# taz.de -- Daily Dope (553): Ganz präzise Verbote | |
> Entgegen bisherigen Einschätzungen erklärt die Wada: Blutbehandlung durch | |
> UV-Bestrahlung war bis Ende 2010 rechtens. Einst Verurteilte fühlen sich | |
> rehabilitiert. | |
Bild: Die UV-Behandlung von Sportlerblut war nun doch bis 2010 erlaubt. Verurte… | |
Für die Nada ist die Sache klar. Nach der „finalen Einschätzung“ der | |
Welt-Anti-Doping-Agentur sei die Behandlung von Sportlerblut durch | |
UV-Strahlen, wie sie am Erfurter Olympiastützpunkt praktiziert worden ist, | |
erst seit dem 1. Januar 2011 verboten. | |
So hat es die Nationale Anti-Doping-Agentur mitgeteilt und erklärt, dass | |
sie die Sportler, die sich vor diesem Stichtag von Andreas Franke in Erfurt | |
haben behandeln lassen, nicht verfolgen wird. Mit einer Pressemitteilung | |
ist die Causa Erfurt zusammengeschrumpft. | |
War bis vor kurzem noch von einem der größten Dopingskandale in der | |
deutschen Geschichte, in den 30 Sportler verwickelt sein sollten, | |
gesprochen worden, und auch der Staat als Dopingfinanzier in die Kritik | |
geraten, werden nun nach der neu definierten Rechtslage lediglich drei | |
Sportler sanktioniert, die nach 2010 in Erfurt ihr Blut haben bestrahlen | |
lassen. | |
Wie kommt’s? Hatte nicht David Howman, der Generalsekretär der Wada, im | |
Februar noch gesagt: „Es ist überhaupt keine Frage, dass es sich hier um | |
eine verbotene Methode handelt. Nach den Informationen, die wir bis jetzt | |
aus Deutschland haben, deutet alles auf Blutdoping hin.“ | |
## Glasklar festgestellt | |
Hat die Wada neue Informationen bekommen, nach der die eindeutige | |
Einschätzung vom Februar korrigiert werden muss? Howman hatte damals | |
glasklar festgestellt, dass „der Gebrauch von Blut“ seit sieben Jahren | |
verboten ist – nach Artikel M 1.1 der Wada-Verbotsliste. | |
Kritiker dieser Sichtweise, wie das Management der Eisschnellläuferin | |
Claudia Pechstein, in deren Dopingfall die Staatsanwaltschaft München | |
ermittelt hat und dabei auf die Erfurter Methode gestoßen war, hatten | |
angemerkt, dass dieses Verbot unter der Überschrift „Verbesserung des | |
Sauerstofftransports“ in der Verbotsliste steht. Eine solche sei aber durch | |
die UV-Methode nicht gegeben. | |
In der Tat hatte die Wada ihre Verbotslisten 2011 verändert, um derartige | |
Interpretationen auszuschließen. Man sprach damals von einer Präzisierung | |
und wollte in der Prohibited List ausdrücklich erwähnen, was als verboten | |
zu gelten hat. Ein zusätzlicher Paragraf wurde in das Regelwerk | |
aufgenommen. | |
Unter der Überschrift „Chemische und Physikalische Manipulation“ ist nun in | |
Punkt M 2.3 explizit die Entnahme und das Rückführen von Blut in welcher | |
Menge auch immer als verboten markiert. Auf diesen Paragrafen hebt die Nada | |
auch in ihrer Pressemitteilung ab. | |
## Wada-Vize überrascht | |
In der heißt es auch: „Zu Rate gezogen wurden alle Gremien der Wada.“ Dazu | |
sollte in jedem Fall das Komitee für Gesundheit, Medizin und Forschung | |
gehören. Dessen Vorsitzender, Arne Ljungkvist, der auch den Posten des | |
Vizepräsident der Wada bekleidet, zeigte sich auf Nachfrage des | |
Deutschlandfunks indes überrascht über die Wada-Volte. „Dieser spezielle | |
Fall ist in meinem Komitee in den letzten Monaten und auch davor gar nicht | |
behandelt worden“, sagte er. | |
Er wolle sich jetzt erst einmal auf die Suche nach der Wada-Stellungnahme | |
machen, mit der die Nada in ihrer Mitteilung argumentiert habe. Auch | |
Ljungkvist hatte nach Bekanntwerden der Erfurter Blutbehandlungen eindeutig | |
Stellung bezogen und diese als verboten bezeichnet. | |
Derweil freut sich der österreichische Langlauftrainer Walter Mayer bereits | |
auf seine bevorstehende Rehabilitierung. Bei den Olympischen Spielen 2002 | |
in Salt Lake City waren im Quartier von Österreichs Langläufern und | |
Biathleten Spritzbesteck und Blutbeutel gefunden worden. | |
Schnell war klar, dass Sportlern Blut entnommen und nach einer | |
UV-Behandlung wieder zugeführt worden war. Nichts anderes geschah später in | |
der Praxis von Andreas Franke in Erfurt. Nach dieser „Blutbeutel-Affäre“ | |
wurde Mayer vom Internationalen Olympischen Komitee zur Persona non grata | |
erklärt und von den nächsten Winterspielen ausgeschlossen. | |
Jetzt sitzt der wortgewaltige Salzburger in seiner steirischen Heimat und | |
poltert. „Mir wurde die Existenz zerstört, und jetzt stellt sich heraus, | |
dass das alles nicht strafbar war? Wenn ich das Geld hätte, würde ich das | |
IOC neuerlich verklagen“, sagt er der Kleinen Zeitung. | |
## Sportgerichtshof hatte schon entschieden | |
Dass das oberste Schiedsgericht des Sports, der Internationale | |
Sportgerichtshof CAS in Lausanne, bereits einmal entschieden hat, dass es | |
sich bei der UV-Methode um Doping handelt, das ließ Mayer, der sich seit | |
Jahren als Opfer inszeniert, unerwähnt. | |
2003 stellt der CAS unmissverständlich fest, dass es sich immer um Doping | |
handelt, wenn mit entnommenem Blut herumhantiert wird. Dieses Urteil müsste | |
deutschen Spitzensportlern eigentlich bekannt sein und sie von der | |
Anwendung derartiger Praktiken abschrecken. | |
Zumal ihr oberster Funktionär Thomas Bach, der Präsident des Deutschen | |
Olympischen Sportbundes und IOC-Vize, der seinerzeit die olympische | |
Aufklärungskommission gegen Mayer leitete, bei der Urteilsverkündigung | |
gegen den Österreicher von einem „großen Schlag gegen Doping“ sprach. Ein… | |
solchen wird es in Deutschland nun wohl nicht geben. | |
30 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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