# taz.de -- Einwanderung von Arbeitskräften: Bei Fachkräften punkten | |
> Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz soll Arbeitskräfte locken, auch | |
> Geflüchtete können davon profitieren. Das Gesetz soll diese Woche | |
> verabschiedet werden. | |
Bild: Deutschland braucht Fachkräfte, die die Ampelkoalition nun verstärkt au… | |
BERLIN taz | Normalerweise ist die Tagesordnung des Bundestags kein großes | |
Thema. Doch nachdem sich SPD, Grüne und FDP wochenlang gefetzt hatten, ob | |
und wann das Gesetz zum Heizungstausch endlich ins Parlament kommt, setzen | |
sie ein weiteres Mammutprojekt nun demonstrativ und in aller Eintracht auf | |
die Agenda: das Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Die Botschaft: Wir können | |
auch große Themen zusammen stemmen, und zwar „geräuschlos und im Zeitplan�… | |
Noch in dieser Woche, so kündigten es die Parlamentarischen | |
Geschäftsführer:innen von SPD, Grünen und FDP am Montag an, wird der | |
Bundestag das Gesetz zur Fachkräfteeinwanderung in zweiter und dritter | |
Lesung beschließen. Mit dem Abbau von Hürden und dem Anreiz, die Familie | |
nachholen zu können, sollen [1][mindestens 75.000 Arbeitskräfte] aus | |
Ländern außerhalb der EU nach Deutschland gelockt werden. Und zwar Jahr für | |
Jahr. | |
Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, Katja Mast, sprach von | |
einem „Riesenmeilenstein“ für die Fachkräftegewinnung in Deutschland. | |
Johannes Vogel von der FDP betonte, man stärke mit dem Gesetz die reguläre | |
Einwanderung. Beim internationalen Wettstreit um Talente sei Deutschland | |
derzeit nicht gut genug. „Wenn das Einwanderungsgesetz mit Punktesystem | |
diese Woche durch den Bundestag geht, dann schreiben wir Geschichte“, | |
zeigte sich Vogel zuversichtlich. | |
Die Grüne Irene Mihalic zeigte sich ebenfalls „rundum zufrieden“. Es gehe | |
darum, „anzuerkennen, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, und die | |
Rahmenbedingungen zu schaffen“. Den Grünen war es wichtig, dass angeworbene | |
Arbeitskräfte leichter ihre Familien inklusive der Eltern nach Deutschland | |
holen können. | |
## Asylbewerber*innen dürfen Wechseln | |
Außerdem hatten sie sich dafür starkgemacht, dass Ausländer:innen, die | |
bereits da sind, aber unter anderen Voraussetzungen eingereist sind, sei es | |
mit einem Touristenvisum oder als Asylsuchende, nun leichter zum Arbeiten | |
bleiben können. Geflüchtete, deren Asylantrag abgelehnt wird, sollen also | |
bleiben können, wenn sie einen Job finden. Allerdings ist für diese | |
Regelung eine Begrenzung auf all diejenigen Asylbewerber:innen | |
vorgesehen, deren Antrag am 29. März dieses Jahres noch bearbeitet wurde. | |
„Menschen, die ohnehin schon in Deutschland leben, sind fortan nicht mehr | |
vom leergefegten Arbeitsmarkt ausgeschlossen“, sagte dazu die grüne | |
Innenpolitikerin Misbah Khan. „Damit beenden wir endlich die restriktive | |
Migrationspolitik in der Erwerbsmigration der letzten Jahrzehnte.“ | |
Neben diesen Neuerungen, die bislang noch nicht vorgesehen waren, bleibt | |
[2][der Kern des Gesetzesvorhabens]: Zahlreiche Hürden für qualifizierte | |
Einwanderer:innen sollen abgesenkt werden. Wer einen in Deutschland | |
anerkannten Berufsabschluss hat, soll künftig auch kommen dürfen, um in | |
einem Beruf zu arbeiten, der mit dem Abschluss nichts zu tun hat. | |
Auch wer einen Berufsabschluss hat, der in Deutschland nicht anerkannt ist, | |
