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# taz.de -- Doping im Radsport: Killer der Gelben Trikots
> Travis Tygart ist der Mann, der Lance Armstrong überführte. An der
> deutschen Nada kritisiert der US-Amerikaner mangelnde Unabhängigkeit.
Bild: Wegen Dopings lebenslang gesperrt: Radprofi Lance Armstrong.
BONN taz | Er ist Lance Armstrongs Albtraum. Trotzdem wirkt er recht
freundlich, aber seine Augen sind fokussiert, kühl und angriffslustig. Wenn
Travis Tygart die Stimme erhebt, dann nicht nur einfach so: „Wir müssen die
sauberen Athleten schützen“, sagt er, „und deshalb kämpfen wir mit aller
Macht gegen das dreckige Dopingsystem und seine Betrüger.“ Das klingt wie
eine Kampfansage und ist auch durchaus so gemeint.
Der 42-jährige Geschäftsführer der amerikanischen Antidopingagentur Usada
gilt als harter Hund, der in zäher Arbeit das Sportidol Lance Armstrong des
systematischen Dopings überführt und zu Fall gebracht hat. „Wenn sieben
Gelbe Trikots gekillt werden, ist das kein schöner Tag für den Sport“, sagt
er, „aber es war absolut notwendig.“
Seit den Ermittlungen gegen den populären Radprofi ist der studierte
Philosoph und Rechtsanwalt der Leitwolf im Kampf gegen das Doping.
Armstrong war 2012 trotz gewaltiger Widerstände des Radsport-Weltverbandes
UCI und einflussreicher Freunde des Berufsradlers aus der Politik
lebenslang wegen Dopings gesperrt worden.
Zudem wurden ihm seine sieben Siege bei der Tour de France aberkannt.
Tygart wurde wegen seiner Ermittlungen 2013 vom Time Magazin in die Liste
der hundert einflussreichsten Persönlichkeiten weltweit gewählt, die Usada
gilt seither als Paradebeispiel, wie der Kampf gegen Doping organisiert
werden sollte.
Tygart, seit 2007 Chef der Usada, war jetzt auf Einladung der Nationalen
Antidopingagentur Deutschland (Nada) in Bonn. Dabei erklärte er, warum aus
einer Sicht die Usada erfolgreich arbeiten kann. Seit 2003 ist die 2000
gegründete Organisation unabhängig von Politik und Sport. Die Arbeit wird
zwar mit Geld der Regierung und der Sportverbände ermöglicht, im
zehnköpfigen Präsidium seien aber keine Vertreter aus Politik und Sport.
„Diese Unabhängigkeit ist die Basis – ohne die kann man nicht arbeiten. Und
wie wir unser Geld verwenden, ist allein unsere Sache“, sagte Tygart in
Bonn.
## Interessensvertreter im Aufsichtsrat
Die als Stiftung konzipierte Nada ist aus seiner Sicht dagegen zu sehr
äußeren Einflüssen ausgesetzt. „Ich finde es schade, dass Deutschland keine
unabhängige Agentur hat“, erklärte Tygart. Formal stimmt das zwar nicht,
auch die Nada ist als Stiftung des privaten Rechts unabhängig, allerdings
sitzen im Aufsichtsrat auch Politiker, Wirtschaftsvertreter oder
Spitzenfunktionäre aus dem Sport wie zum Beispiel der Generaldirektor des
Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Michael Vesper.
Zudem hat die Nada nicht die alleinige Hoheit über die Tests in
Deutschland. Nur die Trainingskontrollen sind in der Hand der Bonner, im
Wettkampf kann die Nada aber derzeit nur bei 28 von 62 Fachverbänden die
Kontrollen verantworten: 2013 waren das von 5.311 Wettkampfkontrollen nur
1.260. Vom 1. Januar an ist die Nada zwar formell für alle Wettkampftests
in Deutschland zuständig, in der Realität wird sich 2015 aber sicher nur
der Deutsche Fußball-Bund (DFB) mit knapp 2.000 Kontrollen neu unter das
Dach der Nada begeben.
Ob noch mehr Verbände dazukommen, ist vor allem eine Frage des Geldes. 5
Millionen des 10-Millionen-Euro-Etats muss der Sport stemmen, der DFB hat
seinen Anteil von etwa 800.000 Euro für 2015 zugesagt, andere zieren sich
noch. „Wenn wir alle Verbände vom 1. Januar an kontrollieren würden, wären
wir im Juni pleite“, erklärte Lars Mortsiefer, Mitglied im Vorstand der
Nada.
## Spektakuläre Erfolge
So eine Abhängigkeit kennt Tygart nicht. Der Usada-Etat ist garantiert, die
Verwendung frei, die Kontrollen komplett in einer Hand. So konnte die
Organisation schon spektakuläre Erfolge feiern, wie die Enttarnung des
Balco-Labors, die letztlich dann auch Olympiasiegerin Marion Jones ins
Gefängnis brachte. Oder eben die Causa Armstrong.
Die Gründung der Usada im Jahr 2000 war aber auch nötig. In den achtziger
Jahren verstanden sich etliche Kontrolllabore in den USA noch als Komplizen
der Sportler. Vor den Spielen in Seoul 1988 wurden zum Beispiel positiv
getestete Leichtathleten nur gewarnt. Auch Carl Lewis soll damals einen
Tipp bekommen haben. So etwas ist im heutigen System in den USA nicht mehr
möglich. Dass auch vor großen Namen nicht haltgemacht wird, verdeutlicht
der Fall Armstrong.
In Bonn zeigte Tygart wieder diesen Biss, der der deutschen
Antidopingspitze fehlt. Als Tygart vor einem Jahr im Bundestag in Berlin
gesprochen hatte, sagte der SPD-Abgeordnete Martin Gerster hinterher, dass
er den Mann aus Florida als „mutigen Löwen“ erlebt habe. Die Nada sehe er
dagegen als „handzahmes Kätzchen“.
3 Nov 2014
## AUTOREN
Jürgen Löhle
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Doping
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