# taz.de -- Erbe Antonis Schwarz über Umverteilung: „Fünf Millionen jucken … | |
> Antonis Schwarz hat ein Millionenvermögen geerbt. Doch statt für | |
> Superyachten interessiert er sich für eine gerechte Gesellschaft und | |
> Klimaschutz. | |
Bild: Nicht Antonis Schwarz, aber vielleicht ein ähnlich-Denkender auf einer U… | |
taz am wochenende: Herr Schwarz, Sie gehören zum reichsten einen Prozent in | |
Deutschland und engagieren sich für linke Graswurzelinitiativen, | |
Umverteilung und Klimaschutz. Warum? | |
Antonis Schwarz: Ich versuche meinem Leben einen Sinn zu geben. Ich bin in | |
der glücklichen Lage, mein Einkommen nicht durch Lohnarbeit beziehen zu | |
müssen. Wenn man Vermögen erbt, hat man die Verantwortung sich zu | |
engagieren, sei es durch nachhaltige Investitionen oder im | |
philanthropischen Bereich, also durch Stiften und Spenden. Ich versuche, | |
meine Aktivitäten so zu gestalten, dass ich einen möglichst hohen Impact | |
habe. Die nächsten fünf bis zehn Jahre werden wegweisend dafür sein, wo wir | |
uns als Menschheit hin entwickeln. | |
Und wie sehen ihre Aktivitäten konkret aus? | |
Mit der [1][Guerrilla Foundation] versuchen wir zum Beispiel, eine andere | |
Form der Philanthropie bekannter zu machen, die partizipativer ist. Wo man | |
Aktivist*innen in die Strategie und Entscheidungsfindung einbezieht und | |
auch junge, noch unbekannte und weniger staatstragende Initiativen fördert. | |
Meinen Sie, dass gesellschaftlicher Wandel eher von unten kommt als von | |
internationalen Konferenzen wie der [2][UN-Klimakonferenz] oder dem | |
G20-Gipfel? | |
Ja, ich setze sehr große Hoffnungen in die sozialen Bewegungen, sie sind | |
der Hauptmotor für gesellschaftlichen Fortschritt. In Deutschland haben wir | |
das Glück, dass wir eine starke Zivilgesellschaft haben, die gut | |
organisiert und sehr kritisch ist. Das ist wichtig für das Ziel einer | |
inklusiven und lebenswerten Gesellschaft. | |
Sie sagen, mit Reichtum gehe Verantwortung für Menschen und Umwelt einher, | |
aber nicht jede*r Vermögende sieht das so. Gibt es da einen | |
Generationenkonflikt? | |
Ja, die ältere Generation hat ein viel stärkeres Statusbewusstsein, legt | |
mehr Wert auf große Häuser und teure Autos. In meiner Generation gibt es | |
ein viel größeres Bewusstsein für soziale und ökologische Verantwortung. | |
Wir wollen in etwas investieren, das einen positiven Impact hat, anstatt in | |
traditionelle Finanzsysteme. | |
Aber der Klimawandel ist ein Thema in der älteren Generation der oberen | |
Schichten? | |
Die Dringlichkeit ist den meisten erst in den letzten Jahren bewusst | |
geworden, seit die Auswirkungen des Klimawandels auch hier spürbar sind – | |
genau wie in anderen Bevölkerungsschichten. | |
Was unterscheidet Ihren Lebensstil von dem anderer Vermögender? | |
Ich habe kein Auto. | |
Das heißt, Sie fahren Fahrrad? Oder Taxi? | |
Ich gebe zu, dass ich auch relativ viel Taxi fahre. Aber meistens bewege | |
ich mich mit Öffentlichen und den Sharing Apps, TIER scooter, Emmy und so. | |
Das macht mir am meisten Spaß, da ist man auch an der frischen Luft. Und | |
das Wohnen: Meine Wohnung ist ganz nett, aber jemand in meiner finanziellen | |
Situation würde wahrscheinlich eher in einem Haus wohnen. Auch beim Reisen | |
schränke ich mich ein und versuche möglichst wenig in den Flieger zu | |
steigen. | |
Begegnen andere Vermögende Ihnen aufgrund Ihres Engagements kritisch? | |
