# taz.de -- Ende der Genitalverstümmelung: Ein Sieg für Sudans Frauen | |
> Neun von zehn Frauen und Mädchen sind in dem afrikanischen Land | |
> „beschnitten“. Nun verbietet ein neues Gesetz die Genitalverstümmelung. | |
Bild: Bei den monatelangen Protesten im Sudan spielten Frauen eine wichtige Rol… | |
NAIROBI taz | Sudan ist nahe daran, [1][die weibliche Genitalverstümmelung | |
(FGM)] strafbar zu machen. Der Ministerrat hat ein Gesetz angenommen, in | |
dem die sogenannte Beschneidung mit drei Jahren Gefängnis bestraft wird. | |
Der Souveräne Rat, die höchste Macht im Land, muss das noch bestätigen. | |
Aber sudanesische Frauen feiern jetzt schon einen großen Sieg – diskret. | |
„Dieses Gesetz wird Mädchen vor einer barbarischen Praxis schützen und gibt | |
ihnen die Chance, in Würde zu leben“, freut sich Salma Ismail, Sprecherin | |
des UN-Kinderhilfswerks Unicef in Sudans Hauptstadt Khartum. „Es hilft | |
Müttern, die ihre Töchter davor schützen wollen, aber keine Wahl hatten, | |
jetzt Nein sagen zu können.“ | |
Sudanesische Frauen bestätigen zwar anonym ihre Freude, aber sprechen | |
lieber nicht öffentlich darüber. Im Sudan spricht man traditionell nicht | |
über FGM. Die Hoffnung ist, dass das jetzt möglich wird. | |
Sudan hat eine der höchsten Raten von FGM in der Welt. Nach [2][UN-Angaben] | |
sind 87 Prozent aller Frauen zwischen 14 und 49 Jahren genital verstümmelt. | |
Am häufigsten ist die Infibulation, wobei die äußersten Genitalien ganz | |
oder teilweise entfernt werden und die Vaginalöffnung verengt wird. Das | |
sorgt oft für chronische Gesundheitsprobleme. Den Eingriff führen meist | |
ältere Frauen mit Rasierklingen oder Messern durch, oft ohne Betäubung. | |
## Frauen standen bei der Revolution ganz vorne | |
27 Länder Afrikas haben die Genitalverstümmelung von Frauen und Mädchen | |
bereits verboten. In vielen Ländern in Afrika, Asien und im Mittleren Osten | |
gilt der brutale Eingriff immer noch als ein notwendiger „Übergangsritus | |
zur Weiblichkeit“. Für beschnittene Mädchen kassieren die Familien oft | |
einen höheren Brautpreis bei der Ehe. | |
Viele glauben auch, dass FGM ein religiöses Gebot sei. Doch Sudans Minister | |
für Religionsangelegenheiten, Nasr al-Din Mufre, hat vor Kurzem erklärt, es | |
gebe dafür im Islam keine Rechtfertigung und es sei eine Praxis, „für die | |
es heute keinen Platz mehr gibt“. Er unterstützt die Kampagne, weibliche | |
Genitalverstümmelung weltweit bei 2030 vollständig zu eliminieren. | |
In sechs von Sudans achtzehn Bundesstaaten ist FGM bereits verboten oder | |
nur eingeschränkt erlaubt. Aber national gab es noch kein Gesetz – dafür | |
sorgte Präsident [3][Omar Hassan al-Bashir], der 2019 gestürzt wurde. Und | |
auch jetzt wehren sich noch viele seiner islamistischen Anhänger dagegen. | |
Bei den monatelangen Protesten gegen Bashir spielten Frauen eine wichtige | |
Rolle. Sie standen [4][heroisch auf den Barrikaden]. Seit eine | |
Übergangsregierung von Zivilisten und Militärs gebildet wurde, haben Frauen | |
[5][mehrere Siege errungen]. So wurden im November die [6][Gesetze | |
abgeschafft], die Frauen verboten, Hosen zu tragen oder sich ohne | |
Kopftücher zu zeigen. | |
Ein gesetzliches Verbot dürfte der Genitalverstümmelung nicht gleich ein | |
Ende setzen. Die somalische Aktivisten Faiza Mohamed warnt gegenüber | |
Reuters: „Es strafbar zu machen, schreckt ab, aber Gesetze müssen auch | |
umgesetzt werden. Wer von der ‚Beschneidung‘ überzeugt ist“, werde Verst… | |
wohl auch in Zukunft nicht melden. | |
5 May 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Weibliche-Genitalverstuemmelung/!5632582 | |
[2] https://www.unicef.org/sudan/documents/unicef-sudan-fact-sheet-female-genit… | |
[3] /Kriegsverbrechen-in-Sudan/!5663422/ | |
[4] /Frauen-in-der-sudanesischen-Revolution/!5584229/ | |
[5] /Ein-Jahr-nach-Beginn-der-Massenproteste/!5648565/ | |
[6] /Wandel-im-Sudan/!5646910/ | |
## AUTOREN | |
Ilona Eveleens | |
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