| # taz.de -- Europäische Erklärung: Auf Kosten der Ukraine | |
| > Per Handschlag wollen Trump und Putin Russlands Krieg in der Ukraine | |
| > durch Grenzverschiebungen beenden. Die Europäer lassen sich allmählich | |
| > darauf ein. | |
| Bild: Für Krieg gibt es kein passendes Schuhwerk: nach einem Luftschlag in Kra… | |
| Berlin taz | Das prächtige Chevening House, informelle Residenz des | |
| britischen Außenministers inmitten einer Parklandschaft nahe London, hat | |
| schon so manches diskrete Treffen beherbergt. Der Ukraine-Gipfel, der dort | |
| am Samstag stattfand, hat eine für Chevening unübliche Außenwirkung. Die | |
| wichtigsten Akteure Europas beugten sich hier Donald Trump – weniger als | |
| eine Woche, bevor der US-Präsident Russlands Präsidenten Wladimir Putin | |
| treffen will, um „den Krieg in der Ukraine zu beenden“, wie er mehrfach | |
| formuliert hat. | |
| „Wir begrüßen Präsident Trumps Arbeit, das Töten in der Ukraine zu stoppe… | |
| den Angriffskrieg der Russischen Föderation zu beenden und für die Ukraine | |
| einen gerechten und dauerhaften Frieden und Sicherheit zu erreichen“, | |
| lautet der erste Satz [1][der gemeinsamen Erklärung im Namen der Staats- | |
| und Regierungschefs] von Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien | |
| und Polen sowie der Kommissionspräsidentin und dem Ratspräsidenten der EU. | |
| Zwölf Sätze später folgt der Schlusssatz: „Wir werden weiterhin eng mit | |
| Präsident Trump und den USA zusammenarbeiten, und mit Präsident Selenskyj | |
| und dem Volk der Ukraine, für einen Frieden in der Ukraine, der unsere | |
| vitalen Sicherheitsinteressen schützt.“ Die Reihenfolge – erst Trump, | |
| danach Selenskyj – spricht Bände. | |
| Der Gipfel fand auf Ebene der nationalen Sicherheitsberater statt, auch die | |
| Ukraine war vertreten. Geleitet wurde es nicht nur vom Gastgeber, | |
| Großbritanniens Außenminister David Lammy, sondern auch von | |
| US-Vizepräsident J.D. Vance, der sich seit Donnerstag auf Familienurlaub in | |
| Großbritannien aufhält. Schon am Freitag schlug er in Chevening auf, wo | |
| Lammy, mit dem ihn eine persönliche Freundschaft verbindet, ihn mit einem | |
| großspurigen „Willkommen bei mir zu Hause“ begrüßte, [2][im Sessel vor | |
| Kamin und Landesflagge], fast wie im Weißen Haus. | |
| Während Vance am Freitag mit Lammy im Park von Chevening angeln ging, | |
| wurden in Washington und Moskau die Weichen für das wohl spektakulärste | |
| diplomatische Ereignis des Jahres gestellt: ein Treffen zwischen Trump und | |
| Putin. Es soll, das bestätigten in der Nacht zu Samstag beide Präsidenten, | |
| in Alaska stattfinden. | |
| Eigentlich wäre in der Nacht zu Samstag das jüngste Trump-Ultimatum gegen | |
| Putin, den Krieg gegen die Ukraine zu beenden, ergebnislos abgelaufen. | |
| „Sehr enttäuscht“ sei er vom russischen Machthaber, hatte der US-Präsident | |
| am 28. Juli gesagt – auch das schon in Großbritannien, mit dem britischen | |
| Premierminister Keir Starmer neben ihm auf Trumps Golfplatz in Schottland. | |
| „Zehn bis zwölf Tage“ gebe er Putin noch, fuhr er fort. Am 14. Juli hatte | |
| er Putin noch 50 Tage gegeben, also bis Ende August. Dies folgte auf eine | |
| Zweiwochenfrist am 28. Mai, die Trumps Wahlkampfversprechen ablöste, den | |
| Krieg in der Ukraine in 24 Stunden zu beenden. | |
| ## Feuerpausen gegen Rückzug der Ukraine | |
| Aber statt neuer Strafmaßnahmen gegen Russland verhängten die USA am | |
| Donnerstag bloß neue Zölle gegen Indien als Hauptabnehmer russischen Öls – | |
| nichts, womit man Putin oder Indiens Premierminister Narendra Modi | |
| beeindrucken könnte. Bereits am Mittwoch war Trumps Sondergesandter | |
| geschickt worden, um drei Stunden lang im Kreml bei Putin zu sitzen. | |
| „Hochproduktiv“ sei das gewesen, erklärte Trump danach: „Große Fortschr… | |
| wurden erzielt!“ | |
