# taz.de -- Die Gewinner der Krise müssen helfen: Her mit der Coronasteuer! | |
> Eine Verteilungsdebatte mitten in der Pandemie? Bloß nicht, werden manche | |
> sagen. Dabei müssen wir gerade jetzt über Vermögen und Profiteure reden. | |
Bild: Geld ist gerade auch in der Krise mal wieder genug da | |
Um die Kosten des kommenden Lockdowns zu finanzieren, macht der Staat | |
wieder Schulden. [1][Höchste Zeit, die Profiteure der Krise zahlen zu | |
lassen.] | |
Zehn Milliarden Euro, so viel Geld will Olaf Scholz bereitstellen, [2][um | |
jene Betriebe zu retten, die im November schließen müssen]: Also | |
Restaurants, Theater, Fitnessstudios. Es ist gut, dass diese Betriebe | |
gerettet werden. Nicht gut ist, dass die Kosten für diese Rettung wieder | |
von der Allgemeinheit getragen werden sollen. | |
Zu Beginn der Coronakrise haben Olaf Scholz und die Große Koalition endlich | |
angefangen, Schulden zu machen. Sie konnten nicht anders. Scholz wurde | |
gezwungen, [3][die schwarze Null zu beerdigen], sie liegt auf dem Friedhof | |
der politischen Ökonomie gleich neben der unsichtbaren Hand und der | |
schwäbischen Hausfrau. Allesamt Theorien, die sich auch als | |
Halloween-Kostüm eignen würden. Dass Schulden machen für einen Staat etwas | |
anderes bedeutet als für einen Privathaushalt, haben dank Corona auch die | |
letzten Liberalen verstanden. | |
Nur über die Einnahmenseite wird in der Coronapandemie bisher auffällig | |
wenig gesprochen. Der Staat verschuldet sich und verteilt Geld über das | |
Kurzarbeitergeld und andere Maßnahmen an nahezu alle Unternehmen. Die | |
Botschaft, die er damit aussendet: Wir sitzen alle in einem Boot. | |
## Es regiert die Gießkanne | |
Dass aber trotz der Pandemie viele Unternehmen weiterhin gutes Geld | |
verdienen und einige gerade wegen der Pandemie ein besonders gutes Jahr | |
hatten, berücksichtigt die Bundesregierung in ihrer Krisenpolitik nicht. | |
Die schwarze Null ist abgelöst, jetzt regiert die Gießkanne. | |
Dabei machen Supermarktketten gerade Rekordumsätze, weil Menschen nicht | |
mehr in der Kantine oder im Restaurant essen. Allein Dieter Schwarz, | |
Eigentümer von LIDL und reichster Deutscher, soll in diesem Jahr 300 | |
Millionen Euro reicher geworden sein. Das gleiche gilt für Lieferdienste | |
von Essen (Lieferando) und allem anderen (Amazon hat seinen Gewinn | |
verdreifacht). Es ist höchste Zeit, dass diese Profiteure an den Kosten der | |
Krise beteiligt werden, durch eine Coronasteuer. | |
75 Prozent des Umsatzes aus dem November vergangenen Jahres sollen die | |
Restaurantbetreiber und Hotelbetreiber erhalten. Drehen wir das Ganze doch | |
um: Wer in diesem Jahr mehr Umsatz gemacht hat als im Vorjahr, zahlt auf | |
diesen Überschuss eine Coronasteuer. | |
Es gibt noch genügend andere Profiteure der Krise, die Eigentümer von | |
Pharmaunternehmen etwa, die mit einem Impfstoff noch reicher werden würden. | |
Ein anderer Vorschlag wäre, Mietzahlungen für Privatwohnungen und | |
Ladenbetriebe auszusetzen, wovon Arbeitnehmer und Restaurantbetreiber | |
gleichermaßen etwas hätten. In der ersten Coronawelle haben | |
Immobilienbesitzer weiter ihre Miete bekommen, oft nur deshalb, weil | |
Ladenbesitzer und Kurzarbeiter die Finanzhilfen der Allgemeinheit an ihre | |
Vermieter weitergeben mussten. | |
## Akzeptanz verbessern | |
Eine Coronasteuer? Bloß nicht, werden manche sagen, bloß keine | |
Verteilungsdebatte, gerade jetzt, wo die Nerven bei vielen eh schon blank | |
liegen und [4][das ominöse Wir] zusammenhalten muss, zu dem Dieter Schwarz | |
offenbar nicht gehört. Dabei ist es doch genau andersrum: Gerade eine | |
andere Verteilung der Krisenkosten könnte die Akzeptanz der politischen | |
Maßnahmen verbessern. | |
Es gibt keinen besseren Zeitpunkt als eine Krise, um über Vermögen, über | |
Arm und Reich zu diskutieren. Erst in der Krise bekommt der Alltag Risse, | |
können wir das, was wir sonst für normal oder natürlich halten, klarer | |
sehen: als Ergebnis politischer Entscheidungen, die man auch ganz anders | |
treffen könnte. | |
Im nächsten Frühjahr, wenn die Pandemie hoffentlich weitgehend unter | |
Kontrolle ist, spätestens aber nach der nächsten Bundestagswahl wird es von | |
interessierter Seite heißen, dass wir, wer auch immer das ist, den Gürtel | |
jetzt aber wieder enger schnallen müssten. Wir sollten dann die Lehre der | |
Krise nicht vergessen: Das alles auch ganz anders sein kann. | |
30 Oct 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.theguardian.com/business/2020/oct/07/covid-19-crisis-boosts-the… | |
[2] /Hilfen-fuer-Betriebe-und-Selbststaendige/!5721109 | |
[3] /Covid-19-und-die-Kosten/!5670369 | |
[4] https://onezero.medium.com/survival-of-the-richest-9ef6cddd0cc1 | |
## AUTOREN | |
Kersten Augustin | |
## TAGS | |
Pandemie | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Reichensteuer | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Wer hat der gibt | |
Reichtum | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kim Kardashians Party auf Privatinsel: Lasst sie doch feiern | |
Influencerin Kim Kardashian feiert mit ihren Lieben Geburtstag auf einer | |
Privatinsel. Vor uns muss sie sich deswegen nicht schämen. | |
Armutsforscher zu Folgen von Corona: Kardinalproblem Vermögensverteilung | |
Corona wirkt wie ein Brennglas, sagt der Armutsforscher Christoph | |
Butterwegge. Das eigentliche Ungleichheitsvirus sei aber der | |
Neoliberalismus. | |
Demonstrationen von „Wer hat, der gibt“: Ungleichheit ist kein Naturereignis | |
In Berlin und anderen Städten zieht das Bündnis „Wer hat, der gibt“ | |
Tausende auf die Straßen. Gefordert wird eine Umverteilung des Reichtums. | |
Aktivist über Reichtum: „Reichtum darf kein Tabuthema sein“ | |
Das Demo-Bündnis „Wer hat, der gibt“ will linke Antworten auf die drohende | |
Wirtschaftskrise liefern und Reiche ins Zentrum der Debatte rücken. |