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# taz.de -- Europa-Universität und die Ukraine: Viadrina läutet neues Kapitel…
> Frankfurts Europa-Uni will eine Brücke in die Ukraine schlagen. 80
> Studierende aus dem Land beginnen an der Oder ihr Studium.
Bild: Studierende aus der Ukraine und andere läuten die Frankfurter Friedensgl…
Oksana Pashko hatte Glück. Eigentlich war der Forschungsaufenthalt der
Literaturwissenschaftlerin an der [1][Europa-Universität Viadrina in
Frankfurt (Oder)] für den August geplant. Nach dem russischen Angriff auf
die Ukraine am 24. Februar ging es dann aber ganz schnell. „Die Kolleginnen
und Kollegen haben geholfen, dass ich schon am 1. März anfangen kann“,
freut sich Pashko.
Oksana Pashko forscht zu den Themen Komparatistik, Literatursoziologe und
Literaturkritik an der [2][Kiew-Mohyla-Akademie]. Nun ist sie Fellow im
[3][Verbundprojekt European Times der Viadrina] und eine von sieben
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die aus der Ukraine nach
Frankfurt gekommen sind.
„Wir sind alle wütend über die unglaublichen Verbrechen, die der russische
Angriffskrieg darstellt“, sagte [4][Viadrina-Präsidentin Julia von
Blumenthal] am Mittwoch auf der Pressekonferenz zum Start des
Sommersemesters. „Doch es macht unser Leben etwas leichter, weil wir etwas
tun können.“
Von Blumenthal spricht von „untypischen Aktivitäten“ für eine Universitä…
„Wir mieten Wohnungen an und fragen die Mitarbeitenden nach Möbeln“, sagt
sie und verweist auf einen Unterstützungs- und Notfallfonds, den die
Viadrina aufgelegt hat. „54.000 Euro an Spenden sind bereits eingegangen.“
## Erst Polen, dann Ukraine
[5][Dreißig Jahre nach ihrer Gründung] als Brücke von Deutschland nach
Polen schlägt die Europa-Universität nun eine neue Brücke. Beim Beginn des
ersten akademischen Jahres 1992 war ein Drittel der Studienplätze für
Studierende aus Polen reserviert. „Warum soll das heute nicht wieder
möglich sein“, fragt Dagmara Jajeśniak-Quast, die als einer der ersten
Studentinnen aus Krakau nach Frankfurt gekommen war. Heute leitet sie als
Professorin das [6][Zentrum für Interdisziplinäre Polenstudien]. Mit ihrem
Mann hat sie eine Mutter mit ihrem Sohn aus Kiew aufgenommen. Schon seit
Jahren sitzen in ihren Seminaren Studierende aus der Ukraine.
Julia von Blumenthal nennt es so: „Die Viadrina wird zur neuen
wissenschaftlichen Heimat für geflüchtete Studierende und Forschende.“
Tatsächlich sind an der Viadrina bereits 200 Anfragen von Bewerbern
eingegangen, die ihr Studium in Frankfurt beginnen oder fortsetzen wollen.
Darunter befinden sich nicht nur Ukrainerinnen und Ukrainer, sondern auch
Studierende aus Drittstaaten, die in der Ukraine studierten, betont von
Blumenthal.
Finanziell ist die Viadrina auf diesen neuerlichen Brückenschlag aber nur
bedingt vorbereitet. 40 Studierenden aus Kiew, Charkiw und Lwiw konnte die
Uni im Rahmen eines Eurasmus-Austausches einen Studienplatz anbieten. „Da
wurde das Verfahren vereinfacht, aber mehr Geld gibt es nicht“, sagt von
Blumenthal.
Zusätzlich gebe es für rund 40 junge Ukrainerinnen und Ukrainer die
Möglichkeit, sich im [7][Viadrina College] einzuschreiben. Dort werden
Schulabgängerinnen und Schulabgänger, deren Abitur in Deutschland nicht
anerkannt wird, auf ein Studium vorbereitet.
