| # taz.de -- Deutsche Filmpreise vergeben: Filme, die zeigen, wie es uns geht | |
| > Am Freitag wurden in Berlin die Gewinner:innen des Deutschen | |
| > Filmpreises Lola gekürt. Darunter sind Filme von Ayşe Polat und Steffi | |
| > Niederzoll. | |
| Bild: Ayse Polat erhält beim Deutschen Filmpreis 2024 die Lola für das beste … | |
| Wie sagte es der Filmtheoretiker Siegfried Kracauer einst so weise: Film | |
| ist ein Reflexionsmedium der Wirklichkeit. Was wir auf der Leinwand sehen, | |
| spiegelt uns, und verhilft uns damit zu neuen Perspektiven. Wie es uns | |
| momentan geht, müsste man demnach am Deutschen Filmpreis Lola, dessen | |
| Gewinner:innen am Freitag bei einer Gala im Theater am Potsdamer Platz | |
| gekürt wurden, gut ablesen können. | |
| Zumal man das Auswahlverfahren erneuert hatte, um es fairer und | |
| transparenter zu machen: Bereits die Auswahl der Nominierungen wird seit | |
| diesem Jahr auf sämtliche 2.200 Akademiemitglieder verteilt. Bei den beiden | |
| Kategorien „Bester Film“ und „Bester Kinderfilm“ wählen nun alle Mitgl… | |
| mit, bei den „Gewerkepreisen“ wie „Beste Kamera“ nach wie vor die | |
| Vertreter:innen des jeweiligen Gewerks. | |
| Die Preise für die „Beste Regie“, das „Beste Drehbuch“ und die Lola in | |
| Bronze für den „Besten Film“ gingen an [1][Ayşe Polats „Im Toten Winkel… | |
| der zeigt, dass das Kino unsere komplexe Wirklichkeit zuweilen besser | |
| erfassen kann als ein voreingenommener Mensch: Kunstvoll verschachtelt und | |
| hoch spannend erzählt der Polit-Thriller von einem Dokumentarfilmteam, das | |
| über ein kurdisches Schicksal berichten möchte. Für die Beteiligten | |
| verschwimmen dabei die Wahrheiten – wer sieht was aus welchen Gründen? Der | |
| meisterlich inszenierte Film erscheint wie eine Allegorie nicht nur auf | |
| autoritäre politische Systeme, sondern auch auf die von unseren eigenen | |
| Agenden geprägte Kommunikation. | |
| ## Bezeugen, was bewegt | |
| Dass [2][Steffi Niederzolls „Sieben Winter in Teheran“] als bester | |
| Dokumentarfilm und für die beste Montage ausgezeichnet wurde, bezeugt | |
| ebenfalls, was uns bewegt: Das Debüt ist die Geschichte einer jungen | |
| iranischen Frau, die bei einem Vergewaltigungsversuch in Notwehr ihren | |
| Peiniger erstach und nach sieben Jahren im Gefängnis hingerichtet wurde, | |
| weil sie sich weigerte, von der (wahren) Geschichte abzurücken. Die | |
| fassungslos machende Ungerechtigkeit des Urteils und der Mut von Reyhaneh | |
| Jabbari, die für die Wahrheit starb, stärken den bewegenden Film und | |
| überzeugten die Mitglieder. | |
| Matthias Glasners Auseinandersetzung mit seiner Familie, [3][das | |
| ideenreiche, tragikomische Drama „Sterben“], bekam die Goldene Lola. Die | |
| Darsteller:innen Corinna Harfouch und Hans-Uwe Bauer wurden für die | |
| beste weibliche Haupt- und die beste männliche Nebenrolle geehrt. Der | |
| auditiv-emotionale Höhepunkt des Films ist Lorenz Dangels ebenfalls | |
| ausgezeichnete orchestrale Filmmusik. Mit einem sich selbst immer wieder | |
| lautstark an die Wand spielenden Cast zeigt der Film die Traumata einer | |
| dysfunktionalen Familie bis ins schmutzige Detail – Körperausscheidungen | |
| und Brutalitäten inklusive. Die eigene Familie ist eben manchmal zum | |
| Kotzen. | |
| Ansonsten lief die von sieben Menschen, und damit ungefähr fünf den Brei | |
| verderbenden Köchen zu viel, moderierte Veranstaltung eher vorsichtig ab – | |
| die Größe der Moderator:innenriege, die für Diversität stehen sollte, | |
| funktionierte nur begrenzt, weil so niemand auf etwas reagieren, dem Abend | |
| etwas Persönliches mitgeben konnte. Die Erfahrungen mit politischen | |
| Äußerungen auf Kulturbühnen, die zuletzt immer wieder zu (vor allem | |
| medialen) „Eklats“ führte, machten sich bemerkbar: Man war zurückhaltend, | |
| dabei aber angemessen besorgt. | |
| Am Ende kulminierten Empfindungen und Ängste in der berührenden Rede der | |
| 102-jährigen Holocaustüberlebenden Margot Friedländer, die man täglich auf | |
| allen Kanälen ausstrahlen müsste. „Ich bitte Euch, seid Menschen“, sagte | |
| sie. Besser kann man es nicht ausdrücken. | |
| 6 May 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jenni Zylka | |
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