# taz.de -- Drogenhandel in Berlin-Kreuzberg: Mehr Polizei, mehr Dealer | |
> Mit einer Brennpunkt-Einheit wollte die Polizei den Drogenhandel am | |
> Görlitzer Park in den Griff kriegen. Wirklich besser geworden ist es | |
> nicht. | |
Bild: Polizeikontrolle im Herbst 2019, als es die Brennpunkteinheit und Corona … | |
BERLIN taz | Große Erwartungen waren an die neue Brennpunkt- und | |
Präsenzeinheit der Polizei geknüpft worden, als sie im Januar 2020 die | |
Arbeit an den Drogenhotspots aufnahm: Immer öfter komme es in Kreuzberg | |
zwischen Dealern zu Gewaltausbrüchen, sagte Polizeipräsidentin Barbara | |
Slowik seinerzeit. Die verstärkte Polizeipräsenz solle auch dazu dienen, | |
dass Anwohner und Passanten nicht ständig einem aggressiven Käuferverhalten | |
ausgesetzt seien. | |
Ein Jahr später hat die Innenverwaltung nun auf Anfrage des | |
Linkenpolitikers Niklas Schrader eine [1][Bilanz der Brennpunkteinheit] | |
(BPE) vorgelegt. Fazit: Die aus 125 Beamtinnen und Beamten bestehende | |
Einheit war im Görlitzer Park und im Wrangelkiez ausgesprochen aktiv. | |
97.402 Einsatzkräftestunden wurden bis zum Stichtag 30. November | |
verzeichnet – dreimal so viel wie 2019, als der Görlitzer Park und dessen | |
Umgebung noch von „normalen“ Einheiten bestreift wurden. Die Zahl der | |
Platzverweise stieg von 1.748 auf 2.772, die der Aufenthaltsverbote von 25 | |
auf 103. | |
Eine Einschätzung, was das Ganze gebracht hat, hat die Polizeiführung aber | |
noch nicht abgegeben. Hört man sich im Kiez um, bekommt man | |
unterschiedliche Antworten. Menschen, die dort schon lange ihren | |
Lebensmittelpunkt haben, sagen, sie seien froh, dass es die BPE gebe. | |
Andere lehnen sie ab. | |
Eine Anwohnerinitiative, die sich [2][„Wrangelkiez-United“] nennt – sie | |
wurde wegen des erhöhten Polizeiaufkommens im Kiez gegründet – erhebt | |
schwere Vorwürfe: Die BPE betreibe verbotenes Racial Profling, sagte eine | |
Vertreterin der Initiative der taz. | |
## Treffpunkt der Community | |
Nahezu ausschließlich People of Colour und Schwarze Menschen würden | |
kontrolliert – unabhängig davon, was sie täten. Dabei verkauften längst | |
nicht alle People of Colour Drogen: Der Kiez sei ein Treffpunkt der | |
Community. Auch wer schon lange dort lebe und nichts mit Drogen am Hut | |
habe, werde immer wieder kontrolliert, weil er Schwarz sei. | |
Wegen des Drogenhandels und der damit einhergehenden Kriminalität ist der | |
Görlitzer Park seit geraumer Zeit als sogenannter kriminalitätsbelasteter | |
Ort (kbO) eingestuft. In der Antwort auf die schriftliche Anfrage von | |
Niklas Schrader hat die Innenverwaltung nun bestätigt, dass im April 2020 | |
auch Teile des Wrangelkiezes zum kbO erklärt worden sind. Die Einstufung | |
ermächtigt die Polizei, Menschen verdachtsunabhängig zu kontrollieren. | |
Kritiker sagen, die kbO gehörten abgeschafft, weil sie der Türöffner für | |
Racial Profling seien. | |
Wo genau die Grenzen der kbO verlaufen, will die Innenverwaltung indes | |
nicht mitteilen. Andernfalls würden sich „Tatbegehende“ daran orientieren | |
und ihre Straftaten „unmittelbar vor den Grenzen der kbO begehen“, heißt es | |
in der Antwort auf die Anfrage, die am Freitag veröffentlicht wurde. | |
Es gebe sehr viele Beschwerden von Anwohnern, hatte [3][Felix Weisbrich], | |
Leiter des Straßen- und Grünflächenamtes von Friedrichshain-Kreuzberg, | |
Anfang September zur taz gesagt. Da war die BPE schon acht Monate tätig. Je | |
mehr sich die Drogenszene unter Kontrolle fühle, umso mehr verlagere sie | |
sich. | |
Was den Görlitzer Park betreffe, so sei dieser längst nicht mehr nur ein | |
