# taz.de -- EU-Sanktionen gegen Kohle: Deutschland verzichtet schneller | |
> Erstmals verhängt die EU Sanktionen gegen Energieimporte aus Russland. | |
> Das trifft auch Deutschland. Ökonomen erwarten Probleme. | |
Bild: Soll in Russland bleiben: Kohle aus Nowokusnezk in Sibirien | |
BERLIN taz | In den vergangenen Wochen hatte sich die Bundesregierung stets | |
vehement gegen den sofortigen [1][Stopp von Energielieferungen] aus | |
Russland und für einen kontrollierten Ausstieg ausgesprochen. Sonst werde | |
die deutsche Wirtschaft schwer geschädigt, lautete eines der | |
Standardargumente von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). | |
Am Dienstag schien unter dem Eindruck der Massaker der russischen Armee im | |
ukrainischen Butscha plötzlich alles anders. Die EU-Kommission schlug neue | |
Sanktionen gegen Russland vor, darunter ein Importverbot für Kohle aus | |
Russland im Wert von jährlich 4 Milliarden Euro. | |
Präsident Emmanuel Macron schien sogar offen für eine Ausweitung der | |
Sanktionen auf Kohle und Öl. EU-Vizekommissionspräsident Valdis | |
Dombrovskis nannte diese Maßnahme „definitiv eine Option“. Und auch | |
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck unterstützte die Sanktionen, aber | |
„nur“ gegen Kohle-Importe aus Russland, hieß es. | |
Die EU arbeite bereits an zusätzlichen Sanktionen, darunter auch | |
Öl-Importe, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Erdgas | |
erwähnte sie nicht. | |
## 40 Prozent des EU-Erdgasbedarfs aus Russland | |
Die EU importiert etwa 40 Prozent ihres Erdgasbedarfs aus Russland. | |
Deutschland und andere Staaten haben sich [2][gegen ein Importverbot für | |
russisches Erdgas] ausgesprochen. Konsens unter den 27 EU-Staaten war, dass | |
diese Einfuhren nicht so leicht zu ersetzen sind wie Kohle und Öl. | |
Unklar blieb zunächst, wann die Maßnahme greifen soll. Als weitere | |
Maßnahmen stehen auf der EU-Sanktionsliste unter anderem das Verbot der | |
Einfuhr von Holz, Zement, Gummi, Kaviar, Wodka in die EU und zusätzliche | |
Strafen gegen russische Banken. | |
Russische Steinkohle mache etwa die Hälfte des deutschen Kohleverbrauchs | |
aus, schrieb das Wirtschaftsministerium vor zehn Tagen in seinem | |
[3][„Fortschrittsbericht Energiesicherheit“]. Der Brennstoff wird unter | |
anderem in Kraftwerken zur Stromerzeugung und in der Stahlindustrie | |
eingesetzt. | |
Bei der Kohle sei die Abhängigkeit von russischen Importen von bisher 50 | |
auf nun 25 Prozent reduziert worden, beim Öl von 35 auf nun 25 Prozent, | |
hieß es damals. „Das sind Verträge, die gekündigt oder nicht verlängert | |
wurden und mit neuen Anbietern neu geschlossen wurden“, erläuterte Habeck. | |
## Bislang ab Herbst keine Kohleimporte mehr | |
Sein Plan war bisher, die Kohle-Importe aus Russland bis zum Herbst, die | |
Ölimporte bis zum Winter einzustellen. Die polnische Regierung hatte | |
kürzlich beschlossen, ab Mai keine Kohle mehr in Russland zu kaufen. | |
2021 wurde laut Bundesverband der Energiewirtschaft (BDEW) knapp 10 Prozent | |
des in Deutschland erzeugten Stroms in Steinkohle-Kraftwerken produziert: | |
„Steinkohle wird weltweit gehandelt, bei reduzierten Lieferungen aus | |
Russland können unter bestimmten Voraussetzungen Lieferungen aus anderen | |
Staaten erhöht werden.“ | |
Dazu gehören Länder wie Kolumbien, Südafrika, Australien oder die USA. | |
Grundsätzlich gehe es aber um den Umstieg auf erneuerbare Quellen, erklärte | |
der Verband. | |
Lisa Badum, grüne Energiepolitikerin im Bundestag, würde einen „sofortigen | |
Stopp der Kohlelieferungen“ unterstützen. Sie geht davon aus, dass die EU | |
eine gemeinsame Einkaufspolitik betreiben werde. Badum betonte allerdings, | |
dass „die fossilen Partnerschaften“ mit neuen Lieferanten „perspektivisch | |
in grüne Kooperationen umgewandelt werden müssen“. | |
## Punktuelle Schwierigkeiten | |
Die geplante Verringerung beim Import von Kohle treffe weder den russischen | |
Präsidenten Wladimir Putin noch Deutschland sonderlich hart, sagte | |
Ökonomie-Professor Jens Südekum von der Uni Düsseldorf. Nun gehe es eben | |
schneller als gedacht. | |
Dem österreichischen Wirtschaftsforscher Gabriel Felbermayr zufolge dürfte | |
der Verzicht auf russische Kohle punktuell und kurzfristig Schwierigkeiten | |
in Kraftwerken verursachen. „Diese sind aber im EU-Binnenmarkt und auf dem | |
Weltmarkt auffangbar.“ Die volkswirtschaftlichen Kosten der neuen | |
Sanktionsrunde für die EU seien überschaubar, würden jedoch steigen, sollte | |
Russland nun Gegensanktionen erlassen. | |
„Wirklich schmerzen würden Russland aber Sanktionen auf Erdöl und Erdgas“, | |
sagte Felbermayr. „Die EU traut sich momentan noch nicht, Erdölimporte zu | |
stoppen, weil die Reaktion Russlands im Stopp der Gaslieferungen liegen | |
könnte, was einigen EU-Staaten, darunter Deutschland und Österreich, | |
erheblich schaden würde.“ | |
Die EU-Staaten müssen die Sanktionsvorschläge der Kommission einstimmig | |
gutheißen. Dazu gehört auch ein Verbot für russische Schiffe, in den Häfen | |
der EU anzulegen, es sei denn sie transportieren essenzielle Waren wie | |
landwirtschaftliche Produkte, Lebensmittel, Energie oder humanitäre Hilfe. | |
Teil der neuen Sanktionen sind auch gezielte Exportverbote unter anderem | |
bei Quantencomputern, Halbleitern und anderen technischen Geräten. Von der | |
Leyen sagte, dass auch vier russische Banken, darunter das zweitgrößte | |
russische Geldhaus VTB, von den Märkten abgeschnitten würden. „Das wird | |
Russlands Finanzsystem weiter schwächen.“ (mit Agenturen) | |
5 Apr 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Unabhaengig-durch-Erneuerbare-Energien/!5843245 | |
[2] /Bei-Energieimport-Stopp-aus-Russland/!5841675 | |
[3] https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/Energie/0325_fortschrittsbericht… | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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