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# taz.de -- Daily Dope (550): Wie ein lästiger Pickel
> Mit vollem Einsatz geht der deutsche Sport in den Olympiasommer – außer
> beim Thema Doping. Der Nada fehlt das Geld, um den Kampf gegen Blutdoping
> zu bestreiten.
Bild: 258.267 Dopingproben haben von der Wada akkreditierte Labors im Jahr 2010…
BERLIN taz | Der deutsche Sport macht sich bereit für den „härtesten
Konkurrenzkampf, den es je gegeben hat“. Den erwartet Thomas Bach, der
Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, bei den Olympischen
Spielen im Sommer in London. „Nicht einmal in Zeiten des Kalten Krieges
haben andere Länder so viel in sportliches Know-how investiert“, so Bach
weiter.
Deutschland kämpft um einen guten Platz in der Nationenwertung, der Staat
investiert kräftig in das Nationalmarketing. Gespart wird nicht: Olympia
2012 ist dem deutschen Staat mehr wert als Peking 2008. Damals gewannen die
Deutschen 41 Medaillen und landeten in der Nationenwertung auf Rang fünf.
Dieser Platz soll verteidigt werden. Schlagzeilen über Dopingvergehen
sollen der Nation die Freude an den Spielen dabei nicht vergällen. „Die
Mannschaft wird rigiden Anti-Doping-Maßnahmen unterworfen sein“, sagt
Thomas Bach. Wie ein lästiger Pickel, der sich einfach nicht ausdrücken
lässt, muss dem IOC-Vize dabei die Affäre um die Blutbehandlungen am
Erfurter Olympiastützpunkt vorkommen.
Bach wünscht sich, dass der Fall bis zum Beginn der Spiele am 27. Juli
erledigt ist. Dabei vertraut er auf die Nationale Anti-Doping-Agentur
(Nada), die noch auf ein Gutachten wartet, das klären soll, ob die Methode
des Arztes Andreas Franke, die an 30 Sportlerinnen und Sportlern angewendet
wurde, schon vor 2011 als Doping bezeichnet werden kann.
## Mittel des Bundesinnenministeriums
Unabhängig vom Ergebnis ist es dem betroffenen Olympiastützpunkt zusammen
mit Sportlern, die ihr Blut dort mit UV-Strahlen haben bestrahlen lassen,
schon jetzt gelungen, die blutige Angelegenheit zur Glaubensfrage zu
machen.
Es wird ernsthaft in Frage gestellt, ob die Erfurter Methode, die mit
Mitteln des Bundesinnenministeriums bezahlt wurde, vielleicht doch erlaubt
war in den Jahren, in denen der Vorgang der Entnahme und des anschließenden
Reinfundierens von Blut nicht explizit verboten war – obwohl es
einschlägige Sportgerichtsurteile gibt, obwohl die Welt-Anti-Doping-Agentur
(Wada) sich unmissverständlich geäußert hat,
Der Kampf gegen Doping ist auch ein Kampf um die öffentliche Meinung. Der
ist für die Dopingjäger oft schon verloren, wenn die juristische Aufklärung
eines Falls noch läuft. Wenn sie etwa Sportler allein anhand von
Indizienbeweisen überführen wollen, werden allzu schnell Zweifel laut, wie
der Fall Claudia Pechstein illustriert: Lange bevor sie Ärzte und
Wissenschaftler präsentieren konnte, die ihr einen genetischen Defekt
attestierten, der für den erhöhten Anteil von Retikulozyten in ihrem Blut
verantwortlich sein soll, hatte sie erfolgreich Zweifel gesät.
Dabei ging es ihr nicht allein darum, die Sportgerichte von ihrer Unschuld
zu überzeugen, sondern auch das Sportpublikum. Als der internationale
Sportgerichtshof die Sperre der Eisschnellläuferin bestätigte, hatte
Pechstein längst einen Teil der Sportfans hinter sich geschart.
## Nada-Etat liegt bei 6,5 Millionen im Jahr
„Der juristische Bereich wird immer größer“, sagt Lars Mortsiefer, der
Chefjustiziar der Nada. „Indizienprozesse müssen wasserdicht sein.“ Und sie
sind teuer. Eine Niederlage kann sich die notorisch unterfinanzierte
Stiftung kaum leisten. Auch deshalb fordert sie trotz scheinbar klarer
Rechtslage noch ein Gutachten an, um die Frage klären zu lassen, ob das,
was in Erfurt mit Athletenblut gemacht wurde, Doping war.