Kifferpark, hatte Bezirksbürgermeisterin [4][Monika Herrmann] (Grüne) | |
bestätigt. Auch Heroin und andere harte Drogen würden dort vertickt. „Das | |
kann man nicht mit Sozialarbeitern lösen.“ | |
Die Initiative Wrangelkiez-United macht eigenen Angaben zufolge im Kiez auf | |
Plakaten gegen ein Racial Profling der Polizei mobil. Auch praktisch | |
versuche man den von Kontrollen Betroffenen zur Seite zu stehen, so die | |
Vertreterin zur taz. Zum Beispiel, indem für sie gedolmetscht werde und man | |
Anwälte kontaktiere. Zu beobachten seien zum Teil gewaltsame Szenen, etwa | |
dass Polizisten Flüchtenden Beine stellten oder Betroffene zu Boden | |
schubsten. Diese Polizeigewalt geschehe auch vor den Augen von Kindern. | |
## Einjähriges Kiezverbot | |
Die Betroffenen würden pauschal kriminalisiert, willkürlich würden | |
Platzverweise erteilt, so die Vertreterin der Initiative. Personen mit | |
mehreren Platzverweisen seien von mehrmonatigen Aufenthaltsverboten | |
bedroht. Man wisse von zwei Fällen, wo ein einjähriges Kiezverbot erteilt | |
worden sei, in einem Fall einem Mann ohne festen Wohnsitz. Vermutlich gebe | |
es mehr dieser Fälle. | |
„Absolut unverhältnismäßig und rechtlich zweifelhaft“ seien einjährige | |
Aufenthaltsverbote, erklärt Niklas Schrader auf Nachfrage. Der BPE, so sein | |
Eindruck, gehe es offenbar eher um Abschreckung und Verdrängung und darum, | |
Exempel zu statuieren. „Ich verlange von der Polizei ein maßvolles, | |
kommunikatives Vorgehen.“ | |
Wrangelkiez-United versuche ein Umdenken zu bewirken, sagt die Vertreterin. | |
Die Polizei sei keine Hilfe. Im Gegenteil. Die Gegend komme besser ohne sie | |
klar. Man sei ein sozialer Kiez, darum fühlten sich Randgruppen dort wohl. | |
Ob ihr bekannt ist, dass nicht alle in Kreuzberg das so sehen? Leute, die | |
sich über mangelnde Sicherheit beklagten, verschlössen die Augen vor dem | |
sozialen Elend, antwortet die Vertreterin. | |
Zumeist seien das ihrer Meinung nach Gentrifizierer: Mittelstandsfamilien, | |
die bereits nach der Polizei riefen, wenn jemand Müll fallen lasse oder in | |
der Öffentlichkeit uriniere. „Da wird das alte kolonialistische Bild | |
reproduziert: Schwarzer Mann gleich kriminell und böse.“ | |
## Dealer unvermindert anmaßend | |
Sie seien diese Diskussion leid, sagen hingegen alteingesessene Kreuzberger | |
zur taz. Mit den Rassismusvorwürfen werde vom eigentlichen Problem | |
abgelenkt: dem Verhalten der Dealer. Es würden nicht weniger, sondern mehr. | |
Sie würden unvermindert anmaßend auftreten, teilweise sogar körperlich | |
bedrohlich. Nicht nur Kinder seien verängstigt. | |
Obschon sich die BPE sichtlich bemühe, habe sich grundsätzlich nichts | |
geändert, so das Fazit dieser Anwohner. Sobald die Einheiten weg seien, | |
gehe der Betrieb weiter. Die Mittel seien falsch: Es brauche eine im Kiez | |
und Park fest stationierte Polizei, die jederzeit für alle ansprechbar sei. | |
Zu dieser Einschätzung passt eine aktuelle Pressemitteilung der Polizei: | |
Mehrere Männer hätten einem 40-Jährigen vergangenen Mittwochabend in der | |
Skalitzer Straße Drogen zum Kauf angeboten. Der Angesprochene habe das | |
abgelehnt. Die Männer hätten ihn bedrängt und Geld gefordert. Der | |
40-Jährige habe einzelne der Männer von sich geschubst. Dann sei er | |
geflüchtet, gestolpert, gestürzt und zusammengeschlagen worden. | |
11 Jan 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/S18-25… | |
[2] https://wrangelkiezunited.noblogs.org/ | |
[3] /Drogenhandel-in-Berlin/!5709507 | |
[4] /Innenstadt-Probleme-in-Berlin/!5710841 | |
## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
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