Absolut, vor allem wenn es um Steuern geht. Ich hatte den Grünen ja im | |
Februar 500.000 Euro gespendet. Was Vermögende an den Grünen am meisten | |
stört, ist die Steuerthematik, speziell die Vermögenssteuer. Aber ich werde | |
nicht angefeindet, die meisten erklären, was sie stört und warum. Dann kann | |
man darüber reden. Ich habe auch festgestellt, dass bei vielen FDPlern | |
Einigkeit darüber besteht, dass man bei der Erbschaftssteuer etwas ändern | |
muss. Erbschaften stärker zu besteuern entspricht ja auch dem liberalen | |
meritokratischen Leistungsprinzip. | |
Laut Oxfam [3][lebt das reichste eine Prozent der Weltbevölkerung wie | |
„ökologische Vandalen“], sie verursachen mit Abstand am meisten | |
Emissionen. Was macht das mit Ihnen, wenn Sie so etwas lesen? | |
Ich bekomme es ja mit: Beim reichsten einen Prozent oder bei den oberen 0,1 | |
fliegt man gern First Class, kauft Sportwagen, hat fünf oder sechs Häuser. | |
Das mit dem Fliegen sehe ich wirklich nicht ein. Wir haben keine | |
Kerosinsteuer und fördern stattdessen das Vielfliegen. | |
Wie könnte man es lösen, ohne dass arme Menschen gar nicht mehr fliegen | |
können? | |
Der internationale Flugverkehr ist stark reguliert, ich glaube, man könnte | |
ein System aufbauen, wo jeder Passagier eine Nummer bekommt, und wenn er | |
viel fliegt, steigt der Preis. Das Geld geht in einen Topf, mit dem | |
Klimaschutzmaßnahmen im globalen Süden finanziert werden. Wenn die EU, die | |
USA und China sich zusammentun, würde das gehen. Aber wir scheitern ja | |
schon an den einfachsten Sachen. | |
Eben – wie soll man die Menschen, die an einen so CO2-intensiven Lebensstil | |
gewöhnt sind, zum Umdenken bringen? | |
Man sollte die Kosten für den ökologischen Schaden im Preis integrieren. Ob | |
der Flug mit dem Privatjet 100.000 oder 150.000 Euro kostet, ist für eine | |
Kaufentscheidung nicht ausschlaggebend. | |
Mit der Initiative [4][„Tax me now“] setzen Sie sich für die | |
Wiedereinführung der Vermögenssteuer in Deutschland sowie eine | |
Vermögensabgabe und progressivere Kapitalertragssteuern ein. | |
Wenn man sich Statistiken der Kapitalbesteuerung in Europa anschaut, sieht | |
man die Probleme: Nur Dänemark verlangt ab einer bestimmten Schwelle mehr | |
als 40 Prozent auf Kapitalerträge. Wenn man sein Einkommen hingegen über | |
den Lohn bezieht, ist man schnell bei 50 Prozent Steuern plus dem | |
Arbeitnehmeranteil an den Lohnnebenkosten. Wenn man Millionen besitzt und | |
Kapitaleinkommen versteuern muss, zahlt man nur, wenn man Aktien verkauft, | |
und auf die laufenden Dividendenerträge. | |
Was erwarten Sie diesbezüglich von der neuen Bundesregierung? | |
Leider wenig. Aber ich würde mich freuen, wenn die Koalition bei der | |
Erbschaftssteuer nachjustiert und sich bemüht, die Staatseinnahmen zu | |
erhöhen. Der Staat hat im letzten Jahr 8 Milliarden Euro eingenommen. Es | |
wäre gut, 20 bis 60 Milliarden einzunehmen. Gerade durch die Coronapandemie | |
steht es um den Staatshaushalt nicht gut, die Renten müssten ohnehin mal | |
finanziert werden. | |
Was schlagen Sie neben Steuererhöhungen vor? | |
Ich engagiere mich mit verschiedenen Verbänden für ein Gesetz für | |
„nachrichtenlose Vermögenswerte“. Wenn man in Deutschland ein Bankkonto | |
besitzt und es vergisst, weil man zum Beispiel wegzieht und die Bank einen | |
nicht findet, nennt man das „nachrichtenlos“. Nach zehn Jahren dürfen | |
Banken das Konto schließen und das Geld nach 30 Jahren für sich als Gewinn | |
