| # taz.de -- 81-Jährige über Zwangsräumung: „Muss noch mein Leben aufräume… | |
| > Monika Bauer droht nach 38 Jahren in ihrer Wohnung die Zwangsräumung und | |
| > Obdachlosigkeit. Ein privater Käufer ihrer Wohnung hat Eigenbedarf | |
| > angemeldet. | |
| Bild: Zwangsräumungen verhindern! | |
| taz: Frau Bauer, Sie sind mit einer Eigenbedarfskündigung konfrontiert und | |
| sollen Ihre Wohnung Ende Februar übergeben. Was erwartet Sie dann? | |
| Monika Bauer: Das ist für mich unvorstellbar. Mir droht die Zwangsräumung | |
| und ich habe Angst davor, obdachlos zu sein. Ich sehe dem Termin, an dem | |
| ich die Wohnung geräumt haben soll, mit Schrecken und Grauen entgegen. Es | |
| ist ein Albtraum: Wenn ich aufwache, denke ich immer: Ob jetzt ein | |
| Räumkommando kommt? In dem Alter muss man sein Leben ja noch irgendwie | |
| aufräumen und damit hätte ich auch noch zu tun. Bisher bin ich nicht auf | |
| Betreuung angewiesen. Ich hatte gedacht, in den nächsten drei Jahren in | |
| Ruhe zu schauen, wie es weitergehen kann; für mich, ohne diesen Druck. | |
| Jetzt fühle ich mich hilflos und weiß auch nicht, wie ich einen Umzug | |
| bewältigen könnte. | |
| Wie wohnen Sie derzeit? | |
| Seit 1984, also seit 38 Jahren, wohne ich in der Fechnerstraße in | |
| Wilmersdorf. Es ist eine 3-Zimmer-Wohnung mit 85 Quadratmetern für 780 Euro | |
| Warmmiete. Ich hatte damals bereits in der Nachbarschaft gewohnt, als ich | |
| die Zusage für die Wohnung erhielt, und bin dann mit meinen zwei Söhnen | |
| hier eingezogen. Inzwischen bin ich 81 Jahre alt. Meine Söhne wohnen | |
| inzwischen nicht mehr in Berlin, aber ich kenne hier so viele Menschen, | |
| mein Literaturkreis und alles, was ich brauche, ist in der Nähe. Hier | |
| möchte ich als Mieterin wohnen bleiben, solange es noch geht. | |
| Haben Sie Aussicht auf eine andere Wohnung? | |
| Ich habe nur Festnetz und kein Internet, deshalb hat mir ein Nachbar | |
| Adressen von Hausverwaltungen im Kiez besorgt. Ich habe aber bereits sechs | |
| oder sieben Absagen erhalten. Meine Rente ist auch nicht so hoch, weil ich | |
| Teilzeit gearbeitet habe. Die Absagen haben wir auch der Gegenseite | |
| geschickt, um zu zeigen, dass ich mich bewerbe. Deren Antwort ist aber, | |
| dass es in der ganzen Stadt viele freie Wohnungen gebe. | |
| Marzahn kommt nicht infrage? | |
| Ne, überhaupt nicht. Ich fühle mich hilflos, wenn ich nur daran denke. Das | |
| ist alles eine Stresssituation in meinem Alter, das hat auch ein ärztliches | |
| Gutachten bestätigt. Ich bin jetzt nicht mehr so für Veränderungen. | |
| Dem Eigentümer ist Ihre Situation also bekannt? | |
| Ja, klar, aber das ist ihm scheißegal. Der ist Anfang 40, war im | |
| Immobilienbereich und ist jetzt in der Baufinanzierung tätig. Der ist mit | |
| dem Metier also vertraut. Unser Haus wurde irgendwann in Eigentumswohnungen | |
| umgewandelt. Ende 2017 hat er sich die Wohnung angeguckt. Ich dachte, der | |
| latscht da durch und gut ist. Er tat auch ganz freundlich und hat mir | |
| gesagt, dass er an der Wohnung keinen Bedarf hat. Doch gleich im Januar | |
| 2018 hatte ich die Kündigung wegen Eigenbedarfs im Briefkasten. Im | |
| Nachhinein denke ich, er hat günstig kaufen können, so als vermietete | |
| Wohnung, und dann gedacht, jetzt raus mit der Alten. | |
| Wie haben Sie reagiert? | |
| Ich habe mich nach dem ersten Schreck bei der Mietergemeinschaft erkundigt | |
| und erst mal meinen Widerspruch formuliert. Doch er blieb dabei; zum 31. | |
| November 2018 sollte ich die Wohnung herausgeben. Ich habe mich dann an | |
| einen Rechtsanwalt gewandt. Vor dem Amtsgericht Charlottenburg gab es | |
| einige Termine, bis ich im Januar letzten Jahres Recht bekommen habe. Der | |
| Eigentümer hatte argumentiert, dass ihm seine jetzige Wohnung zu klein ist, | |
| aber da gab es viele Unstimmigkeiten. Das ist ja in Wilmersdorf ’ne ganz | |
| gute Gegend, vielleicht will er die Wohnung auch fürs Doppelte vermieten | |
| oder weiterverkaufen. In der Berufung vor dem Landgericht bekam er in | |
| diesem Mai aber dennoch recht. Dabei haben im Haus alle gedacht, aufgrund | |
| meines Alters und meiner Verwurzelung hier kriegt er mich sowieso nicht | |
| raus. | |
| Haben Sie persönlichen Kontakt zu dem Eigentümer? | |
| Nein, seitdem er in meiner Wohnung war, nicht mehr. Man hat sich nur noch | |
| vor Gericht gesehen. | |
| Sie haben sich an die Initiative [1][Zwangsräumung Verhindern] gewandt. Wie | |
| kam es dazu? | |
| Ich war im Haus der Nachbarschafft – mit Doppel-f – in Wilmersdorf ganz in | |
| der Nähe meines Spazierwegs zu einem Treffen von Leuten aus dem Kiez. Da | |
| habe ich meine Situation geschildert. Die haben mir dann das Bündnis | |
| genannt, das kannte ich vorher nicht. | |
| Und dann sind Sie zu denen nach Kreuzberg gegangen? | |
| Ich hatte erst ein Vorgespräch und seitdem komme ich immer zum Plenum. Zum | |
| Teil war ich auch an den Aktionen für den Micha beteiligt, der auch wegen | |
| Eigenbedarfs seine Wohnung verloren hat. Da gab es Kundgebungen am Ku’damm | |
| vor dem Budapester Schuhladen bei den Eigentümern der Wohnung. Einmal sind | |
| wir danach zu meinem Eigentümer und haben ihm einen Brief von Zwangsräumung | |
| Verhindern hinterlassen. Daraufhin vereinbarte er einen Gesprächstermin | |
| beim Plenum. Aber er erschien nicht. Stattdessen teilte seine Anwältin dann | |
| mit, dass er sich bedroht fühlt und in einer prekären Wohnsituation ist. | |
| Dabei wäre das doch gut gewesen, so eine Begegnung. | |
| Sie suchen jetzt den Weg in die Öffentlichkeit. Welche Hoffnung verbinden | |
| Sie damit? | |
| Es wäre schön, wenn der Eigentümer noch einlenken würde, aber das glaube | |
| ich nicht. Er hat sich ja verrechnet irgendwie, denn all die Jahre hätte er | |
| schon längst im Besitz der Wohnung sein wollen. Aber eigentlich erhoffe ich | |
| mir Hilfe dabei, noch eine Wohnung hier im Kiez zu finden. | |
| 22 Dec 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Erik Peter | |
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