Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- EU-Sondergipfel in Brüssel: Türkei hui, Belarus pfui
> Nach langem Streit hat die EU Sanktionen gegen Belarus beschlossen. Gegen
> die Türkei hält der Gipfel-Beschluss nur die Strafandrohung aufrecht
Bild: Die neuen EU-Strafen treffen Alexander Lukaschenko selbst nicht
Brüssel taz | Nach heftigem Streit hat die Europäische Union doch noch
Sanktionen gegen das Regime in Belarus beschlossen. Bei einem Sondergipfel
in Brüssel zog Zypern in der Nacht zu Freitag sein Veto zurück, das
wochenlang eine Einigung auf Strafmaßnahmen verhindert hatte. Die neuen
EU-Strafen treffen das Umfeld des belorussischen Machthabers [1][Alexander
Lukaschenko], jedoch nicht Lukaschenko selbst.
Von den Sanktionen betroffen seien rund 40 belorussische Offizielle, denen
eine Beteiligung an Wahlfälschungen vorgeworfen werde, sagte
EU-Ratspräsident Charles Michel. Kanzlerin Angela Merkel sprach von einem
„wichtigen Signal“, das [2][die friedliche Opposition in Belarus stärken
werde]. Die EU handele „gegen diejenigen, die den demokratischen Bewegungen
sich entgegenstellen“.
Der Einigung vorausgegangen waren stundenlange harte Verhandlungen mit
Griechenland und Zypern. Beide EU-Länder forderten, nicht nur Belarus,
sondern auch die Türkei mit Sanktionen zu belegen oder zumindest damit zu
drohen. Sie reagierten damit auf die umstrittenen, von Militärmanövern
begleiteten türkischen Gasbohrungen im östlichen Mittelmeer. Merkel hielt
jedoch dagegen und forderte, Erdoğan eine „positive Agenda“ anzubieten.
Damit konnte sie sich letztlich durchsetzen. Der Gipfel-Beschluss hält zwar
die im Sommer ausgesprochene Strafandrohung gegen die Türkei aufrecht,
spricht jedoch nicht explizit von Sanktionen. Vielmehr wird Erdoğan
aufgefordert, seine „illegalen Aktivitäten“ einzustellen und das Gespräch
mit Grchenland und Zypern zu suchen. Wenn dies gelingen und Erdoğan
„konstruktive Bemühungen“ zeigen sollte, will ihm die EU weit
entgegenkommen.
## Visa-Liberalisierung mit Türkei wieder im Gespräch
Im Gipfelbeschluss ist nicht nur von einer Fortsetzung des umstrittenen
Flüchtlingsdeals die Rede, sondern auch von einer Modernisierung der
Zollunion mit der Türkei und einer Ausweitung des Handels. Auch eine
Visa-Liberalisierung ist wieder im Gespräch. All dies hatte Erdoğan bereits
2016 gefordert, ohne jemals die von der EU gestellten Bedingungen zu
erfüllen. Nun will Brüssel nachhelfen – und bis Dezember einen Plan
vorlegen.
Von den sonst üblichen Forderungen nach freien Wahlen, Meinungsfreiheit
oder Befreiung politischer Gefangener ist in dem EU-Beschluss keine Rede
mehr. All dies wird nur von Belarus verlangt, nicht jedoch von der Türkei.
Der Gipfel verzichtete auch darauf, die türkische Einmischung in den Krieg
in Bergkarabach zu verurteilen. Die EU-Chefs beließen es bei Appellen zu
einem Waffen-stillstand und einer friedlichen Konfliktbeilegung.
Dabei heizt die Türkei den Krieg nach Angaben des französischen Staatschefs
Emmanuel Macron direkt an. Laut Geheimdienstberichten aus Paris soll
Erdoğan hunderte syrische Söldner nach Aserbaidschan geschickt haben. Die
Staats- und Regierungschefs zeigten sich besorgt, wollten aber keinen neuen
Streit mit Erdoğan riskieren. „Nach den Problemen im Östlichen Mittelmeer,
Libyen und Syrien haben wir schon genug Problemthemen“, sagte ein Diplomat.
Auch die Strategie-Debatte zum Umgang mit der Türkei wurde nicht zu Ende
geführt. Die Beziehungen stünden an einer „Wegscheide“, hatte der
EU-Außenbeauftragte Josep Borrell gewarnt – doch wohin die Reise geht, ist
nach dem zweitägigen Treffen in Brüssel immer noch nicht klar.
Umso entschiedener zeigt sich die EU bei Belarus: Bereits am
Freitagnachmittag wurden die neuen Sanktionen in Kraft gesetzt. Laut
EU-Amtsblatt werden 40 Personen mit Kontensperrungen und Einreiseverboten
belegt. Unter ihnen sind Innenminister Juri Karaeu, Mitglieder der
staatlichen Wahlkommission, des Geheimdienstes KGB sowie der
Spezialeinheiten Omon und SOBR.
2 Oct 2020
## LINKS
[1] /Machthaber-Lukaschenko-in-Belarus/!5702899
[2] /Protest-gegen-Lukaschenko/!5707692
## AUTOREN
Eric Bonse
## TAGS
Schwerpunkt Krisenherd Belarus
Belarus
Türkei
EU-Gipfel
Lukaschenko
Schwerpunkt Krisenherd Belarus
Schwerpunkt Krisenherd Belarus
Schwerpunkt Brexit
Schwerpunkt Krisenherd Belarus
Schwerpunkt Pressefreiheit
## ARTIKEL ZUM THEMA
Journalismus in Belarus: Wie man (nicht) akkreditiert wird
Die Regierung Belarus annulliert alle Presseakkreditierungen. Olga Deksnis
erzählt von stürmischen Zeiten in Minsk. Folge 20.
Protestbewegung in Belarus: „Wir wollen unsere Mauer einreißen“
Die belarussische Oppositionsführerin Tichanowskaja erwartet nicht, dass
Machthaber Lukaschenko verhandeln wird. Sie hofft auf Europa als Mediator.
Protest in Belarus geht weiter: Keine Angst vor dem Wasserwerfer
Die Methoden der belarussischen Sicherheitskräfte machen den Demonstranten
keine Angst. Sie nutzen vermehrt dezentrale Aktionen.
Brexit-Streit mit Großbritannien: EU leitet rechtliche Schritte ein
Das britische Unterhaus hat das Binnenmarktgesetz mit umstrittenen Klauseln
beschlossen. Für die EU-Kommission ist das eine Verletzung des
Austrittsvertrags.
EU-Sondergipfel in Brüssel: Hochspannung vor Treffen
Eine Konfrontation mit der Türkei will die EU vermeiden. Aber Zypern
fordert neue Sanktionen – und blockiert nun Maßnahmen gegen Belarus.
Bericht der EU-Kommission: Die Rechtsstaats-Sünder der EU
Brüssel veröffentlicht erstmals Bericht zur Lage der Rechtsstaatlichkeit in
allen 27 EU-Staaten. Demnach gibt es in mehreren Ländern Probleme.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.