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# taz.de -- Soziale Ungerechtigkeit: Keine Angst um Omas Häuschen
> Vermögen in Deutschland ist ungleich verteilt. Eine faire Erbschaftsteuer
> könnte helfen, aber die Ampel wird sich des Problems wohl nicht annehmen.
Bild: Viele fürchten, dass der Staat das Familienhaus wegnehmen könnte – tu…
Berlin taz | Das Ampelbündnis aus SPD, Grünen und FDP legt in seinem
Sondierungspapier ein Bekenntnis ab, das sehr reiche Menschen freuen
dürfte. Man werde keine neuen Substanzsteuern einführen, heißt es dort.
Damit ist die Vermögensteuer gemeint. Auch andere Steuern, etwa die
Einkommensteuer, würden nicht erhöht. Beim Spitzensteuersatz bleibt also
alles, wie es ist.
Unbestritten, das sind Erfolge für die FDP. Noch im Wahlkampf hatten SPD
und Grüne dafür geworben, Wohlhabende etwas stärker zu belasten, um Normal-
und Niedrigverdiener bei der Einkommensteuer zu entlasten. Olaf Scholz
hatte versprochen, von dem SPD-Konzept würden 96 Prozent der
SteuerzahlerInnen profitieren. Außerdem wollten SPD und Grüne eine
Vermögensteuer einführen, um mehr Geld für Investitionen zu haben. Von
beidem ist jetzt keine Rede mehr.
Auch die Erbschaftsteuer, deren Reform Gerhard Schick von der
Bürgerbewegung Finanzwende fordert, wird in dem Papier nicht erwähnt. Sie
ist eine Substanzsteuer, allerdings keine neu eingeführte – Änderungen
wären also nach dem Wortlaut des Sondierungspapiers möglich. SPD-Chef
Norbert Walter-Borjans brachte eine solche Mitte Oktober ins Spiel. Doch
wies Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner den Vorstoß des
Sozialdemokraten umgehend zurück.
Das heißt: Die Ampel kümmert sich nicht groß um die Ungleichheit in
Deutschland. Die Vermögen- und Erbschaftsteuer wären zwei entscheidende
Hebel, um sie zu reduzieren. Vermögen, wie Unternehmen, Immobilien, Aktien,
ist in Deutschland sehr ungleich verteilt. Die reichsten 10 Prozent
verfügen hierzulande über 65 Prozent des Nettovermögens, [1][die untere
Hälfte der Bevölkerung besitzt fast nichts.]
## Ostdeutsche erben weniger als Westdeutsche
Beim Erben herrscht ein deutliches Gefälle. Einfach gesagt, entscheidet die
soziale Herkunft: Ostdeutsche erben weniger als Westdeutsche, weil
Familien in der DDR kein Vermögen aufbauen konnten. Kinder aus reichen
Familien erben viel, Kinder aus armen Familien nichts.
Die Summen, die in Deutschland vererbt werden, sind immens. Pro Jahr seien
es 250 bis 300 Milliarden Euro – „mit steigender Tendenz“, schrieb das
Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im Jahr 2018. Dem stünde
ein Aufkommen von nur 5 bis 6 Milliarden Euro pro Jahr aus der
Erbschaftsteuer gegenüber. Ein Grund für die niedrigen Erträge sind die
Privilegien für sehr reiche Firmenerben. Für sie gelten großzügige
Ausnahmeregelungen.
Wenn von einer Reform der Erbschaftsteuer die Rede ist, geht es in der
Regel um diese Privilegien. Viele Menschen fürchten, dass ihnen der Staat
„Omas Häuschen“ wegnehmen (oder hoch besteuern) könnte. Das ist aber nicht
der Fall. Die Freibeträge bei Kindern liegen bei 400.000 Euro pro
Elternteil – und sie können laut DIW alle zehn Jahre in Anspruch genommen
werden. Eine Mutter kann also in zehn Jahren 800.000 Euro steuerfrei an
ihre Tochter übertragen. Für Omas Häuschen fällt deshalb in vielen Fällen
keine Erbschaftsteuer an.
3 Nov 2021
## LINKS
[1] /Buergergeld-in-Koalitionsverhandlungen/!5806593
## AUTOREN
Ulrich Schulte
## TAGS
Soziale Gerechtigkeit
Erbschaftsteuer
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Schwerpunkt Armut
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