soll künftig kommen dürfen, sofern er oder sie zwei Jahre Berufserfahrung | |
nachweisen kann. Zudem soll es möglich sein, einen Abschluss erst nach der | |
Einreise in Deutschland anerkennen zu lassen. Dafür ist eine sogenannte | |
Anerkennungspartnerschaft vorgesehen, in der sich Arbeitgeber und | |
eingewanderte:r Arbeitnehmer:in zur Nachqualifizierung | |
verpflichten. | |
## Punkte auf der Chancenkarte | |
Außerdem sollen die geltenden Gehaltsschwellen abgesenkt werden, über denen | |
der Lohn der Stellen liegen muss, für die ausländische Fachkräfte nach | |
Deutschland kommen. Neue Grenze soll ein Wert von mindestens 45 Prozent der | |
jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung | |
sein, also etwa 3.200 Euro brutto im Monat. | |
Auch Personen, die bisher keine konkrete Jobzusage haben, sollen künftig | |
nach Deutschland kommen dürfen. Dafür sieht der Gesetzentwurf mit der | |
sogenannten Chancenkarte ein Punktesystem vor. Punkte gibt es für | |
Qualifikation, Deutsch- und Englischkenntnisse, Alter, Verbindungen zu | |
Deutschland sowie für Qualifikationen des oder der Partner:in. Dabei | |
orientiert sich Deutschland an Ländern wie Kanada, die über ein solches | |
System etwa die Hälfte ihrer Einwanderung organsisieren. Auch der | |
Familiennachzug soll erleichtert werden. | |
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) der das Gesetz zusammen | |
federführend mit Innenministerin Nancy Faeser (SPD) erarbeitet hatte und | |
Ende April in den Bundestag in erster Lesung eingebracht hatte, sprach am | |
Montag von einem „Signal“, das Deutschland in die Welt sende. Auch er lobte | |
noch einmal die „konstruktiven Verhandlungen“ und sprach vom Beweis, dass | |
die Ampel mehr könne als nur Krisenmanagement. Damit das Gesetz seinen | |
Zweck erfülle, brauche es nun aber eine „massive Anwerbekampagne der | |
Wirtschaft“. | |
Von dort kamen am Montag positive Reaktionen auf die Einigung. Der | |
DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks begrüßte die Einigung. Er sagte | |
auch: „Wir müssen die vielfältigen Angebote zur Integration stärker | |
vernetzen, um Fachkräfte aus aller Welt für uns zu gewinnen.“ | |
## Kritik von Union und Linkspartei | |
Deutliche Kritik kam dagegen von der Opposition. Der CDU-Abgeordnete Detlef | |
Seif, sagte: „Hier wird nur den Menschen Sand in die Augen gestreut, weil | |
die eigentlichen Probleme nicht gelöst werden“. Der | |
Vize-Fraktionsvorsitzende der Unionsfraktion, Hermann Gröhe, erklärte: | |
„Statt die Antragsverfahren zu beschleunigen, erhöht die Ampel die Zahl der | |
Antragsberechtigten und verschärft so die bestehenden Probleme.“ | |
Die Linken-Abgeordnete Gökay Akbulut sagte, der Gesetzentwurf orientiere | |
sich „primär an den Interessen der Wirtschaft“ und müsse „dringend | |
nachgebessert werden, damit das Recht auf Familienzusammenleben gestärkt | |
und Nachzugsbestimmungen erleichtert werden.“ | |
Der Bundesrat muss dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz nicht zustimmen. Damit | |
das Gesetz umgesetzt werden und mit Leben gefüllt werden kann, ist der Bund | |
aber auf die Länder angewiesen. Sie sind zum Beispiel für die Anerkennung | |
von Berufsabschlüssen verantwortlich, doch nur die Hälfte der Länder | |
erfasst die Daten der bei ihnen lebenden Ausländer:innen zentral. | |
## Deutsche Botschaften sind personell nicht vorbereitet | |
Doch auch der Bund muss noch ein paar Hausaufgaben erledigen. | |
