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# taz.de -- Berlin im Zeichen von Corona: „Es wird noch sehr ernst werden“
> Die jungen Leute seien zu unbekümmert, sagt der Berliner Internist Kai
> Schorn. In seiner Praxis melden sich jetzt vermehrt Patienten Anfang 20.
Bild: Shut-Down in Berlin-Friedrichshain
taz: Herr Schorn, Charlottenburg-Wilmersdorf hat die höchste positive
Testrate von Sars-CoV-2 in Berlin. Wie erklären Sie sich das?
Kai Schorn: Wir haben es hier verstärkt mit gut situierten, selbstbewussten
Patienten zu tun, die in der Lage sind, medizinische Maßnahmen
einzufordern. Und wir haben wahrscheinlich bessere Kapazitäten zu testen,
als andere Stadtteile, wo die Patienten von Hausärzten vielfach an die
Testcenter verwiesen werden. Deswegen scheint es so, als hätten wir die
höchste Infektionsrate, dabei wird das in den anderen Bezirken genauso
sein.
Bessere Möglichkeiten zu testen – was heißt das?
Wir als Gemeinschaftspraxis lassen unsere Patienten den Abstrich zu Hause
selbst durchführen. Den geben sie dann bei uns ab. Wir machen das nur mit
telefonischer Rücksprache und nur bei Patienten, die wir kennen. Keiner
darf einfach so in die Praxis kommen.
Es wird wirklich schlimm kommen, hat der Chefvirologe der Charité,
Christian Drosten, vor zwei Tagen prophezeit. Wie sehen Sie das?
Ich glaube auch, dass es noch sehr ernst werden wird. Die Maßnahmen, die
Berlin ergriffen hat, reichen nicht aus. Die Großstädte kommen um eine
Ausgangssperre nicht herum. Die Leute nehmen die Maßnahmen zum
Infektionsschutz sonst nicht ernst.
Woran machen Sie das fest?
In unserer Praxis melden sich jetzt auffällig viele junge Leute. Das war
letzte Woche noch ganz anders. Heute früh hatte ich schon mehrere
telefonische Beratungen mit Patienten Anfang 20, die jetzt krank sind.
Was sind das für Beschwerden?
Die typischen Symptome: Halsschmerzen, Abgeschlagenheit, teilweise Fieber.
Die jungen Leute sind noch zu unbekümmert. Deshalb explodieren die
Infektionsfälle gerade so. Mein Appell wäre insbesondere noch mal an die
Jugend: Haltet euch verdammt noch mal an die Empfehlungen. Bleibt zu Hause!
Nach der letzten Statistik in Italien sind dort auch meistens jüngere Leute
infiziert. Sie sind in der Regel nicht die, die auf den lntensivstationen
liegen, aber sie sind die Verbreiter.
Sie gehören einem Charlottenburger Netzwerk von 25 Hausärzten an. Wie
kommen Sie alle mit der Anforderung klar?
Jede Praxis regelt das allein für sich. Es gibt keine klare Anleitung von
der Kassenärzlichen Vereinigung oder der Gesundheitsverwaltung, wie man als
Hausarzt verfahren soll. Unsere Praxis hat jetzt entschieden, dass wir alle
Routinepatienten abbestellen. Wir machen fast nur noch Telefonsprechstunde.
Ab Montag versuchen wir auch, Videosprechstunde zu machen. Allen, die
Erkältungssymptome haben, es ansonsten aber gut geht, raten wir: Bleibt zu
Hause und ruft uns an, wenn ihr Sorgen habt.
Woran hapert es?
Obwohl alle Hausärzte Internet haben, müssen wir unsere Meldungen über
Infektionsfälle immer noch per Fax an das Gesundheitsamt schicken. Die
Infizierten sind ja meldepflichtig. Das heißt, man muss das Formular
händisch ausfüllen, ausdrucken und faxen. Warum gibt es nicht schon längst
eine zentrale App, wo man die Leute online melden kann? Auch eine App, wo
sich freiwillige Helfer, pensionierte Ärzte etwa, melden könnten, wäre
sinnvoll. Die Charité hat inzwischen eine super App. Da kann man Fragen
stellen und es gibt eine klare Handlungsanweisung.
Wo sehen Sie Berlin in einer Woche?
Wir beurteilen die Lage jeden Tag neu.
19 Mar 2020
## AUTOREN
Plutonia Plarre
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Charité
Wilmersdorf
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