Insgesamt studieren und arbeiten an der Viadriana rund 150 Menschen mit
ukrainischer Staatsangehörigkeit. Ukrainische Studierende bilden nach
polnischen und türkischen Studierenden die drittgrößte Gruppe
internationaler Studierender an der Europa-Universität. Bei den
Austauschstudenten liegen sie auf Platz eins.
## Ukraine-Zentrum geplant
Doch der neue Brückenschlag soll nicht nur aus der Ukraine an die Oder
erfolgen, sondern auch in umgekehrter Richtung.
„Wir haben Pläne und Hoffnungen, um an der Viadrina ein Ukraine-Zentrum zu
etablieren“, sagt Andrii Portnov. Der 42-Jährige, der in Dnipro geboren
ist, hat die einzige [8][Professur für ukrainische Geschichte in
Deutschland]. Vor Kurzem hatte er sich in einem taz-Interview darüber
beklagt, „dass die Ukrainistik an den Hochschulen so gut wie gar nicht
institutionalisiert ist“.
Auch beim Spracherwerb führt Ukrainisch ein Schattendasein. Nur an zwölf
der 300 Hochschulen an Deutschland kann man die Sprache lernen. Die
Konzentration der Slawistik auf die „russische Perspektive“ führt laut
Portnov dazu, dass es in Deutschland „eine historische und kulturelle
Stereotypisierung der Ukraine gibt“.
An der Viadrina soll der Hebel nun umgelegt werden. Man sei mit Stiftungen
im Gespräch, um über die Finanzierung zu reden, sagt Präsidentin Julia von
Blumenthal, die die Forderung nach einem Ukraine-Zentrum unterstützt. Auch
Wissenschaftsministerin Manja Schüle (SPD) signalisierte Hilfe.
So könne Frankfurt bald das Zentrum deutscher Ukraineforschung werden. 40
Anträge von Forschenden sind bereits in der Viadrina eingegangen. Neben
Oksana Pashko und ihren sechs Kolleginnen, die vom
Bundesforschungsministerium gefördert werden, bekommen fünf weitere
Forschende ein Einjahresstipendium. Dafür hat die Volkswagenstiftung 7,5
Millionen Euro bereit gestellt.
„An der Viadrina gibt es einen außerordentlichen Kreis an Leuten, die aus
verschiedenen Perspektiven über die Ukraine forschen“, sagt Oksana Pashko.
„Das sind in diesen apokalyptischen Zeiten nicht nur große
Herausforderungen, sondern auch Perspektiven.“
Für russische Forschende und Studierende gibt es diese Perspektiven
allerdings nicht mehr. „Von den 15 Universitäten in Russland, mit denen wir
kooperiert haben, haben zwölf den Aufruf der Rektorenkonferenz
unterschrieben, der all die Lügen enthält, mit denen der Krieg begründet
wird“, sagt Julia von Blumenthal. Man habe deshalb die Zusammenarbeit
eingefroren und den Studierendenaustausch eingestellt.
13 Apr 2022
## LINKS
[1] https://www.europa-uni.de/de/index.html
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Nationale_Universit%C3%A4t_Kiew-Mohyla-Akadem…
[3] https://www.kuwi.europa-uni.de/de/lehrstuhl/lw/osteuropa/EUTIM-Projekt/inde…
[4] https://www.europa-uni.de/de/struktur/unileitung/praesidentin/index.html
[5] https://www.europa-uni.de/de/struktur/unileitung/pressestelle/30jahre/index…
[6] https://www.zip.europa-uni.de/de/index.html
[7] https://www.europa-uni.de/de/internationales/Viadrina-College/index.html
[8] /Forscherinnen-ueber-Ukrainistik/!5843385
## AUTOREN
Uwe Rada
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Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Universität
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Frankfurt Oder
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