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# taz.de -- Kinderfilm „Winnetous Sohn“: Der rote Patchwork-Bruder
> Winnetous Sohn“ erzählt von der Wiedergeburt des Kriegers. Es geht um
> kryptische indianische Weisheiten, autoritäre Pappfiguren und einen ganz
> großen Wunsch.
Bild: Lebt auf, wenn er Federschmuck und Kriegsbemalung trägt: Max (Lorenzo Ge…
BREMEN taz | „Winnetou darf nicht sterben!“, ruft ein kleiner Junge, da
führt das Freilichttheater gerade „Winnetou 3“ auf, letzter Akt. Der Junge
aus dem Publikum aber weint, und die anderen Zuschauer stimmen so ergriffen
mit ein, dass der Darsteller von Old Shatterhand den schon leblos vor ihm
liegenden Bühnen-Winnetou fragend ansieht. Und der? Schlägt die Augen
wieder auf – ganz großer Applaus.
Es war ein prägender Moment im Leben von Max (Lorenzo Germeno), der da als
Rückblende zelebriert wird und zugleich Filmgeschichte zitiert: Auch Horst
Wendland, Produzent der Karl-May-Verfilmungen in den 60er-Jahren, bekam den
Zorn des Kinopublikums zu spüren, als er Pierre Brice, Pardon, Winnetou
sterben ließ: in Form von wütenden Briefen und, ja, Buhrufen. Wendland ließ
dann einfach eine Reihe weiterer Filme drehen.
Diese Filme gehören aber nicht zu Max’ Sozialisation. Aber der Junge eifert
von klein auf seinem Vater nach, der sich in seiner Freizeit regelmäßig in
einen stolzen Häuptling mit riesigem Federschmuck verwandelte. So erinnert
der Film eher an die Freizeitindianerkultur in der DDR, wo viele übers
Wochenende in ihre Tipi-Dörfer zogen, als edle Wilde verkleidet von
Freiheit und Abenteuer träumend. Ein Überbleibsel ist das kleine
Ferienlager mit Zelten, Ponys und Marterpfahl, in dem der zehnjährige Max
mit Indianerkostüm und Kriegsbemalung so richtig auflebt. Er ist zwar etwas
pummelig, aber ein derart guter Krieger, dass er sich ganz
selbstverständlich „Häuptling“ nennt.
## Kryptische indianische Weisheiten
Dies sieht auch die Leiterin des Camps, Evi, sofort ein, die fast nur
kryptische indianische Weisheiten von sich gibt. Katharina Marie Schubert
spielt sie als eine Glucke mit warmen Lächeln und glänzenden Augen, und
sollten nach dem Besuch von [1][„Winnetous Sohn“] Kinder von ihren Eltern
verlangen, auch in so ein Camp geschickt zu werden, dann ist das ihr zu
verdanken.
Eltern hat Max auch, geschieden und ein wenig chaotisch. Die Mutter muss
viel arbeiten und hat einen afroamerikanischen Freund, den Max
Bleichgesicht nennt; der Vater ist Musiker und will nicht recht erwachsen
werden. So muss sich Max auch ein wenig an typischen Familienkonflikten
abarbeiten.
Wichtiger aber ist für Regisseur André Erkau, dass Max unbedingt „Winnetous
Sohn“ werden will. Diese Rolle muss bei den Karl-May-Festspielen gerade neu
besetzt werden, denn die erste Wahl ist aus dem Sattel gefallen, und Max
macht sich auf, denn er will sie unbedingt spielen. Doch im
Freilichttheater haben Uwe Ochsenknecht als Regisseur in Generalsuniform
und Armin Rohde als Sheriff, der seine Rolle ein wenig zu ernst nimmt, das
Sagen. Ein wenig zu rumpelig spielen beide ihre autoritären Pappfiguren.
Mit ihren Grimassen wirken sie wie Fremdkörper in einem Film, der
Erwachsene zwar ein wenig peinlich, aber doch glaubwürdig und liebevoll
zeichnet.
## Wie ein Western
„Winnetous Sohn“ beginnt wie ein Western: mit einer Schlinge um den Hals
des Häuptlings der Apachen, der von seinem heranreitenden Sohn gerettet
werden soll. Dann unterbricht ein klingelndes Handy die Szene, die sich als
eine Theaterprobe entpuppt. Gerne ironisiert Erkau solche Westernmotive
durch moderne, möglichst alltägliche Elemente.
So wird auch eine Gang von Revolverhelden zu einem Trio frecher Mädchen auf
Kinderfahrrädern, die darüber lästern, dass Max’ Blutsbruder noch nicht Rad
fahren kann. Dieser beste Freund, der Old Shatterhand zu seinem Winnetou,
ist ein Grufti namens Morten (Tristan Göbel), der nur Schwarz trägt,
Katastrophenberichte sammelt und Indianerspielen übrigens doof findet.
Das große Abenteuer, bei dem Max zeigen muss, dass er eine echte
Indianerseele hat, ist denn auch keine Bärenjagd und kein Duell, sondern –
ein Casting. Max muss mit anderen Kindern reiten, mit Pfeil und Bogen
schießen und den Text auswendig lernen. Vor allem muss er aber das Manko
wettmachen, dass er ein dicker, blasser, kleiner Junge mit Brille ist. Wie
alle guten Kinderdarsteller scheint der zehnjährige Lorenzo Germeno noch
ohne jede Berechnung und Anstrengung zu spielen, und seine Begeisterung ist
fast deckungsgleich mit der seiner Figur.
## Fußt auf einem Originalstoff
Für Publikum zwischen sechs und zwölf Jahren werden in Deutschland fast nur
Adaptionen bekannter Vorlagen oder Fortsetzungen von Erfolgen wie „Die
Wilden Kerle“ produziert. Dagegen fußt „Winnetous Sohn“, als Koproduktion
der Kinderfilm GmbH sowie des ZDF und des Kinderkanals an
Originalschauplätzen in Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt gedreht, auch
auf einem Originalstoff.
Es ist der erste Film, den die Förderinitiative „Der Besondere Kinderfilm“
– dahinter stehen das öffentlich-rechtliche Fernsehen, die Filmwirtschaft
sowie die Fördergremien des Bundes und mehrerer Bundesländer – von der
Drehbuchentwicklung bis zur Vermarktung unterstützt hat. Ist das Konzept
nun aber bestätigt oder gescheitert, wenn in ein paar Jahren „Die Rückkehr
von Winnetous Sohn“ in die Kinos kommt?
## läuft seit 9. April
22 Apr 2015
## LINKS
[1] http://www.winnetous-sohn-der-film.de/
## AUTOREN
Wilfried Hippen
## TAGS
Film
Kinderfilm
Winnetou
Filmförderung
Winnetou
Schwerpunkt Afghanistan
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