| Was für Fortschritte? Laut [3][Medienberichten] bestand Putin auf der | |
| russischen Minimalforderung, die seit 2022 von Russland für annektiert | |
| erklärten ukrainischen Gebiete Donetsk, Luhansk, Saporischschja und Cherson | |
| vollständig Russland zuzuschlagen. Derzeit steht lediglich Luhansk | |
| vollständig unter russischer Kontrolle, im Gebiet Donetsk wird heftig | |
| gekämpft. In Saporischschja und Cherson ist die Front stabil, beide | |
| Hauptstädte sind weiter in ukrainischer Hand. | |
| Den Berichten zufolge habe Putin „sektorale“ Feuerpausen im Gegenzug für | |
| einen „friedlichen Rückzug“ der Ukraine vorgeschlagen. Wittkoff habe das | |
| als friedlichen Rückzug Russlands missverstanden und zugestimmt. Uneinig | |
| seien sich die beiden über den Umfang eines Waffenstillstands im Gegenzug | |
| für ukrainische Gebietsverzichte geblieben: Wittkoff wollte ein | |
| vollständiges Schweigen der Waffen, Putin habe das abgelehnt, hieß es. | |
| ## Verwirrung in der US-Regierung | |
| Ab Donnerstag wurde Verwirrung innerhalb der US-Regierung deutlich. | |
| Verwirrung darüber, was man denn da genau in Moskau besprochen hatte. Klar | |
| war bloß, dass die Ukraine mindestens das Gebiet Donezk vollständig räumen | |
| soll, damit Russland den Krieg zumindest teilweise einstellt. Als vor | |
| diesem Hintergrund ein Putin-Trump-Gipfel ins Gespräch kam, schrillten | |
| sämtliche europäischen Alarmglocken. Deshalb das schnell anberaumte Treffen | |
| in Chevening. | |
| Dort soll [4][ein europäischer Gegenvorschlag] vorgelegt worden sein: erst | |
| ein Waffenstillstand, dann Verhandlungen. Wer aber auf eine robuste | |
| europäische Antwort gehofft hatte, musste zwangsläufig enttäuscht werden. | |
| Dass [5][Großbritanniens Außenminister David Lammy] den notorisch | |
| anti-ukrainischen US-Vizepräsidenten Vance nicht nur aus dem Sommerurlaub | |
| zu diesem offiziellen Termin holte, sondern ihm auch noch die | |
| Gesprächsleitung mit überließ, kann man als diplomatischen Affront werten. | |
| Weit entfernt scheinen die Tage direkt nach dem Skandal im Weißen Haus am | |
| 28. Februar, als Trump und Vance den ukrainischen Präsidenten Selenskyj | |
| gemeinsam vor laufender Kamera niederbrüllten. Schon am nächsten Tag hoben | |
| der britische Premierminister Keir Starmer und Frankreichs Präsident | |
| Emmanuel Macron gemeinsam eine „Koalition der Willigen“ für die Ukraine aus | |
| der Taufe. Es ging darum, der Ukraine auch ohne US-Hilfe militärisch | |
| beistehen zu können, notfalls mit eigenen Soldaten auf ukrainischem Boden. | |
| Es folgten Gipfel in London und Paris. | |
| Kein halbes Jahr später ist die Bilanz ernüchternd. Eine eigene | |
| diplomatische Initiative hat in Europa niemand entwickelt, aber auch keine | |
| eigene militärische. Russlands Angriffe sind intensiver denn je. Was der | |
| Ukraine gelingt, leistet sie mit eigenen Mitteln. | |
| ## Mittlerweile schlechte Chancen für die Ukraine | |
| In Militärkreisen in London werden die Chancen der Ukraine mittlerweile als | |
| gering gewertet. „Russlands Vormarschtempo beschleunigt sich und die | |
| russische Sommeroffensive dürfte die ukrainischen Streitkräfte unter großen | |
| Druck setzen“, heißt es in einer [6][neuen Analyse] des führenden | |
| britischen Militär-Thinktanks Royal United Services Institute (RUSI): „Das | |
| vorherrschende Zukunftsszenario in der Nato ist eines, in der Russland | |
| Kyjiw einen Kriegsausgang aufzwingt, der die Unabhängigkeit der Ukraine | |
| kompromittiert. | |
| Wenn die Russen dann ihre Streitkräfte aus der Ukraine abziehen und sie in | |
| großangelegte Manöver stecken, könnten sie innerhalb von zwei Jahren eine | |
| ernstzunehmende Mindestkraft zur Bedrohung europäischer Staaten haben.“ | |
| Innerhalb von sieben Jahren könnte Russland seine in der Ukraine | |
| verbrauchten militärischen Kapazitäten sogar vollständig wiederhergestellt | |