Einwanderungswillige scheitern derzeit oft daran, die nötigen Visa und | |
Unterlagen zu bekommen, die deutschen Botschaften sind personell darauf | |
nicht vorbereitet. In Koalitionskreisen heißt es, das Auswärtige Amt müsse | |
sich nun darum bemühen, Personal in den Botschaften aufzustocken. | |
Per Verordnung will die Bundesregierung außerdem die Westbalkan-Regelung | |
verlängern, über die Arbeitskräfte aus Albanien, Bosnien-Herzegowina, | |
Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien nach Deutschland kommen | |
dürfen. Die Grenze der Personen, die aus diesen Ländern jährlich einwandern | |
dürfen, wird auf 50.000 Arbeitskräfte verdoppelt. | |
Neben der Anwerbung von ausländischen Fachkräften will die Ampel auch das | |
inländische Arbeitskräftepotenzial besser heben. Parallel zur | |
Fachkräfteinwanderung will sie eine Ausbildungsgarantie für alle | |
Jugendlichen einführen und Betrieben mit einem Qualifizierungsgeld die | |
Weiterbildung ihrer Beschäftigten im Zuge der Transformation schmackhaft | |
machen. So will die Ampel verhindern, dass die beiden Themen gegeneinander | |
ausgespielt werden. | |
Aktualisiert am 20.06.2023 um 09:05 Uhr. d. R. | |
19 Jun 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Professor-ueber-Fachkraeftezuwanderung/!5924704 | |
[2] /Reform-der-Fachkraefte-Einwanderung/!5924273 | |
## AUTOREN | |
Frederik Eikmanns | |
Anna Lehmann | |
## TAGS | |
Fachkräftezuwanderungsgesetz | |
Fachkräftemangel | |
Ampel-Koalition | |
Hubertus Heil | |
Migration | |
Arbeitsmigration | |
Fachkräftezuwanderungsgesetz | |
Fachkräftemangel | |
Einwanderungsgesetz | |
Fachkräftezuwanderungsgesetz | |
Fachkräftemangel | |
Fachkräftezuwanderungsgesetz | |
Fachkräftemangel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Studie zu Einwanderung nach Deutschland: Hürden für Fachkräfte fallen | |
Der Bundesrat hat das Fachkräfteeinwanderungsgesetz gebilligt. Eine | |
aktuelle Studie zeigt, wie nötig das ist. | |
Pflegenotstand: Welcome to Deutschland | |
Immer mehr Pflegekräfte aus Drittstaaten arbeiten in deutschen | |
Krankenhäusern und Altenheimen. Wie erleben sie ihren Arbeitsalltag? Fünf | |
Protokolle. | |
Reform des Einwanderungsrechts: Neues Gesetz soll Fachkräfte locken | |
Nach heftiger Debatte mit der Union verabschieden die Ampelfraktionen das | |
Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Neu ist unter anderem die „Chancenkarte“. | |
Debatte um Fachkräfteeinwanderungsgesetz: Weg frei für Fachkräfte | |
Die Ampelfraktionen wollen am Freitag das Fachkräfteeinwanderungsgesetz | |
verabschieden. Neue Daten wecken Zweifel an der Fairness der | |
Westbalkanregelung. | |
Professor über Fachkräftezuwanderung: „Verwaltungsabläufe sind nicht klar�… | |
Ausländische Arbeitskräfte sollen leichter nach Deutschland kommen dürfen. | |
Ein Problem bleibe der bürokratische Flaschenhals, sagt Hans Vorländer. | |
Einwanderung von Fachkräften: Der Koch braucht keinen Bachelor | |
Fachkräfte sollen nach einem Gesetzesvorhaben bald einfacher einwandern | |
können. Wie hoch die Hürden sind, zeigt der Fall eines Kochs aus Sri Lanka. | |
Reform der Fachkräfte-Einwanderung: Ein Berufsabschluss muss sein | |
Die Bundesregierung legt einen Gesetzentwurf zur Fachkräfte-Einwanderung | |
vor. Sie hofft auf 75.000 zusätzliche Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Staaten. |