# taz.de -- Deutsche EU-Ratspräsidentschaft: Angst vor den Lobbyisten | |
> Parlamentarier und NGOs warnen vor zu großem Einfluss der Industrie auf | |
> die deutsche EU-Präsidentschaft. Das wäre nicht das erste Mal. | |
Bild: Die Lizenzierung von pharmazeutischen Produkten Privatunternehmen zu üb… | |
In Brüssel wächst die Besorgnis, dass sich die Bundesregierung beim | |
deutschen EU-Vorsitz ab dem 1. Juli von Industrieinteressen und Lobbyisten | |
leiten lassen könnte. Fast 100 EU-Abgeordnete veröffentlichten deshalb | |
einen Appell für mehr Transparenz. Auch die Lobbyismuskritiker von | |
LobbyControl und die NGO Corporate Europe Observatory (CEO) schlagen Alarm. | |
Die Coronakrise sei „eine gute Gelegenheit für Lobbyismus“, heißt es in d… | |
neuen Studie „Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft: Industrie in der | |
Hauptrolle?“, die am Dienstag veröffentlicht wird und die der taz vorab | |
vorlag. Nicht nur die üblichen Verdächtigen aus der Autoindustrie könnten | |
versuchen, ihre Interessen durchzusetzen, sondern auch die Pharmabranche. | |
Als Beispiel wird der Schutz für die deutsche Firma CureVac genannt. Es sei | |
riskant, die Lizenzierung von Medikamenten, Impfstoffen und | |
Medizinprodukten Privatunternehmen zu überlassen. | |
Berlin solle sich auch für die Möglichkeit einer Zwangslizenzierung von | |
Impfstoffen einsetzen und Bezahlbarkeit und Verfügbarkeit von Arzneimitteln | |
zum Thema machen, fordern die Autoren. | |
Sorgen machen sich die Lobbywatcher auch um die Digitalsteuer. Nach dem | |
Ausstieg der USA aus den Bemühungen um internationale Steuersätze für | |
Digitalkonzerne wie Apple oder Google hatte die EU-Kommission erklärt, sich | |
zur Not auch ohne die USA für eine europaweite Digitalsteuer einzusetzen. | |
Doch bisher stand Berlin auf der Bremse. Bundesfinanzminister Olaf Scholz | |
habe die EU-Steuer kurz vor der Europawahl 2019 gestoppt und dabei offenbar | |
dem Drängen des BDI nachgegeben, heißt es in der Studie. „Durch seine | |
Ablehnung des EU-Vorschlags hat Scholz jetzt aber keinen Plan B mehr.“ | |
Für mehr Transparenz setzen sich auch EU-Aabgeordnete aus mehreren | |
Fraktionen ein, darunter Daniel Freund (Grüne) und Martin Schirdewan | |
(Linke). Mit neuen Regeln und einer neuen politischen Kultur solle Berlin | |
einer „übermäßigen und einseitigen Lobby-Einflussnahme auf die | |
Ratspräsidentschaft vorbeugen“, heißt es [1][in einem offenen Brief], den | |
CEO und LobbyControl mittragen. | |
Berlin solle ein Zeichen setzen, indem es auf Sponsoren verzichtet. Bisher | |
wurden Ratspräsidentschaften in der EU stets von großen Konzernen | |
gesponsert. Die rumänische Präsidentschaft erhielt etwa Unterstützung von | |
Coca-Cola, Finnland hatte einen Vertrag mit BMW. Die scheidende kroatische | |
Präsidentschaft hat gar mit 16 Unternehmen Sponsoringverträge. | |
23 Jun 2020 | |
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[1] https://www.lobbycontrol.de/2020/06/eu-abgeordnete-draengen-merkel-zu-mehr-… | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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