| # taz.de -- Polizeiforscher Hartmann über künsltiche DNA: "Gleichauf mit Wach… | |
| > Der Einsatz künstlicher DNA in Bremen führte nicht zu weniger Einbrüchen. | |
| > Der Leiter des Instituts für Polizei- und Sicherheitsforschung ist | |
| > trotzdem zufrieden. | |
| Bild: Erfolglos, aber irgendwie trotzdem gut: künstliche DNA. | |
| taz: Herr Hartmann, was waren die Schwerpunkte Ihrer Evaluation zum Bremer | |
| Pilotprojekt, in dem die Polizei drei Jahre lang den Einsatz künstlicher | |
| DNA getestet hat? | |
| Arthur Hartmann: Sie umfasste die Untersuchung bereits durchgeführter | |
| Studien zur Wirkung der kDNA, die Befragung der Bevölkerung in den | |
| Pilotregionen und die Befragung von Gefangenen in der JVA Uelzen und der | |
| JVA Bremen. Bei der Bevölkerungsbefragung sind von knapp 3.500 Fragebögen | |
| 484 Stück zurückgekommen, und hier hat sich vor allem gezeigt, dass sich | |
| die beteiligten Bürgerinnen und Bürger von der Polizei sehr gut informiert | |
| gefühlt haben. Von den Gefangenen hat knapp die Hälfte angegeben, dass die | |
| kDNA eine abschreckende Wirkung auf sie hat. Damit liegt sie etwa gleichauf | |
| mit Videoüberwachung, Alarmsicherung und Wachhunden. Außerdem haben wir | |
| keine wissenschaftlich abgesicherte Studie gefunden, die die Wirksamkeit | |
| der kDNA anhand des Rückgangs von Einbruchzahlen unter Beweis stellt – | |
| allerdings gibt es auch keinen wissenschaftlichen Beweis für das Gegenteil. | |
| Die Grundlagen für das Projekt beruhten lediglich auf Angaben von | |
| Herstellern künstlicher DNA – ist das nicht ein bisschen dürftig? | |
| Aus wissenschaftlicher Sicht wäre es natürlich wünschenswert, solche Zahlen | |
| vorab zu prüfen. Wobei ich sagen muss, dass meines Wissens auch englische | |
| Polizisten diese Zahlen für England mehr oder weniger bestätigt haben. | |
| Die Rechtslage in England ist aber eine andere als hier. | |
| Naja, aber auch dort muss sicher ein Tatverdacht vorliegen. Aber die | |
| Zuordnung, was Polizei machen darf und wann es zum Beispiel | |
| Gerichtsvorbehalte gibt, ist in England im Detail tatsächlich anders | |
| geregelt und könnte dazu führen, dass sich die Einsatzmöglichkeiten dort | |
| anders darstellen. | |
| Warum startet man dennoch ein solches Projekt? | |
| Wir haben in Deutschland weithin noch nicht die Kultur, dass man im | |
| sozialwissenschaftlichen Bereich sagt: Wir investieren vorher in die | |
| wissenschaftliche Vorbereitung und gestalten Projekte so, dass sie gut | |
| evaluiert werden können. Und das ist nicht nur bei der Polizei so. Immerhin | |
| haben wir, anders als noch vor 20 Jahren – da war Evaluation ein Fremdwort | |
| – inzwischen wenigstens die Situation, dass irgendwann gesagt wird: Es | |
| müsste doch eine Evaluation stattfinden. | |
| Wann war dieser Zeitpunkt innerhalb des Pilotprojekts erreicht? | |
| Durch einen Artikel in der Zeit im Herbst 2010 ist die Zahlenbasis, auf die | |
| sich die Polizei gestützt hat, sehr stark in Frage gestellt worden, und ich | |
| denke, daraufhin hat sich die Polizei entschlossen, diesen Punkt genauer zu | |
| durchleuchten. Abgesehen davon möchte ich aber deutlich sagen: Wie sich das | |
| Projekt entwickelt hat, ist ein großer Erfolg. Die Bildung von | |
| Bürgerinitiativen, die Zusammenarbeit zwischen ihnen und der Polizei und | |
| die Sensibilisierung für das, was bei den Nachbarn geschieht: All das wäre | |
| ohne den „Kristallisationspunkt“ der künstlichen DNA ja gar nicht | |
| geschehen. | |
| Mittlerweile gibt es 135 dieser Bürgerinis, die kDNA verwenden. Besteht | |
| nicht die Gefahr, dass manche MitbürgerInnen diese Initiativen mit | |
| Bürgerwehren verwechseln könnten? | |
| Nein, denn eine Bürgerwehr entwickelt sich meist gegen die Polizei, während | |
