# taz.de -- Einsam in der Coronakrise: Zu Besuch bei Christian | |
> Distanz ist aktuell die angesagte Form der Solidarität. Aber was ist mit | |
> Menschen, die diese Distanz nicht ertragen können? | |
Bild: In der taz Kantine: Christian Sprecht, Lebenshilfe Vorstand | |
Ja klar, wir spüren alle die Corona-Krise – aber manche von uns doch | |
stärker als andere. Jene, die allein leben zum Beispiel. Gerade denke ich: | |
Was machen die [1][vielen Alleinstehenden] jetzt, ohne arbeiten gehen, ohne | |
Freunde treffen, ausgehen? Da trudelt eine Mail durchs taz-interne | |
„Tagesthema“: „Christian fühlt sich einsam und braucht Besuch!“ Stimmt… | |
geht es Christian Sprecht, der sonst jeden Tag in die taz kommt, dort | |
seinen Schreibtisch hat, von dem aus er [2][als Betroffener | |
Behindertenpolitik] für Berlin betreibt? | |
Auf dem Weg zu seiner Wohnung durch die Neuköllner Pflügerstraße sehe ich | |
auf einmal lauter einsame Menschen. Allein-Mittagesser oder -frühstücker | |
vor dem Bäcker und daneben im Café, Allein-Spaziergänger, Allein-Einkäufer. | |
Nur die Mütter sind nicht allein, bummeln wie immer mit dem Nachwuchs durch | |
den Tag. Für alle anderen bringen diese Tage – schon ohne Ausgangssperre – | |
eine neue Erfahrung: Corona macht einsam(er). Wir sind uns alle gegenseitig | |
zur Gefahr geworden. | |
Wie hat Angela Merkel gesagt, sinngemäß? Was wir jetzt eigentlich gern | |
täten, uns umarmen, ist das Falsche. Distanz ist die angesagte Form der | |
Solidarität. | |
Für Menschen wie Christian, die ohne Geselligkeit eingehen wie eine Primel, | |
ist das fatal. Dass er nichts tun kann und zu Hause bleiben soll, macht ihn | |
depressiv. Nicht mal den täglichen Besuch bei seiner Nachbarin, einer | |
älteren Dame, kann er noch machen. Sie sei Diabetikerin und meide jetzt | |
Kontakt, erzählt er. | |
Zwar findet er auch, dass Merkel recht hat, dass es auf jeden ankommt. Aber | |
eines hat er an ihrer Rede nicht verstanden: „Sie hat ja gesagt, wir sollen | |
den Schwächeren helfen, solidarisch sein. Wie soll das gehen, wenn man sich | |
nicht besuchen darf?“ | |
Über die Frage, was Solidarität heißt in diesen Zeiten, gerät er ins | |
Philosophieren. „Vielleicht sagt uns diese Krise, dass wir grundsätzlich | |
etwas ändern müssen am System?“ Da könne doch was nicht stimmen, findet | |
Christian, wenn wegen eines Virus alles zusammenbricht, das Soziale, die | |
Wirtschaft. Wenn auf einmal viele Leute ihre Jobs verlieren und die Miete | |
nicht zahlen können. „Da muss der Staat ran, den Reichen was abnehmen, die | |
müssen endlich was geben.“ | |
Immerhin: Das Politisieren hat Christian für eine Weile aus seiner | |
Traurigkeit geholt. Eigentlich ein guter Tipp für die kommende Zeit: mit | |
mehr Schwadronieren den eigenen Ängsten, dem Ärger und der Traurigkeit Luft | |
machen. Leider braucht man auch dafür jemanden. | |
20 Mar 2020 | |
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## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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