| # taz.de -- Architektur-Visionen: Ein Haus aus künstlichem Fleisch | |
| > Möbel und Häuser aus Algen, Pilzen oder Fleisch. Synthetische Biologie | |
| > könnte die Architektur revolutionieren – einfacher als man denkt. | |
| Bild: Ein Anhänger der Architektur-Avantgarde beim Baumaterialtest. | |
| LONDON dpa | Aus Pilzen gezüchtete Stühle, Betten aus Algen, ein ganzes | |
| Haus aus künstlich erzeugtem Fleisch – was absurd klingt, ist für Mitchell | |
| Joachim Realität von morgen. So nämlich sieht für den US-Amerikaner das | |
| Eigenheim der Zukunft aus. | |
| Biologisch abbaubar soll es sein, die Möbel allesamt selbst angepflanzt. | |
| Joachim, unter anderem Professor für Architektur an der New York | |
| University, ist sich sicher: „In den nächsten hundert Jahren werden wir | |
| neue Lösungen für Innenarchitektur finden.“ | |
| Und auch Saskia Sassen, Stadtsoziologin an der Columbia University, glaubt, | |
| dass wir in Zukunft das Potenzial unserer Biosphäre nutzen sollten, anstatt | |
| Dinge in Fabriken zu produzieren. „Die Revolution, die sich momentan im | |
| Wohnungsbau, Ingenieurwesen und der Architektur vollzieht, ist | |
| außergewöhnlich“. Wie Joachim hatte die US-Amerikanerin ihre Ideen kürzlich | |
| bei der Tagung [1][DLDcities:Visionen vom Leben in der Megastadt], | |
| organisiert von der Verlagsgruppe Burda, in London vorgestellt. | |
| Joachims Vision heißt „Bio-Synchrone Architektur“. Er glaubt, dass wir in | |
| Zukunft unsere Möbel selbst anbauen werden. Biologie wird dann Technologie | |
| sein und Massenproduktionen aus China werden der Vergangenheit angehören. | |
| An ihre Stelle treten individuell gefertigte Gegenstände aus Algen oder | |
| Pilzen, meint der Experte. Eine Rückkehr zu unseren Wurzeln soll das nicht | |
| werden. „Mit synthetischer Biologie könnten wir fortschrittlicher denn je | |
| sein.“ | |
| Wie aber lässt sich ein Stuhl aus Pilzen züchten? Joachim kann das einfach | |
| erklären: „Man setzt Biologen mit Architekten zusammen, wählt die Form | |
| eines Stuhls, macht daraus einen Abguss und lässt in diesem Algen wachsen. | |
| Dann stabilisiert man das ganze mit einer stärkenden Substanz. Das ist für | |
| jeden Gegenstand denkbar.“ | |
| ## Kaputte Gegenstände als Nahrungsmittel | |
| Es gibt bereits eine Firma, die Verpackungsmaterial aus Pilzen herstellt. | |
| Für Joachim hat das nur Vorteile: Häuser, etwa aus lebenden Pflanzen | |
| gebaut, Kohlenstoffdioxid in Sauerstoff umwandeln. Daneben könnten kaputte | |
| Gegenstände anderen Spezien als Nährstoffe dienen. | |
| In der nahen Zukunft wird das jedoch so schnell nicht der Fall sein, gibt | |
| der Experte zu. Er schätzt, dass es 40 bis 50 Jahre dauern wird, bis sich | |
| Veränderungen in der Architektur bemerkbar machen. Das hat praktische | |
| Gründe: „Menschen, die heute in Häusern leben, erwarten, dass ihre Türen, | |
| Fenster und Dächer für die nächsten 30 oder 40 Jahre halten. Sie werden sie | |
| vorher nicht austauschen.“ | |
| Saskia Sassens Visionen beziehen sich vor allem auf die konkreten | |
| Herausforderungen, die bereits heute das Leben in Megastädten beeinflussen. | |
| Sie spricht vor allem von den Riesenmetropolen auf der Südhalbkugel – | |
| Indien, Mexiko, Brasilien. | |
| ## „Mit der Natur arbeiten“ | |
| Boomende Einwohnerzahlen, Slumbildung, drastisch zunehmender Verkehr, | |
| Trinkwassermangel: bei fortschreitender Urbanisierung der Weltbevölkerung | |
| werden das in Zukunft einige der größten Herausforderungen sein. Einer | |
| ihrer Lösungsansätze: „Wir müssen in Zukunft mit der Natur arbeiten, | |
| anstatt uns vor ihr zu schützen.“ | |
| Und während sich Städte und Technologien in einem immer rasanteren Wandel | |
| befinden, werden sich auch der Mensch und seine Bedürfnisse ändern. „Das | |
| größte Verlangen wird die Verbindung zu anderen Menschen sein, wir werden | |
| eine immer konstantere Kommunikation haben“, vermutet Joachim. | |
| Trotz oder sogar wegen dieser Entwicklung wird schließlich ein anderes | |
| Bedürfnis immer mehr in den Vordergrund rücken – sich gelegentlich | |
| abzukoppeln und Ruhe zu finden in einem geschützten Raum. Egal, ob dieser | |
| dann aus Stahl und Beton oder aus Algen und Fleisch besteht. | |
| 26 Sep 2012 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.dld-conference.com/events/event/dldcities-12_news-detail_aid_330… | |
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