| haben. „Aber wenn die Ukraine noch ein Jahr durchhalten und die russischen | |
| Kräfte schwächen kann, könnte es für Russland unmöglich sein, sich zu | |
| erholen“. | |
| Daraus wird die Notwendigkeit abgeleitet, die Ukraine gerade jetzt | |
| verstärkt zu unterstützen, da die ersten Anzeichen eines russischen | |
| Wirtschaftskollapses sich mehren. Die Ukraine wird bei RUSI als | |
| „Pufferzone“ beschrieben, deren Weiterbestehen Russland fernhält; aktuell | |
| erlebe man aber dafür „ein sich schließendes Fenster der Möglichkeiten“. | |
| Militärfachkreise quer durch den Kontinent widmen sich längst der Frage, | |
| wie Europa nach einem Verlust der Ukraine vor direkten russischen Angriffen | |
| zu schützen sei. Vor diesem Hintergrund ist auch die Formulierung der | |
| [7][europäischen Chevening-Erklärung] zu verstehen, man wolle „einen | |
| Frieden in der Ukraine, der unsere vitalen Sicherheitsinteressen schützt“ – | |
| also die europäischen Sicherheitsinteressen, nicht die ukrainischen. | |
| Aus Sicht Trumps beinhaltet Frieden, dass die Ukraine Gebiete – und damit | |
| Menschen – an Russlands Gewaltherrschaft abtritt, damit Putin Ruhe gibt. | |
| Trump hat „Gebietsaustausch“ offen als ein Thema beim Gipfel in Alaska | |
| formuliert. Der litauische Politiker Gabrielus Landsbergis [8][verglich] | |
| dies am Samstag mit der Weise, wie die westlichen Alliierten bei der | |
| Neuaufteilung Europas zum Ende des Zweiten Weltkrieges der Sowjetunion den | |
| östlichen Teil Polens überließen, gegen den Willen der polnischen | |
| Exilregierung in London. So ein Verrat an Verbündeten dürfe sich nicht | |
| wiederholen, schrieb er: Europa müsse „den Putin-Trump-Pakt zurückweisen“. | |
| ## Ein Einknicken gegenüber Trump und Putin | |
| Als der Litauer das schrieb, war [9][die Chevening-Erklärung der Europäer] | |
| schon fertig. Und sie ist ein Einknicken gegenüber Trump und Putin. Sie | |
| führt aus: „Wir bleiben dem Grundsatz verpflichtet, dass internationale | |
| Grenzen nicht gewaltsam verändert werden dürfen. Die aktuelle Frontlinie | |
| sollte der Ausgangspunkt von Verhandlungen sein.“ Mit anderen Worten: | |
| Ausgehend von der aktuellen Lage der Kampfhandlungen können neue | |
| Staatsgrenzen festgelegt werden. Es muss bloß in Verhandlungen geschehen, | |
| nicht mit der Waffe. | |
| Für Ukraines Präsident Selenskyj bleibt wenig übrig, als allein auf weiter | |
| Flur auf Gerechtigkeit zu pochen. „Natürlich werden wir nicht Russland | |
| dafür belohnen, was es angerichtet hat (…) Die Ukrainer werden ihr Land | |
| nicht den Besatzern schenken“, [10][schrieb er am Samstagmorgen]. | |
| In der Nacht zu Sonntag [11][kommentierte er die Chevening-Erklärung]: „Der | |
| Weg zum Frieden für die Ukraine muss zusammen mit der Ukraine festgelegt | |
| werden, und nur zusammen mit der Ukraine.“ Das würde er nicht sagen, wenn | |
| es bereits der Fall wäre. | |
| 10 Aug 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.bundesregierung.de/resource/blob/2196306/2377432/7c875e346b753f… | |
| [2] https://www.youtube.com/watch?v=tMegGhVTna4 | |
| [3] https://x.com/Mylovanov/status/1954510341452226659 | |
| [4] https://x.com/Mylovanov/status/1954254944468631966 | |
| [5] /Neuer-britischer-Aussenminister/!6019260 | |
| [6] https://www.rusi.org/explore-our-research/publications/commentary/ukraine-e… | |
| [7] https://www.bundesregierung.de/resource/blob/2196306/2377432/7c875e346b753f… | |
| [8] https://x.com/GLandsbergis/status/1954275112531759466 | |
| [9] https://www.bundesregierung.de/resource/blob/2196306/2377432/7c875e346b753f… | |
| [10] https://x.com/ZelenskyyUa/status/1954063605453795361 | |
| [11] https://www.president.gov.ua/en/news/shlyah-do-miru-dlya-ukrayini-maye-viz… | |
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| Dominic Johnson | |
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