# taz.de -- Symposium der Dopingjäger: Intelligente Schnitzeljagd | |
> Der frühere Radprofi Tyler Hamilton hat mit seinen Enthüllungen die Jäger | |
> der Welt-Anti-Doping-Agentur aufgerüttelt. Die geben sich kämpferisch. | |
Bild: Peinliche Enthüllungen für Dopingkontrolleure: Tyler Hamilton. | |
STOCKHOLM taz | Ein Ruck geht durchs Wada-Land. Die Jäger der | |
Welt-Anti-Doping-Agentur fühlen sich herausgefordert und wollen effektiver | |
werden. Auf dem von Arne Ljungqvist, dem schwedischen IOC-Mitglied und | |
Vorsitzenden von dessen medizinischer Kommission, organisierten Symposium | |
„Doping als ein Problem der öffentlichen Gesundheit“ war die ausführliche | |
Dopingbeichte des früheren Radprofis Tyler Hamilton das Kernthema. | |
Hamiltons Feststellung: „Die Wada hat Jahre gebraucht, um einen Epo-Test zu | |
entwickeln. Michele Ferrari brauchte fünf Minuten, um ihn zu umgehen“, | |
kratzte arg an der Ehre der Gescholtenen. „Ich war schon überrascht, dass | |
Ferrari nur fünf Minuten gebraucht haben soll. Aber man muss bedenken, dass | |
es lange vor dem Test viele Informationen dazu gab“, versuchte | |
Wada-Generalsekretär David Howman gegenüber der taz die Blitzleistung des | |
berüchtigten Dopingarztes aus Italien etwas zu relativieren. | |
Forscher noch reagierte Christiane Ayotte, Leiterin des Wada-Labors in | |
Montreal. „Ferrari ist niemals ein besserer Wissenschaftler als wir“, | |
meinte die temperamentvolle Frankokanadierin zur taz. „Wir halten uns | |
streng an wissenschaftliche Regeln. Ein falscher positiver Test [also ein | |
zu Unrecht des Dopings beschuldigter Athlet; Anm. d. Red.] ist für uns eine | |
absolute Katastrophe. Für uns gelten sogar noch strengere Standards als für | |
gewöhnliche Wissenschaftler, denn unsere Analysen müssen vor Gericht | |
standhalten und nicht nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit haben“, sagte sie | |
und erklärte damit die zeitliche Diskrepanz zwischen der Arbeit von | |
Dopingjägern und der von Dopinghelfern. | |
Ayotte sah in Hamiltons Buch „The Secret Race“ auch eher einen | |
Doper-internen Wettkampf zwischen Ferrari und dem spanischen Gynäkologen | |
Eufemiano Fuentes. Und den gewann der Italiener. „Die Athleten, die von | |
Ferrari betreut wurden, hatten nicht die Probleme, die die Leute bekamen, | |
die der schlampigen Arbeit von Fuentes ausgesetzt waren“, meinte Ayotte. | |
## Unsauberkeiten beim Auftauen der Blutbeutel | |
Sie bezog sich dabei auf Hamiltons Berichte über schlecht gelagerte | |
Blutbeuteln in Madrid, unterbrochene Lieferketten und vermutliche | |
Unsauberkeiten beim Auftauen der Blutbeutel, die die wahrscheinliche | |
Ursache für Hamiltons positiven Test auf Fremdblutdoping im Jahre 2004 | |
darstellen. In dem Gerät, in dem Hamiltons Blutkonserve wiederaufbereitet | |
wurde, könnten sich noch Reste des Bluts von anderen Klienten befunden | |
haben. 58 standen auf der berühmten UCI-Liste; zusammen mit verdächtigten | |
Leichtathleten, Tennisspielern und Fußballern dürfte der Kundenkreis die | |
100er Grenze überschritten haben. | |
Die detaillierten Einblicke Hamiltons in einen gewöhnlichen Doperalltag | |
lösten aber auch Nachdenklichkeit sowie neue Entschlossenheit bei manchen | |
Antidopingjägern aus. „Wir dürfen uns nicht mehr mit der Menge von Tests | |
zufriedengeben, sondern müssen intelligent testen“, forderte Nicole | |
Sapstead von der britischen Antidopingagentur. Sie schilderte auf dem | |
Kongress, wie sie dem italienischen Geher Alex Schwazer kurz vor den | |
Olympischen Spielen auf den Fersen blieb. | |
„Wir hatten einen Tipp erhalten und schon einen Kontrolleur zum | |
Trainingslager nach Deutschland geschickt. Als der Kontrolleur auf den Weg | |
war, gab Schwazer eine Änderung seines Aufenthaltsorts bekannt. Wir sandten | |
parallel ein Team nach Italien. Das deutsche Team war zwar nicht mehr | |
aufzuhalten. Es stand vor verschlossener Tür und erfuhr von Schwazer | |
telefonisch, dass er jetzt in Italien sei. Am selben Abend klingelte es | |
aber auch in Italien an Schwazers Tür“, beschrieb Sapstead die erfolgreiche | |
Schnitzeljagd. | |
## Aus der Zeitung erfahren | |
Genau hier sah Ayotte auch den Ansatz. „Wir Wissenschaftler arbeiten | |
bereits sehr effizient. Nun liegt es an denjenigen, die die Tests | |
durchführen, auch ihre Hausaufgaben zu machen. Warum werden die Proben | |
nicht rechtzeitig genommen, wenn sich noch Spuren von verbotenen Substanzen | |
im Körper befinden? Wir wissen seit Jahren vor allem aus dem Radsport, wie | |
leicht sich Kontrollen hinauszögern lassen. Und es macht mich krank, zu | |
lesen, wie Hamilton bei der Ankunft von Kontrolleuren über den Fußboden | |
kriecht und über das Fenster an der Rückseite des Hauses abhaut“, meinte | |
sie. | |
UK Antidoping scheint da – bezogen auf den Schwazer-Fall – bereits auf | |
einem guten Weg zu sein. Die deutsche Nada muss von solchen Strategien erst | |
aus der Zeitung erfahren. Die in letzter Zeit nicht unbedingt durch | |
Entschlossenheit aufgefallene Bonner Agentur schickte keinen einzigen | |
Vertreter zum Erfahrungsaustausch nach Stockholm. | |
Das Fähnlein hielten neben dem unermüdlichen Anti-Doping-Doyen Werner | |
Franke der Kölner Hans Geyer sowie die durch mangelnde Akteneinsicht | |
sichtlich frustrierte Vorsitzende der Freiburger Untersuchungskommission, | |
Letizia Paoli hoch. Nada von der Nada – daran scheint sich auch in Zeiten | |
eines Rucks, der durch die internationale Antidopingszene geht, wenig zu | |
ändern. | |
24 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Tom Mustroph | |
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