# taz.de -- Eigenbedarfskündigungen in Berlin: Mieterbund kritisiert den Senat | |
> Auf Berlin rollt eine Welle von Eigenbedarfskündigungen zu. Doch der | |
> Senat bleibt trotz eines Parteitagsbeschlusses der SPD weitgehend | |
> untätig. | |
Bild: Das mit dem Eigenbedarf lässt sich natürlich auch umdrehen: Demo gegen … | |
BERLIN taz | Schon vor mehr als einem Jahr hatte Klaus Mindrup gewarnt: „Da | |
rollt eine Welle an Eigenbedarfskündigungen auf uns zu“, hatte der | |
ehemalige Bundestagsabgeordnete der SPD im September 2021 bei einer | |
Hausversammlung im Hof der [1][Husemannstraße 12 in Prenzlauer Berg] | |
gesagt. Nun ist die Welle da. Und die Politik tut – nichts. | |
Mindrup hat es zumindest versucht. Beim SPD-Landesparteitag hat er im | |
vergangenen Jahr einen Antrag eingebracht. Der Senat, so hieß es da, solle | |
sich beim Bund dafür einsetzen, dass die derzeitige Kündigungssperre von | |
derzeit zehn Jahren auf zwanzig Jahre verlängert wird. Außerdem soll durch | |
ein Register Transparenz geschaffen werden, wer wann Eigenbedarf angemeldet | |
hat und ob die betreffende Person tatsächlich in die gekündigte Wohnung | |
gezogen ist. | |
„In Berlin wurden bis Mai 2021 100.000 Wohnungen umgewandelt“, sagt Mindrup | |
der taz. Seitdem ist der Umwandlungspraxis, auch auf seine Initiative hin, | |
ein Riegel vorgeschoben. Für die bereits umgewandelten Wohnungen gilt: Zehn | |
Jahre lang dürfen die Hausbesitzer die dort lebenden Mieterinnen und Mieter | |
nicht kündigen. Nach Ablauf der Sperre gilt die übliche Kündigungsfrist von | |
drei bis neun Monaten. | |
Für die meisten Mieterinnen und Mieter der Husemannstraße 12, die Mindrup | |
damals um Unterstützung gebeten hatten, kam der Umwandlungsstopp zu spät. | |
Ihre Wohnungen wurden bereits vor dem Mai 2021 umgewandelt. Eine | |
Verlängerung der Kündigungssperre von zehn auf zwanzig Jahren würde ihnen | |
zumindest Aufschub geben. | |
## „Nicht weiter verfolgt“ | |
Doch danach sieht es derzeit nicht aus. Trotz des Parteitagsbeschlusses hat | |
der Senat bis heute keine Bundesratsinitiative eingeleitet. „Berlin, | |
Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern haben sich bei der | |
Justizministerkonferenz für einen stärkeren Schutz vor | |
Eigenbedarfskündigungen eingesetzt“, ließ eine Sprecherin von Bausenator | |
Andreas Geisel (SPD) der taz mitteilen. Dies sei allerdings erfolglos | |
gewesen. „Angesichts fehlender Mehrheiten wurde die Option einer | |
Bundesratsinitiative nicht weiter verfolgt.“ | |
Das will Mindrup – der hofft, über die Wiederholungswahl auf Bundesebene | |
doch wieder in den Bundestag einzuziehen – so nicht hinnehmen. „Schwere | |
Missstände muss Berlin im Bundesrat öffentlich machen und nicht nur im | |
Hinterzimmer ansprechen“, kritisiert der SPD-Politiker den Berliner Senat. | |
„Angesichts des kollabierenden Neubaus wird sich der Wohnungsmangel weiter | |
verschärfen und damit auch der Anreiz für Spekulanten durch manipulierte | |
Eigenbedarfskündigungen Übergewinne einzufahren“, befürchtet er. „Bei ü… | |
100.000 potenziell Betroffenen allein in Berlin gibt es ganz offensichtlich | |
Handlungsbedarf, denn der Staat muss seine Bevölkerung vor Willkür | |
schützen.“ | |
Das sieht auch Lukas Siebenkotten so. Der Präsident des [2][Deutschen | |
Mieterbunds] war bei der Hausversammlung in der Husemannstraße dabei. Auch | |
er kritisiert nun den Berliner Senat „Man kann doch nicht schon nach dem | |
ersten Vortasten die Flinte ins Korn werfen.“ Siebenkotten fordert | |
Bausenator Andreas Geisel auf, nicht vorschnell aufzugeben. „Da muss man | |
dranbleiben und die Bundesländer, die sich der Forderung nicht anschließen, | |
fragen, auf welchen Kompromiss man sich einigen kann.“ | |
Denn auch Siebenkotten weiß, dass sich das Problem verschärfen wird. „Der | |
Anteil derer, die zu uns wegen Eigenbedarfskündigungen in die Beratung | |
kommen, steigt.“ Das liege auch daran, dass nach der Beschränkung von | |
Luxusmodernisierungen der Eigenbedarf als Geschäftsmodell für viele | |
Eigentümer attraktiver werde. | |
Dass gerade Berlin mit seinen vielen umgewandelten Wohnungen ein Hotspot | |
ist, hat auch Ulrike Hamann beobachtet. „Die Zahl derer, die wegen einer | |
Eigenbedarfskündigung zu uns kommen, hat enorm zugenommen“, sagt die | |
Geschäftsführerin des [3][Berliner Mietervereins]. „Im vergangenen Jahr ist | |
die Hälfte aller Kündigungen wegen Eigenbedarf gewesen“, sagt sie der taz. | |
Auch sie unterstützt deshalb eine Bundesratsinitiative. | |
## Vorgeschobene Kündigungen | |
Für Lukas Siebenkotten liegt ein weiteres Problem darin, dass bislang nicht | |
geklärt sei, für wen überhaupt Eigenbedarf angemeldet werden darf. Er | |
fordert, dass das nur noch für Ehepartner oder Verwandte ersten Grades | |
gelten soll. „Eine Kündigung für das Aupair-Mädchen muss nicht sein“, sa… | |
der Mieterbund-Präsident und nennt das [4][Beispiel eines Chefarztes], der | |
auf Eigenbedarf gekündigt hat, „weil er sich in der Wohnung einige Male im | |
Jahr mit seiner Tochter treffen will“. | |
Darüber hinaus müssten vorgeschobene Kündigungen endlich bestraft werden. | |
„Gefakter Eigenbedarf muss den Leuten richtig wehtun“, fordert | |
Siebenkotten. „Da muss es entsprechende Bußgelder geben. Denn die Mieter | |
kommen nicht mehr rein, wenn sich herausstellt, dass es vorgeschoben war.“ | |
Für die kommenden Jahre rechnet Siebenkotten damit, dass jeder Dritte, der | |
in einer umgewandelten Wohnung lebt, früher oder später eine | |
Eigenbedarfskündigung bekommt. Klaus Mindrup rechnet sogar mit einer | |
Eigenbedarfsrate von 50 Prozent. „Hier droht vor allem in Berlin eine | |
soziale Katastrophe“, sagt Mindrup. | |
6 Feb 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.200haeuser.de/haeuser/husemannstr-12-prenzlauer-berg/ | |
[2] https://www.mieterbund.de/startseite.html | |
[3] https://www.berliner-mieterverein.de/ | |
[4] /Eigenbedarf-gilt-auch-bei-Zweitwohnung/!353920/ | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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