| # taz.de -- Eigenbedarfsklage in Berlin: Hütten für euch, Palast für mich | |
| > Die Autorin eines Ratgebers für bescheidenes Leben kündigt einem alten | |
| > Mann seine Wohnung. Der stirbt im laufenden Rechtsstreit. Eine Polemik. | |
| Bild: Schön wohnt es sich in der kleinsten Hütte | |
| Berlin taz | Es hört sich an wie eine Geschichte aus dem finstersten | |
| Kapitalismus. Eine Geschichte, in der sich die Reflexe rühren, sich richtig | |
| aufzuregen. Und sie geht so: | |
| Eine erfolgreiche Autorin und Kreativdirektorin bei einer großen deutschen | |
| Werbeagentur kauft sich eine Eigentumswohnung in der Torstraße in Mitte. | |
| Die ist zum Zeitpunkt des Kaufs 2013 bereits seit 23 Jahren Heimat von | |
| Jürgen Rostock. Der 1936 geborene Stadtplaner, Publizist und Gründer des | |
| Dokumentationszentrums Prora will in der mit Büchern vollgestopften | |
| Dreizimmerwohnung seinen Lebensabend verbringen. | |
| Die Käuferin allerdings, Autorin eines Buches über anspruchsloses Leben, | |
| das Tipps zum Verzicht gibt, will sich vergrößern. Ihre etwas kleinere | |
| Dreizimmereigentumswohnung in der Nähe reicht ihr für die geplante | |
| Familiengründung nicht. Also kündigt sie Rostock 2015 wegen Eigenbedarf. | |
| Für den alten Herrn beginnt damit eine kräftezehrende Auseinandersetzung, | |
| die Ende 2017 zu einem erstinstanzlichen Urteil, das gegen ihn entscheidet, | |
| führt. | |
| Drei Monate später, im März, stirbt Rostock im Alter von 82 Jahren. Am | |
| Dienstag geht der Prozess ohne ihn weiter. Für seine Tochter ist das der | |
| Anlass, an die Öffentlichkeit zu gehen. Sie schreibt: „Der Prozess hat ihm | |
| die letzten Lebensjahre außerordentlich erschwert, in denen er sich sehr | |
| gerne mit anderen Dingen beschäftigt hätte.“ In der „übermäßigen Bedeu… | |
| des Wohneigentums sieht sie die Gefahr der Entstehung eines | |
| „Unsozialstaats“. | |
| ## Böse Verdrängung | |
| Durchatmen vor dem Wutanfall; Nachfrage bei der Wohnungsbesitzerin. Na | |
| klar, sie verurteilt es, wenn Immobilienhaie Wohnraumverdrängung | |
| vorantreiben. Auf ihren Fall jedoch treffe das nicht zu. Jürgen Rostock | |
| habe viel Zeit und Unterstützung für den Umzug bekommen. Moralische | |
| Bedenken hat sie nicht. Schließlich sei es nicht gerecht, wenn ein | |
| Einzelner mehr Wohnraum zur Verfügung habe als eine Familie. | |
| Nun also doch: Wut! Ein System, in dem Wohnungen samt Bewohnern verkauft | |
| werden und Menschen, nur weil andere es wollen, ihr Zuhause verlieren, ist | |
| für den Arsch. Es ist Quatsch, wenn die Eigentümerin argumentiert, man | |
| müsse bei Eigenbedarfskündigungen den Einzelfall betrachten. Das System | |
| funktioniert, weil sich jeder selbst der Nächste ist. | |
| Und es ist scheinheilig, weil die Eigentümerin 2017 in einem Interview über | |
| ihr Buch sagte, wie fasziniert sie von Tiny Houses und dem Leben auf 6,4 | |
| Quadratmetern sei. Das habe sie zu der Frage geführt, „wie viel Wohnraum | |
| man wirklich braucht“. Hallo, geht’s noch? | |
| 16 Jul 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Erik Peter | |
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