| # taz.de -- Die Schweiz und die EU: Illusionen und Skepsis | |
| > In der Schweiz wird das geplante Rahmenabkommen mit der EU heftig | |
| > debattiert. Nicht wenige hoffen, dass die neue EU-Kommission | |
| > Entgegenkommen zeigt. | |
| Bild: So idyllisch sind die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU derzeit… | |
| Wie wird sich das Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU unter der | |
| künftigen Kommissionsvorsitzenden Ursula von der Leyen entwickeln? Über | |
| diese Frage wird in der Alpenrepublik derzeit kräftig spekuliert. Die | |
| Diskussion dreht sich insbesondere um das institutionelle Rahmenabkommen, | |
| über das Bern und Brüssel bereits seit 2014 verhandeln. | |
| Mit dem Rahmenabkommen sollen die wirtschafts- und handelsrelevanten | |
| Verträge angepasst werden, die die Schweiz seit 1972 mit der EU | |
| beziehungsweise ihren Vorgängern abgeschlossen hat. Sie sollen einem | |
| gemeinsamen Streitschlichtungsmechanismus unterstellt werden. | |
| Einen EU-Beitritt hat die Mehrheit der politischen Parteien der Schweiz und | |
| die Bevölkerung bislang immer abgelehnt. Selbst der von Regierung und | |
| Parlament bereits beschlossene Beitritt der Schweiz zum Europäischen | |
| Wirtschaftsraum, zu dem neben den EU-Mitgliedern auch Norwegen, | |
| Liechtenstein und Island gehören, scheiterte. Er wurde 1992 in einer von | |
| der rechtspopulistischen und grundsätzlich europafeindlichen Schweizer | |
| Volkspartei (SVP) durchgesetzten Volksabstimmung abgelehnt. Stattdessen | |
| vereinbarten Bern und Brüssel 1999 zunächst sieben Abkommen zu den | |
| Bereichen Personenfreizügigkeit, Abbau von technischen Handelshemmnissen, | |
| gegenseitiger Zugang zu öffentlichen Aufträgen, Handel mit | |
| landwirtschaftlichen Erzeugnissen, Forschung, Luftverkehr, Landverkehr. | |
| Verknüpft sind die sieben Abkommen mit einer Guillotineklausel: Kündigt die | |
| Schweiz ein Abkommen, entfallen automatisch auch alle anderen. Damit wollte | |
| sich die EU gegen ein Rosinenpicken der Schweiz absichern, nachdem sie ihr | |
| das Recht eingeräumt hatte, die Bevölkerung nach sieben Jahren erneut über | |
| die Personenfreizügigkeit abstimmen zu lassen. Insgesamt regeln inzwischen | |
| über 120 bilaterale Verträge die Beziehungen der Schweiz mit der EU. Nur | |
| wenige davon betreffen allerdings den gegenseitigen Marktzugang, um den es | |
| bei dem angestrebten Abkommen geht. | |
| ## Seit November 2018 liegt ein ausgehandelter Entwurf vor | |
| Die Brüsseler Kommission will damit eine weitergehende Anpassung der | |
| Schweiz an die innerhalb der EU geltenden Bestimmungen erreichen sowie | |
| einen Streitschlichtungsmechanismus, bei dem der Europäische Gerichtshof | |
| das letzte Wort hätte. Der Schweiz geht es in erster Linie um einen | |
| verbesserten Zugang zum EU-Markt. | |
| Seit November 2018 liegt ein zwischen Brüssel und dem Schweizer | |
| Außenministerium ausgehandelter Entwurf für das Rahmenabkommen vor. Doch | |
| die Gesamtregierung (Bundesrat) verweigerte im Juni die endgültige | |
| Zustimmung. Die SVP, derzeit noch stärkste Partei im Parlament, lehnt ein | |
| Rahmenabkommen grundsätzlich ab, weil es die Schweiz angeblich „fremden | |
| Richtern“ unterwerfen würde. | |
| Gewerkschaften, Sozialdemokraten und Grüne wollten die von der EU | |
| abgelehnten Maßnahmen zum Schutz des hohen Schweizer Lohnniveaus | |
| beibehalten. Darunter etwa, dass sich ausländische | |
| Dienstleistungsunternehmen oder Handwerker acht Tage vorher anmelden | |
| müssen, bevor sie in der Schweiz tätig werden dürfen. | |
| Die europapolitische Debatte in der Alpenrepublik hat sich in den letzten | |
| Jahren völlig auf das Rahmenabkommen verengt. Frühere BefürworterInnen | |
| eines EU-Beitritts insbesondere bei Sozialdemokraten und Grünen haben diese | |
