkeit. Polizeikontrollen dieser Art bestehen oft nicht nur aus
Identitätskontrollen, sondern können auch [2][zu größeren
Grundrechtseinschränkungen] führen wie Leibesvisitationen, Anlegen von
Handschellen, das Verbringen in Polizeistationen oder ein erniedrigendes
Bloßstellen in der Öffentlichkeit. Solche Kontrollen können traumatische
Folgen haben und Angst verursachen, nicht nur bei den Personen, die
angehalten und überprüft werden, sondern in ihrer ganzen Community.
Initiativen wie Amnesty International haben hier sehr eindrückliche
Berichte über die Gefühle der Betroffenen veröffentlicht.
Wie groß ist das Problem in Europa?
Leider ist Deutschland nicht das einzige Land in Europa, das mit diesem
Thema konfrontiert ist. In einem der seltenen öffentlichen Statements von
ECRI haben wir vor wenigen Tagen an die Mitgliedsländer des Europarats
appelliert, entschlossene Schritte gegen Rassismus in der Polizeiarbeit zu
unternehmen, inklusive Racial Profiling.
Welche Schritte?
Um nur einige zu nennen: Einstellungsprozesse, die sicherstellen, dass die
Polizei die Diversität der Bevölkerung widerspiegelt. Regelmäßige
Polizeifortbildungen zu Menschenrechten. Feste Dialogformate zwischen
Polizei und Minderheiten. Effektive Meldeabläufe zu Vorfällen innerhalb der
Polizei, inklusive Schutzmaßnahmen für Whistleblower. Einen starken
Opferschutz. Und vollständig unabhängige Ermittlungsgruppen zu
missbräuchlichen Polizeieinsätzen.
Hat Deutschland im europäischen Vergleich ein besonderes großes Problem mit
Racial Profiling?
ECRI vergleicht keine Länder. In dem EU-Report von 2017 gibt es aber Zahlen
zu allen EU-Ländern. Dort zeigt sich, dass Befragte mit
Subsahara-Background vor allem in Österreich, Italien oder Deutschland
ethnische Kontrollen gegen sich angaben. Auf dieser Grundlage glauben wir,
dass es in Deutschland nötig ist, hier weitere Erkenntnisse zu gewinnen
durch eine eigene Studie, wie sie zuletzt etwa die Niederlande
durchführten.
Was kann Ihre Kommission tun, wenn Deutschland sich weiter gegen die Studie
sperrt?
Die 47 Mitgliedsstaaten des Europarats haben ECRI das Mandat erteilt, die
Situation in ihren Ländern mit Blick auf Rassismus zu beobachten und
Empfehlungen auszusprechen. Diese Empfehlungen sind nicht bindend, aber
ECRI ist darauf angewiesen, dass die Mitgliedsländer diese umsetzen und wir
überprüfen auch innerhalb von zwei Jahren, ob dies erfolgt.
Und wenn das nicht passiert, wie jetzt im Fall Seehofer?
Unsere Kommission arbeitet hauptsächlich präventiv. Eine effektive
Umsetzung der ECRI-Empfehlungen reduziert für die Länder signifikant das
Risiko, eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention durch den
Gerichtshof in Straßburg bescheinigt zu bekommen. Tatsächlich hat der
Gerichtshof in der Vergangenheit auch Fälle von Racial Profiling als
Verletzungen der Menschenrechtskonvention angesehen, etwa 2019 in einer
Entscheidung zugunsten einer Roma-Familie, die gegen den rumänischen Staat
klagte.
8 Jul 2020
## LINKS
[1] /Abgesagte-Studie-zu-Racial-Profiling/!5694005
[2] /Racial-Profiling-bei-der-Polizei/!5697146
## AUTOREN
Konrad Litschko
## TAGS
Polizei
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Diskriminierung
Racial Profiling
Horst Seehofer
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