# taz.de -- Wunderliche Mittel: Bürger sind begeistert | |
> Der Einsatz künstlicher DNA beeindruckt Bremens Einbrecher zwar nicht | |
> sonderlich, dafür aber 135 Bürgerinitiativen. | |
Bild: Für DNA-Fans gibt's Aufkleber. | |
Ein „Wundermittel“: So nannte 2009 Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) die | |
künstliche DNA (kDNA). Drei Jahre nach Start des Pilotprojekts, in dessen | |
Rahmen die Bremer Polizei zum Schutz vor Einbrechern künstliche DNA | |
eingesetzt hat, präsentierten Projektleiter Uwe Schröter und | |
Polizeipräsident Lutz Müller gestern das ernüchternde Ergebnis: Die Zahl | |
der Einbrüche ist nicht entscheidend zurückgegangen, und nur drei von ihnen | |
sind seit Beginn des Projekts mit Hilfe von kDNA aufgeklärt worden. | |
Dabei lagen dem Projekt Zahlen zu Grunde, die aufhorchen ließen: In den | |
Niederlanden und in Großbritannien sei durch kDNA, einer individualisierten | |
Flüssigkeit, die erst unter UV-Licht sichtbar wird und zur Markierung von | |
Wertgegenständen verwendet wird, die Anzahl der Diebstahlsdelikte um | |
fünfzig bis achtzig Prozent zurückgegangen. „Wir haben“, sagt Arthur | |
Hartmann vom [1][Institut für Polizei- und Sicherheitsforschung], „trotz | |
umfangreicher Recherche keinen einzigen wissenschaftlichen Beweis für diese | |
Zahlen gefunden.“ Denen hätten ausschließlich Informationen von | |
kDNA-Herstellerfirmen zu Grunde gelegen. | |
Hartmann, der an einer Projekt-Studie mitgearbeitet hat, sagt auch: „Es | |
gibt keinen wissenschaftlichen Beweis für die Wirksamkeit von kDNA.“ Das | |
bestätigen die von der Polizei präsentierten Zahlen: Nachdem die | |
Einbruchsdiebstähle aus Wohnungen von 2.908 im Jahr 2009 innerhalb eines | |
Jahres auf 2.263 zurückgingen, stiegen sie im vergangenen Jahr wieder an. | |
Die Anzahl der Einbrüche in Schulen und Kitas ist seit dem Einsatz der kDNA | |
zurückgegangen – allerdings nur in Bremerhaven. In Bremen liegt sie wieder | |
auf dem Niveau von 2009. „Wir haben festgestellt, dass wir die erhoffte | |
Flächenwirkung nicht erreicht haben“, sagt Müller.Dennoch will Bremen am | |
Einsatz von kDNA festhalten, denn im Rahmen des Projekts hat die Polizei | |
AnwohnerInnen in Bremen-Nord zur Bildung von Bürgerinitiativen ermutigt. | |
Die können sich einerseits kDNA-Kits kaufen, bestehend aus Warnschildern, | |
Aufklebern und natürlich der künstlichen DNA, zum anderen bekommen sie von | |
der Polizei Präventions- und Verhaltensschulungen. | |
135 solcher Inis gibt es bereits, nicht nur in Bremen-Nord, „und wir | |
hoffen, dass es noch mehr werden“, sagt Schröter. Dabei sei die kDNA aber | |
nur ein Hebel, denn die vorliegenden Zahlen über die Rückläufigkeit von | |
Einbrüchen in diesen Bezirken „sagt nichts über den Grund aus: Liegt es an | |
der kDNA, der Abschreckung durch Warnschilder, der Prävention oder der | |
Ermittlungsarbeit?“ | |
Die Projekt-Studie bestätigt, dass allein der Einsatz von kDNA nur leicht | |
abschreckend wirkt. Das hat eine Befragung von 150 Gefangenen der JVA | |
Bremen und Uelzen ergeben. „Aber: Die Initiativen helfen dabei, Anonymität | |
in der Nachbarschaft aufzuheben“, sagt Schröter. | |
Ein Misserfolg sind auch die „DNA-Duschen“, also kDNA-Sprühanlagen: | |
Insgesamt sind in Bremen sechs Stück verbaut worden, vier in Tankstellen, | |
eine im Bremer Casino und eine in einer Bank – und zum Einsatz gekommen ist | |
noch keine. Der Grund dafür könnte in der Unklarheit darüber liegen, | |
inwiefern die Dusche, die bei einem Einbruch den Verdächtigen mit der bis | |
zu sechs Wochen haltbaren Substanz besprühen kann, überhaupt Verwendung | |
finden darf: DatenschützerInnen hielten nach der Installation der ersten | |
Vorrichtungen das Besprühen von Menschen mit kDNA für einen Eingriff in das | |
Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und das versehentliche | |
Markieren für einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Die | |
Diskussion hatte zur Folge, dass die Polizei die „Schirmherrschaft“ für das | |
Aufstellen der Duschen übernahm. Die Betreiber müssen seither die Anlage | |
nach bestimmten Kriterien anbringen, ihre Mitarbeiter schulen, an | |
Präventionsveranstaltungen teilnehmen und Warnschilder aufstellen. | |
„Die Anlagen sind schlichtweg zu teuer“, begründet indes Lutz Müller das | |
mangelnde Interesse an den Sprühanlagen, von denen das Stück zwischen zwei- | |
und dreitausend Euro kostet. „Die Anlagen sind ganz klar kein Schwerpunkt | |
des Projekts. Wir setzen da mehr auf vernünftige Videoüberwachung.“ | |
11 Sep 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.ipos.bremen.de | |
## AUTOREN | |
Simone Schnase | |
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