# taz.de -- Geplatzter Vertrag von EU und Schweiz: Déjà-vu namens Schweixit | |
> Die Schweiz beendet Verhandlungen mit der EU, vorgeblich weil die sich | |
> beim Binnenmarkt unnachgiebig zeigt. Das weckt Erinnerungen. | |
Bild: Nationale Sonderregeln, um Bürger und ihre sozialen Rechte zu schützen,… | |
Erst der Brexit, nun der Schwexit? Nein, sagen die EU-Politiker in Brüssel, | |
ganz so schlimm wird es nicht kommen. Dass die Schweiz die | |
[1][Verhandlungen über den Rahmenvertrag] mit Brüssel platzen ließ, werde | |
nicht so dramatische Folgen haben wie der britische EU-Austritt. Der | |
Abbruch der Gespräche sei zwar „ein wirklich heftiger Rückschlag“, erklä… | |
Außenminister Heiko Maas (SPD). Damit würden „die Beziehungen zwischen der | |
EU und der Schweiz schwieriger werden“. | |
Doch einen radikalen Bruch wie mit Großbritannien werde es nicht geben. | |
Denn die Eidgenossenschaft behält den [2][wichtigen Zugang zum europäischen | |
Binnenmarkt]. Der Handel geht genauso weiter wie der Personenverkehr. Ein | |
Einbruch des Warenaustauschs – wie mit Großbritannien – ist ebenso wenig zu | |
fürchten wie Chaos an den Grenzen. | |
Allerdings warnt die EU-Kommission vor Risiken und Nebenwirkungen. So werde | |
die EU ab sofort nicht mehr automatisch Zertifizierungen für | |
Medizinprodukte anerkennen. Hersteller aus der Schweiz, die in die EU | |
exportieren, müssen künftig eine Zertifizierung beantragen. | |
Zudem sollen die Verhandlungen über einen Zutritt der Schweiz zum | |
europäischen Strommarkt und über ein Gesundheitsabkommen mit der EU nicht | |
fortgeführt werden. Auch beim Zugang zum europäischen Forschungsprogramm | |
„Horizon“ könnte es Probleme geben. | |
## Drohende Worte | |
Man schlage die Tür nicht zu, doch nun liege der Ball in Bern, sagte ein | |
Sprecher der Brüsseler Behörde. Ähnlich klingen die Reaktionen aus dem | |
Europaparlament. „Die Entscheidung des Schweizer Bundesrats richtet | |
beträchtlichen Flurschaden an“, kommentiert Andreas Schwab, der die | |
Schweiz-Delegation im Parlament leitet. | |
Der Zugang zum Binnenmarkt werde „immer schwieriger werden“, so der | |
CDU-Politiker. Schließlich entwickle sich das EU-Recht fort. Und es gebe | |
„keine Rechtssicherheit, weil uns ein funktionierender | |
Streitschlichtungsmechanismus fehlt“. Mittelfristig könne dies zu | |
Einschränkungen des Marktzugangs für Schweizer Unternehmen führen. | |
Sorgen macht sich auch der grüne EU-Abgeordnete Sven Giegold: „Jetzt gilt | |
es eine weitere Eskalation von gegenseitigen Sanktionen und Behinderungen | |
zu verhindern.“ Das Scheitern der Verhandlungen müsse aufgearbeitet werden, | |
fordert Giegold. Dazu gehöre auch, das „Festhalten der EU an erwartbar | |
schwierigen Forderungen“ zu diskutieren. | |
Die Europäer hatten in den Verhandlungen unter anderem automatische | |
Anpassungen bei aktualisierten EU-Richtlinien gefordert. Bei der | |
Personenfreizügigkeit, dem Agrarhandel und dem Verkehr sollte sich die | |
Schweiz „dynamisch“ den Regeln der Europäischen Union anpassen. Nur so, | |
heißt es in Brüssel, lasse sich der Zugang zum Binnenmarkt sichern. | |
## Das Dogma der EU | |
Dass es für einzelne Bereiche auch nationale Sonderregeln geben könnte, um | |
Bürgerwünsche zu berücksichtigen und soziale Rechte zu schützen, kommt in | |
der EU-Denke nicht vor. Ganz oder gar nicht!, lautet die Doktrin zum | |
Binnenmarkt. An diesem harten Dogma hatte sich schon Großbritannien | |
gestoßen, als es über den Austritt verhandelte. | |
[3][Die Briten sind am Ende auch aus dem Binnenmarkt ausgeschieden,] weil | |
sie sich nicht an die Vorschriften aus Brüssel halten wollten. Die | |
Schweizer wollen nicht so weit gehen. Doch wenn Brüssel sich stur stellt | |
und Bern keine Kompromisse eingeht, könnte am Ende doch noch der Schweixit | |
stehen. | |
28 May 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Die-Schweiz-und-die-EU/!5613736 | |
[2] /Bertelsmann-Studie-zum-EU-Markt/!5589941 | |
[3] /12-Punkte-Plan-fuer-den-Brexit/!5375351 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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