| Position entweder aufgegeben oder halten sich derzeit zurück. | |
| ## Die EU macht der Schweiz Druck | |
| Um Druck auf die Schweiz zu machen, das Rahmenabkommen endlich abzusegnen, | |
| verlängerte die EU-Kommission die Ende Juni ausgelaufenen Regeln zur | |
| Gleichbehandlung der Schweizer Börse nicht. In der Folge dürfen EU-Händler | |
| Aktien von Schweizer Unternehmen, die auch an EU-Börsen notiert sind, seit | |
| dem 1. Juli nicht mehr an der Schweizer Börse handeln. Im Gegenzug hat | |
| Schweiz den Handel mit Schweizer Aktien in der EU unterbunden. | |
| Unter eidgenössischen PolitikerInnen und in den Medien ist die Mär | |
| verbreitet, der noch amtierende Kommissionschef Jean-Claude Juncker sei | |
| „keine Freund der Schweiz“ und verantwortlich für die angeblich | |
| „kompromisslose Haltung der EU beim Rahmenabkommen“. Entsprechend richten | |
| sich nun Hoffnungen auf von der Leyen. Sie sei „der Schweiz wahrscheinlich | |
| freundlich gesinnt – jedenfalls eher als Manfred Weber“, meint der | |
| SVP-Außenpolitiker Roland Büchel. Der Zürcher Tagesanzeiger ist eher | |
| skeptisch. Von der Leyen gelte „als überzeugte Verfechterin der | |
| europäischen Integration. Für Schweizer Sonderwünsche dürfte sie also nicht | |
| unbedingt offene Ohren haben.“ | |
| Möglich scheint nach aktuellen Umfragen derzeit eher, dass die Schweizer | |
| Parlamentswahlen am 20. Oktober zu neuen Machtverhältnissen in Bern führen | |
| – und in der Folge auch zu einer veränderten Haltung gegenüber der EU und | |
| mit Blick auf das Rahmenabkommen. | |
| 30 Jul 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Zumach | |
| ## TAGS | |
| Schweiz | |
| EU-Kommission | |
| Europäische Union | |
| Schweiz | |
| Schweiz | |
| EU | |
| Schweiz | |
| Schweiz | |
| Ursula von der Leyen | |
| Schweiz | |
| Datenschutz | |
| EU-Kommission | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Geplatzter Vertrag von EU und Schweiz: Déjà-vu namens Schweixit | |
| Die Schweiz beendet Verhandlungen mit der EU, vorgeblich weil die sich beim | |
| Binnenmarkt unnachgiebig zeigt. Das weckt Erinnerungen. | |
| Rahmenvertrag EU-Schweiz: Singapur in den Alpen | |
| Die Schweiz verhandelt nicht mehr mit der EU über ein Rahmenabkommen. Das | |
| freut vor allem Rechte. Einige haben dafür viel Geld investiert. | |
| Geplanter Rahmenvertrag mit EU: Bern zieht den Stecker | |
| Seit sieben Jahren verhandelt die Schweiz mit der EU über ein | |
| Rahmenabkommen. Nun haben die Eidgenoss:innen die Verhandlungen platzen | |
| lassen. | |
| Parlamentswahl am Sonntag: Schweiz erwartet grünen Erfolg | |
| Auch in der Schweiz sorgen sich viele über Folgen des Klimawandels wie die | |
| Gletscherschmelze. Die Grünen dürften bei der Wahl zulegen. | |
| Aus Le Monde diplomatique: Aufbruchstimmung in der Schweiz | |
| Am 20. Oktober wird in der Schweiz gewählt. Diesmal setzen nicht die | |
| Rechtspopulisten von der SVP die Themen im Wahlkampf. | |
| Postenvergabe in der EU: Von wegen Frauenquote | |
| Das Ziel Ursula von der Leyens, die Männerdomäne EU-Kommission zu knacken, | |
| könnte verfehlt werden. Die Regierungen spielen nicht mit. | |
| Umsetzung der SDG-Ziele: Die Schweiz als Bremse | |
| Durch Rohstoffimporte und Niedrigsteuerpolitik behindert die Schweiz die | |
| Entwicklung ärmerer Länder. Dabei könnte sie ihr Verhalten ohne Einbußen | |
| ändern. | |
| Von der Leyen an der Spitze der EU: Was sie sagt und was sie kann | |
| EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat bei ihrer | |
| Bewerbungsrede große Versprechungen gemacht. Kann sie diese erfüllen? | |
| EU-Kontrollen zu Rechtsstaatsverstößen: Misstrauen gegen die Neue | |
| Alle EU-Staaten sollen auf rechtsstaatliche Verstöße geprüft werden. Damit | |
| will man verhindern, dass die neue Kommission zu lasch mit Polen umgeht. |