| # taz.de -- Europäisches Lieferkettengesetz: Waffenexporteure nicht erfasst | |
| > Geht es nach den Mitgliedsstaaten, wird das geplante | |
| > EU-Lieferkettengesetz weniger Unternehmen umfassen. Es wird deutlich | |
| > entschärft. | |
| Bild: Viele verschiedene Interessen in Sachen Lieferkettengesetz: Flaggen der E… | |
| Brüssel taz | Das europäische Lieferkettengesetz soll weniger scharf | |
| werden. Dies geht aus der gemeinsamen Position hervor, mit der die 27 | |
| EU-Staaten in die abschließenden Verhandlungen mit dem Europaparlament | |
| gehen wollen. Am Donnerstag stellten sie diese in Brüssel vor. | |
| Das europäische Lieferkettengesetz soll Unternehmen in die Pflicht nehmen, | |
| in ihrer Wertschöpfungskette darauf zu achten, dass etwa Menschenrechte und | |
| ökologische Standards eingehalten werden. Laut der grundsätzlichen Einigung | |
| sollen die Regeln nun zunächst nur für sehr große Firmen mit mehr als 1.000 | |
| Angestellten und einem weltweiten Jahresumsatz von 300 Millionen Euro | |
| gelten. Der ursprüngliche Plan der EU-Kommission sah eine Schwelle von 500 | |
| Beschäftigten bei einem Jahresumsatz von 150 Millionen Euro vor. | |
| Für Finanzdienstleistungen sind nur sehr eingeschränkte Sorgfaltspflichten | |
| vorgesehen. Die Mitgliedstaaten können sogar darauf verzichten, sie konkret | |
| zu regulieren. Außerdem müssten sich Exporteure nicht mit der Verwendung | |
| ihrer Produkte beschäftigen. Zudem wird die Tiefe der Lieferketten | |
| eingeschränkt. | |
| So sollen nur noch vorgelagerte Produktionsschritte sowie das Recycling | |
| und Abfallmanagement von Produkten erfasst werden, wie der | |
| SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken kritisiert. Die letztlich entscheidende | |
| Pflicht, zu prüfen, ob die eigenen Produkte menschenrechts- und | |
| umweltschutzkonform eingesetzt werden, falle damit weg. | |
| ## Finanzsektor ausgeklammert | |
| Die Verhandlungsführerin der Grünen im Handelsausschuss, Anna Cavazzini, | |
| erklärte, die französische Regierung habe dafür gesorgt, dass der | |
| Finanzsektor weitgehend ausgeklammert bleibe. Das sei „skandalös und nicht | |
| nachvollziehbar“. Der [1][Finanzsektor habe eine enorme Lenkungswirkung] | |
| und müsse daher in das Lieferkettengesetz einbezogen werden. | |
| In Tschechien wertete man den Kompromiss dagegen als Erfolg. Es sei | |
| wichtig, dass Unternehmen „die Auswirkungen ihrer Tätigkeiten auf | |
| Menschenrechte und die Umwelt erkennen und verhindern“, erklärte der | |
| tschechische Industrieminister Jozef Síkela in Brüssel. Tschechien hat | |
| gerade den halbjährlich wechselnden EU-Ratsvorsitz inne. | |
| Nach der Einigung der Staaten können die Verhandlungen mit dem Parlament | |
| beginnen. Das Endergebnis ist auch für Deutschland relevant. Denn die | |
| EU-Pläne gehen auch jetzt über das deutsche Sorgfaltspflichtengesetz | |
| hinaus. In Deutschland sind ab 1. Januar 2023 zunächst nur Unternehmen mit | |
| mehr als 3.000 Beschäftigten betroffen. | |
| ## NGOs unzufrieden | |
| Die deutsche Wirtschaft warnt bereits vor möglichen Verschärfungen durch | |
| die EU. Der Zentralverband des deutschen Handwerks fordert, europäische | |
| Lieferketten von der Nachweispflicht auszunehmen. Die Betriebe müssten | |
| davon ausgehen können, dass Menschenrechts- und Umweltstandards innerhalb | |
| der EU eingehalten werden. | |
| Aus Sicht des zivilgesellschaftlichen Bündnisses „Initiative | |
| Lieferkettengesetz“ geht der EU-Entwurf hingegen längst nicht weit genug. | |
| Der Ratsbeschluss umschiffe zwar [2][einige Schwächen des deutschen | |
| Lieferkettengesetzes]. Kurskorrektoren seien aber nötig, sagte der Sprecher | |
| des Bündnisses, Johannes Heeg. So seien Waffenexporte bisher gar nicht | |
| erfasst. Zudem müssten sich Exporteure nicht mit der Verwendung ihrer | |
| Produkte beschäftigen. Damit wären Agrarkonzerne fein raus. | |
| 1 Dec 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Eric Bonse | |
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