verbuchen. In Deutschland liegen nach Schätzungen 2 bis 9 Milliarden auf | |
solchen Konten. Wir wollen, dass bei der KfW ein Register angelegt wird, wo | |
diese Konten und andere nachrichtenlose Vermögenswerte verzeichnet sind. | |
Dann könnten Erben das Vermögen ihrer Oma besser auffinden. | |
Man kann sich als Erbe dort melden und klären, ob es Vermögenswerte von | |
verstorbenen Verwandten gibt. Man hat bis in alle Ewigkeit Anspruch darauf, | |
aber die Erfahrung aus dem Ausland zeigt, dass 90 Prozent der Betroffenen | |
diese Mittel nicht in Anspruch nehmen, sie fragen es einfach nicht ab. Aus | |
diesen Mitteln sollte man einen gemeinnützigen Fonds speisen. Dieser | |
reserviert 20 bis 40 Prozent der Mittel in Cash, um auf der sicheren Seite | |
zu sein, also um mögliche Ansprüche bedienen zu können. Aus den 60 bis 80 | |
Prozent, die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht beansprucht werden, | |
soll ein Fonds finanziert werden, welcher Sozialunternehmer*innen in | |
Deutschland unterstützt, die ökologischen und sozialen Herausforderungen | |
unserer Zeit zu lösen. Im Wahlprogramm von FDP und Grünen steht das auch | |
drin. | |
Die Schere zwischen Arm und Reich wächst in Deutschland seit Jahrzehnten. | |
Warum schaffen wir es nicht, uns in Richtung einer gerechteren | |
Vermögensverteilung zu bewegen? | |
Weil die Lobby der Familienunternehmen sehr stark ist und die Union es | |
blockiert hat. Die Familienunternehmen bilden das Rückgrat der deutschen | |
Wirtschaft, ihre Lobby ist nicht ohne Grund stark. Sie können sich | |
entsprechende Lobbyisten leisten und sind stark mit der Politik verdrahtet. | |
Gemeinsam können Politiker*innen und Unternehmer*innen sehr gut | |
Schreckensszenarien aufbauen, die nicht immer realistisch sind. | |
Was sagen Sie dazu, wenn Elon Musk und Jeff Bezos zum Spaß ins All fliegen? | |
Der Weltraum ist eine Art Menschheitstraum. Man sollte die Emissionen | |
natürlich durch einen adäquaten CO2-Preis kompensieren und am besten mit | |
dem Faktor fünf oder sechs multiplizieren. Persönlich finde ich andere | |
Arten von Tourismus problematischer, weil der Weltraumtourismus für extrem | |
wenig CO2 verantwortlich ist. Wenn man sich anschaut, was Superyachten | |
verbrauchen, ist das viel schlimmer, die fassen 200.000 Liter Diesel und | |
mehr. Wenn Roman Abramowitsch einen Tagesausflug mit seiner Superyacht | |
macht, verbraucht das wahrscheinlich ähnlich viel wie ein Weltraumflug, und | |
da regt sich keiner auf. | |
Sollte man Superyachten verbieten? | |
Das wird schwierig, aber man muss eben Abgaben für die Emissionen in | |
Rechnung stellen. Das kalkulieren Besitzer auch ein. Wenn man eine | |
500-Millionen-Yacht hat, rechnet man damit, dass man 50 Millionen im Jahr | |
für Personal und Instandhaltung ausgibt. 5 Millionen mehr für | |
CO2-Kompensationen jucken die überhaupt nicht. | |
Aber Kompensation allein ist auch keine Lösung. | |
Ich würde es auch begrüßen, wenn die Staatengemeinschaft sich einigen kann, | |
Superyachten zu verbieten, aber das ist extrem unwahrscheinlich. Bis dahin | |
sind Abgaben realistischer. | |
21 Nov 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://guerrillafoundation.org/ | |
[2] /Klimakonferenz-in-Dubai/!t5018328 | |
[3] /Ungleichheit-bei-Treibhausgasemissionen/!5814683 | |
[4] https://www.taxmenow.eu/ | |
## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
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