Wäre die Nada ein finanziell kräftiger Akteur in der deutschen
Sportlandschaft, die Affäre Erfurt wäre wahrscheinlich längst ein
veritabler Dopingskandal. Doch der Nada-Jahresetat beträgt nur etwas mehr
als 6,5 Millionen Euro. Etwa 3 Millionen Euro davon zahlt das
Innenministerium. 1,9 Millionen Euro kommen von den Sportorganisationen,
die die Nada direkt bezuschussen und für die erbrachten Leistungen wie
Kontrollen oder Ergebnismanagement bezahlen.
Die Sportverbände leiten dabei vor allem Mittel um, die ihnen das
Innenministerium aus dem Topf für Spitzensportförderung zahlt. Die
Wirtschaft zahlt hingegen mit wenigen Ausnahmen (Adidas und die
Bundesvereinigung der Apothekerverbände) nichts für den organisierten
Anti-Doping-Kampf der Nada.
Dabei war diese 2002 als so genanntes Stakeholder-Modell gegründet worden:
Staat, Sport und Wirtschaft sollten gemeinsam eine unabhängige Organisation
zur Bekämpfung von Doping unterhalten. Dass dieses Modell mangels
Beteiligung der Wirtschaft gescheitert ist, war lange klar, bevor zu
Jahresbeginn bekannt wurde, dass der Nada-Etat eine Deckungslücke von 1,3
Millionen Euro aufweist.
## Förderung gestrichen
Innenminister Hans-Peter Friedrich mahnte vor allem die Wirtschaft zu
verstärktem Engagement und tat dabei so, als sei der Staat allein mit der
Finanzierung des Anti-Doping-Kampfs überfordert. Gleichzeitig stellt er dem
Spitzensport über den DOSB in diesem Jahr aus seinem Haus 132 Millionen
Euro zur Verfügung. Eine gewaltige Summe in Zeiten von Sparrunden und
Haushaltsdisziplin.
Zwar gibt es für den Hochleistungssport 1 Million weniger als im Vorjahr,
aber beispielsweise satte 6 Millionen mehr als im Olympiajahr 2008. Statt
auch der Nada mehr Geld zu bewilligen, streicht das Innenministerium einen
Teil der Förderung – es geht um 1 Million Euro – und sorgt damit selbst f�…
das Defizit, das ihr Minister derzeit so beklagt.
Rigide Anti-Doping-Maßnahmen, wie sie Thomas Bach nun angekündigt hat, wird
die Nada vielleicht bald nicht mehr stemmen können. Längst wird darüber
diskutiert, ob alle 30 Mitarbeiter der Stiftung in Bonn ihren Arbeitsplatz
behalten können oder ob es einen massiven Rückgang der Kontrollen geben
wird.
Der Sport wird das bedauern. Denn die Dopingproben haben – weil durch sie
kaum ein Spitzensportler zu überführen ist – längst eine Art
Feigenblattfunktion. Mit der hohen Zahl der negativen Testergebnisse können
die Sportorganisationen behaupten, ihre Wettbewerbe seien zum Großteil
überaus sauber. Dabei wissen sie ganz genau, dass all die negativen Tests
nicht allzu viel sagen über den Einsatz von verbotenen Mitteln und
Methoden.
## Im Urin nicht zu finden
2010 haben von der Wada akkreditierte Labors 258.267 Dopingproben
analysiert. Darunter waren nicht viel mehr als 5.000 Blutproben. Kein
Wunder, dass in jenem Jahr nur drei Athleten die Einnahme von
Wachstumshormonen nachgewiesen werden konnte. Die lassen sich im Urin nicht
finden.
John Fahey, der Präsident der Wada, sagte in der vergangenen Woche am Rande
eines Anti-Doping-Symposiums in Lausanne beinahe schon resigniert: „Wer
Wachstumshormone nimmt, kommt davon.“ Nicht nur das spricht dafür, dass der
weltweit organisierte Kampf gegen Doping, der mit der Gründung der Wada im
Jahr 2004 so hoffnungsvoll begonnen hat, ebenso vor dem Scheitern stehen
könnte wie das Stakeholder-Modell der Nada in Deutschland.
192 Länder haben die Unesco-Konvention gegen Doping im Sport unterzeichnet.
Dagegen gibt es lediglich 33 Labors weltweit, die von der Wada als
Analyseeinrichtungen anerkannt sind. Vielleicht muss man sich nicht
wundern, dass die Wada nicht mehr erforschen will, warum Sportler dopen.
Die Bildungsabteilung der Organisation hat Wissenschaftler aufgerufen,
Papiere einzureichen, die sich mit der Frage beschäftigen, welche Gründe es
geben dafür könnte, dass ein Sportler nicht zu Dopingmitteln greift.
1 Apr 2012
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Claudia Pechstein
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