# taz.de -- Dreiteiliges Remake von „Winnetou“: Ganz neue Räuberpistolen | |
> RTL beschert über die Feiertage eine „Winnetou“-Neuverfilmung. Der Wilde | |
> Westen liegt im einzig wahren Indianerland: Kroatien. | |
Bild: Old Shatterhand (Wotan Wilke Möhring, l.) und Winnetou (Nik Xhelilaj, M.… | |
Auf der Berlinale und in diesem Monat auf Arte lief die Dokumentation | |
„Verfluchte Liebe Deutscher Film“ von Johannes F. Sievert und Dominik Graf. | |
Da ging es um nichts weniger als die Rehabilitierung von Opas totgesagtem | |
Kino: um Kintopp-Trash, wie ihn die „Winnetou“-Regisseure Harald Reinl und | |
Alfred Vohrer in den 1960er Jahren am laufenden Band produzierten. | |
Wer daraufhin jetzt das TV-Festprogramm studiert, bei RTL hängen bleibt und | |
sich darauf freut, die hundertmal geguckten „Winnetous“ noch ein | |
hundertunderstes Mal – und jetzt mit ganz anderen Augen als große Filmkunst | |
– zu sehen: der hat sich zu früh gefreut. Hat doch RTL den Stoff | |
tatsächlich neu verfilmt! | |
Welcher Teufel mag Regisseur Philipp Stölzl („Nordwand“, „Der Medicus“) | |
geritten haben, sich an den so sehr in einem vergangenen Zeitgeist | |
verhafteten „Winnetou“-Filmen zu vergreifen? Am Anfang sieht es ganz so | |
aus, als wolle Stölzl Karl May auf Jack London bürsten (etwa so, wie ihn | |
Wolfgang Staudte in den 1970er Jahren mit „Der Seewolf“ und „Lockruf des | |
Goldes“ verfilmt hat). | |
Der Held (Wotan Wilke Möhring) heißt erst mal noch Karl und außerdem May. | |
Der Wilde Westen liegt im einzig wahren Indianerland: Kroatien. „Wir | |
brauchen hier richtige Männer und keine Rechenschieber“, sagen die Proleten | |
auf der Eisenbahn-Baustelle. Der frisch eingewanderte deutsche Akademiker | |
bleibt höflich: „Ich muss Sie darauf hinweisen, dass ich im Verein geboxt | |
habe.“ | |
## Es wird viel untertitelt | |
Mit den ebenfalls sehr höflichen Indianern versteht er sich viel besser, | |
sie heißen den versierten Faustkämpfer und Schusswaffengegner bald Old | |
Shatterhand. In der Phase seiner Aufnahme in den Stamm schaltet Stölzl dann | |
auf „Ein Mann, den sie Pferd nannten“-Modus um, gemixt mit ein bisschen | |
„Der mit dem Wolf tanzt“. Es wird viel untertitelt. | |
Wer nun aber schließt, es ginge Stölzl um ein mehr an Realismus, | |
Authentizität – der wird sich spätestens beim zweiten Film berichtigen | |
müssen. Old Shatterhand überwindet hier seine geschmacklichen und ethischen | |
Bedenken, wirft sich das Fransen-Leibchen über, greift endlich zum | |
Henrystutzen und folgt den Entführern Nscho-tschis (Iazua Larios) zum | |
Silbersee. | |
Apropos Nscho-tschi. Da zeigt sich, dass Werktreue Stölzl auch nicht mehr | |
bedeutet als seinen Vorgängern. Im Gegenteil. Bei May wie auch bei Reinl | |
musste Nscho-tschi bereits im ersten „Winnetou“ sterben. 2016 ist ihre | |
Rolle an der Seite von Old Shatterhand beinahe wichtiger als die ihres | |
Bruders Winnetou (schön, muskulös und mit Smokey Eyes: Nik Xhelilaj). Und | |
dass der einstmals notorische Junggeselle Old Shatterhand und Nscho-tschi | |
sich ein Häuschen bauen, ist als dramatischer Epochenbruch nur noch mit | |
James Bonds Heirat (in „Im Geheimdienst ihrer Majestät“) vergleichbar. | |
Die Silbersee-Episode indes, deren Plot mit Mays und Reinls Vorlagen nicht | |
mehr als den titelgebenden See gemein hat, ist reiner Klamauk. Fahri Yardim | |
gibt den liebestollen mexikanischen Banditen El Mas Loco, der in | |
Nscho-tschi die Reinkarnation seiner verstorbenen Ex erkannt hat: „Bald | |
wirst du mich wieder genauso lieben wie vor deinem Tod!“ | |
## Jürgen Vogel als Rassist | |
Überhaupt die Bösewichte: Im ersten Film spielt Jürgen Vogel den durch und | |
durch rassistischen Redneck „Rattler“ (kommt bei May vor, nicht aber bei | |
Reinl), im dritten Michael Maertens den Baudelaires „Die Blumen des Bösen“ | |
zitierenden, mordenden und marodierenden Dandy Santer Junior, Sohn des | |
Übervaters Santer, dargestellt von Mario Adorf, der Santer schon in Reinls | |
erstem „Winnetou“ gespielt hat. Solche Bösewichte funktionieren über alle | |
Zeitläufte hinweg. Bei ihnen ist „Winnetou“ ganz bei sich: bei der | |
Kolportage, dem Schund erster Ordnung. | |
Wenn Stölzl auch nicht so richtig zu wissen scheint, was er will; wenn er | |
vielleicht auch deshalb umso unbedarfter und ungenierter Motive Karl Mays | |
mit denen seiner Adaptionen mit weiteren historischen und filmhistorischen | |
Motiven zu drei ganz neuen Räuberpistolen remixt – dann ist ihm das | |
immerhin gelungen. Karl May hätte es nicht anders gemacht. | |
25 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Jens Müller | |
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