| # taz.de -- Energiepolitik der Bundesregierung: Hohes Tempo auch fürs Falsche | |
| > Das Arbeitstempo des Gesetzgebers ist momentan rasant. Jedoch wird neben | |
| > vielen wichtigen Vorhaben auch klimaschädlicher Unsinn umgesetzt. | |
| Bild: Diesel-Zapfhahn in Lübeck | |
| Es ist ein beachtliches Tempo, mit dem in Deutschland derzeit wichtige | |
| energiepolitische Entscheidungen fallen: Innerhalb weniger Wochen, teils | |
| sogar weniger Tage, werden Gesetze durch Kabinett, Bundestag und Bundesrat | |
| gepeitscht. | |
| Das ist einerseits nachvollziehbar, denn viele Probleme dulden keinen | |
| Aufschub – etwa die Vorbereitung auf einen Stopp der russischen | |
| Gaslieferungen oder die Entlastung wegen der abrupt gestiegenen | |
| Energiepreise. Und auch bei der [1][Energiewende] ist es erfreulich, dass | |
| sich das [2][Arbeitstempo des Wirtschaftsministeriums unter Robert Habeck] | |
| gegenüber seinem Vorgänger Peter Altmaier gefühlt verzehnfacht hat. | |
| Doch der große Zeitdruck macht es auch möglich, neben vielen hilfreichen | |
| Maßnahmen auch gefährlichen Unsinn zu beschließen, ohne dass es darüber im | |
| Vorfeld eine breite Debatte gibt. So sind zur Entlastung von den | |
| Energiekosten nicht nur sinnvolle Pauschalzahlungen an viele | |
| Bevölkerungsgruppen (mit Ausnahme der Rentner*innen) beschlossen worden – | |
| und mit dem 9-Euro-Ticket für den ÖPNV ein mutiges Experiment. Sondern auch | |
| der [3][extrem fragwürdige Benzinpreisrabatt], der das Viel-Fahren mit | |
| fossil angetriebenen Fahrzeugen belohnt, die angestrebte Verringerung des | |
| Ölverbrauchs konterkariert, den Markt aushebelt und die Extra-Profite der | |
| Mineralölkonzerne weiter steigern dürfte. | |
| Dass dieser Irrsinn im Bundestag sogar ohne Gegenstimmen beschlossen wurde, | |
| macht die Feigheit der Politik gegenüber der Autolobby leider extrem | |
| deutlich. Dazu passt auch, dass ein Tempolimit weiterhin nicht auf der | |
| Agenda steht, obwohl sich damit durchaus relevante Mengen an Rohölimporten | |
| einsparen ließen. | |
| Fragwürdig ist auch das sogenannte LNG-Beschleunigungsgesetz, mit dem der | |
| Bau von Flüssiggas-Terminals an Nord- und Ostsee extrem beschleunigt werden | |
| soll. Denn es gilt nicht nur für vier schwimmende, temporäre Terminals, die | |
| wohl tatsächlich gebraucht werden, um ohne massive Wirtschaftsprobleme | |
| kurzfristig auf russisches Gas zu verzichten. Sondern es erleichtert auch | |
| den Bau von bis zu acht festen Terminals, die kurzfristig nicht helfen, | |
| aber langfristig den Klimazielen entgegenstehen. | |
| Allerdings besteht in diesem Fall die Hoffnung, dass der Markt am Ende | |
| verhindert, dass die politischen Entscheidungen allzu schlimme Auswirkungen | |
| haben. Die Gaspreise dürften durch den Umstieg auf LNG weiter steigen, was | |
| den Verbrauch senken dürfte, so dass die neuen Terminals, sofern sie | |
| überhaupt gebaut werden, kaum ausgelastet sein dürften. Und auch der | |
| kurzfristige Benzinrabatt dürfte nichts daran ändern, dass jeder, der ein | |
| bisschen rechnen kann, so schnell wie möglich aufhört, ein | |
| Verbrenner-Fahrzeug zu fahren. | |
| 20 May 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Malte Kreutzfeldt | |
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