| sich die Initiativen ja gemeinsam mit der Polizei gegründet haben, und das | |
| soll auch so bleiben. Das staatliche Gewaltmonopol wird durch sie nicht in | |
| Frage gestellt. Abgesehen davon dürfen sich Privatpersonen im Rahmen des | |
| Notwehr-Rechts ohnehin wehren, und das betrifft auch ihr Eigentum. | |
| Allerdings ist das Notwehr-Recht zeitlich eng begrenzt, denn es darf nur | |
| angewendet werden, solange der Täter das Rechtsgut beeinträchtigt. Sobald | |
| er sich zur Flucht wendet, endet es, es sei denn, er führt noch Beute bei | |
| sich. | |
| Ein weiterer Grund gegen die ohnehin schon umstrittenen „DNA-Duschen“? | |
| Hinsichtlich der Notwehr hängt eine Rechtfertigung von den konkreten | |
| Umständen ab. Aber es gibt noch andere Aspekte, die den Einsatz der Duschen | |
| rechtfertigen können, zum Beispiel Paragraph 127 Abs. 1 StPO oder auch das | |
| allgemeine Selbsthilferecht nach Paragraph 229 BGB. In der juristischen | |
| Literatur ist der Einsatz solcher Sprühanlagen eine strittige Frage. | |
| Gilt das auch für die Spuckschutzhauben, die als neuestes Projekt ein Jahr | |
| lang in Bremen getestet werden sollen? | |
| Ich habe mich damit noch nicht genauer auseinandergesetzt, aber deren | |
| Einsatz ist sicher nicht unproblematisch. Prinzipiell könnte man sagen: | |
| Wenn es zur Situation des Anspuckens kommt, dann stünde auch der Polizei | |
| das persönliche Notwehr-Recht zu. Das heißt aber: Es müsste unmittelbar | |
| erkennbar sein, dass der Verdächtige sofort spucken wird. Wenn er zum | |
| Beispiel schon einmal, und sei es vor ein paar Sekunden, gespuckt hat, | |
| rechtfertigt das allein keine Notwehr, denn das heißt nicht, dass er es | |
| gleich noch mal tun wird. Das müsste sich schon konkret abzeichnen, und das | |
| jeweils zu erkennen, stelle ich mir im Einsatz kaum umsetzbar vor. | |
| Außerhalb der Notwehr-Situation sind polizeiliche Eingriffe an das | |
| Polizeirecht und damit an das unmittelbare Zwangsgesetz Bremens gebunden. | |
| Da müsste man prüfen, ob eine Rechtsgrundlage vorliegt. Wenn nicht, wären | |
| Spuckschutzhauben nur zulässig, wenn die Bürgerschaft die Polizei mit einer | |
| entsprechenden Rechtsgrundlage ausstattet. | |
| Also ein Projekt, das auf ähnlich wackeligen Füßen steht wie die künstliche | |
| DNA ... | |
| Sollten das Polizei- und unmittelbare Zwangsgesetz die Maßnahme nicht | |
| hergeben, dann ja. Als Wissenschaftler plädiere ich dafür, Maßnahmen auf | |
| einer sicheren rechtlichen und empirischen Grundlage umzusetzen und sich | |
| dafür die nötige Zeit zu nehmen. | |
| 19 Sep 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Simone Schnase | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Architektur-Visionen: Ein Haus aus künstlichem Fleisch | |
| Möbel und Häuser aus Algen, Pilzen oder Fleisch. Synthetische Biologie | |
| könnte die Architektur revolutionieren – einfacher als man denkt. | |
| Wunderliche Mittel: Bürger sind begeistert | |
| Der Einsatz künstlicher DNA beeindruckt Bremens Einbrecher zwar nicht | |
| sonderlich, dafür aber 135 Bürgerinitiativen. | |
| Polizei in Bremen: Täter kriegen Spuckschutzhauben | |
| Bremen will ein Jahr lang den Einsatz sogenannter Spuckschutzhauben bei | |
| Festnahmen testen. Die Frage ist nur, welches Modell zum Einsatz kommt. | |
| Synthetische DNA gegen Diebe: Spur auf deiner Haut | |
| In Bremen verteilt die Polizei im Kampf gegen Diebstahl eine | |
| Markierungsflüssigkeit, mit der Gegenstände eindeutig gekennzeichnet | |
| werden. Die neue Technologie soll die Einbruchsraten senken | |
| Kriminalität: Das DNA-Geschenk | |
| Mit einer Gratis-Verteilaktion an Neustädter Haushalte wirbt die Polizei | |
| zum ersten Mal in Deutschland für den Kauf synthetischer DNA zur | |
| Diebstahlsicherung. |