# taz.de -- Demonstration in Chile: Mehr als eine Million Menschen | |
> Am Freitag fand die größte Demonstration in Chile seit der Rückkehr zur | |
> Demokratie 1990 statt. Jede*r fünfte Hauptstädter*in war auf der Straße. | |
Bild: Der „Historische Marsch“ in Santiago de Chile verlief überwiegend fr… | |
BUENOS AIRES taz | Chiles Hauptstadt Santiago bot einen überwältigenden | |
Anblick. Über eine Million Menschen waren am Freitag aus Protest gegen die | |
herrschende soziale Ungleichheit durch die Straßen und auf die Plätze der | |
Innenstadt gezogen. Es war die größte Demonstration in dem Andenstaat seit | |
der Rückkehr zur Demokratie 1990. Jede*r fünfte Hauptstädter*in war auf den | |
Beinen. Gewerkschaften und Basisinitiativen hatten über die sozialen Netzen | |
zur „Marcha de la Historia“ aufgerufen, zum Historischen Marsch. Nach | |
offiziellen Angaben beteiligten sich 1,2 Millionen Menschen. | |
Am zehnten Tag der [1][sozialen Proteste] waren Menschen jeden Alters und | |
aus allen Schichten bereits am frühen Nachmittag zur Plaza Italia gezogen, | |
dem großen Platz im Zentrum der Hauptstadt. Viele kamen gar nicht so weit, | |
da bereits in den umliegenden Straßen kein Durchkommen mehr war. „Es ist | |
etwas Historisches. Ich habe ein Leben lang gearbeitet, um eine sehr | |
niedrige Rente zu erhalten, und deshalb hoffe ich, dass dies die Dinge für | |
die Zukunft ändert “, sagte die 67-jährige Nancy Núñez, die ein Schild mit | |
der Aufschrift: „Sie haben mich einmal zum Schweigen gebracht, ein zweites | |
Mal werde ich es nicht zulassen“ trägt. | |
Auf einer riesigen Nationalfahne stand „Chile ist erwacht“ und „Wir führ… | |
keinen Krieg“ zu lesen. Letzteres in klarer Anspielung auf die umstrittenen | |
Worte von Präsident Sebastián Piñera, der wenige Tage zuvor die Proteste | |
als einen Krieg gegen das Land bezeichnet hatte. Symbole politischer | |
Parteien waren ebenso wenig auszumachen wie Anführer*innen. „Es ist eine | |
klare Botschaft dafür, eine Veränderung in unserem Land vorzunehmen“, sagte | |
die Bürgermeisterin des Hauptstadtbezirks von Santiago, Karla Rubilar. | |
Während des Marsches waren immer wieder drei Forderungen laut geworden: der | |
Rückzug der Streitkräfte in die Kasernen, die Rücknahme aller „gegen das | |
Volk“ gerichteten Gesetze durch den Kongress sowie die Einberufung einer | |
verfassunggebenden Versammlung, die eine neue Verfassung ausarbeiten soll. | |
In Chile ist noch immer die Verfassung von 1980 in Kraft, die die Militärs | |
während der Diktatur von Augusto Pinochet (1973-1990) dem Land aufgezwungen | |
hatten. | |
## „Wir haben uns alle verändert“ | |
Der Marsch verlief überwiegend friedlich. Um 20 Uhr, drei Stunden nach | |
Beginn der Ausgangssperre, zogen noch immer Menschen in die Innenstadt. | |
Vereinzelt kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Protestierenden und der | |
Polizei. Blockaden wurden errichtet und angezündet sowie einige Geschäfte | |
geplündert. Das Militär hatte sich jedoch deutlich im Hintergrund gehalten. | |
Märsche mit mehreren zehntausend Menschen wurden auch aus den Städten | |
Valparaíso, Concepción, Puerto Montt und Valdivia gemeldet. | |
Piñera selbst reagierte mit einer allgemeingehaltenen Botschaft. „Der | |
massive, freudige und friedliche Marsch von heute, in dem die Chilenen ein | |
gerechteres und solidarischeres Chile fordern, eröffnet großartige Wege für | |
die Zukunft und die Hoffnung. Wir haben alle die Botschaft gehört. Wir | |
haben uns alle verändert“, [2][twitterte der Präsident]. | |
Die Proteste waren vergangene Woche [3][durch gestiegene Ticketpreise im | |
öffentlichen Nahverkehr ausgelöst] worden. Bis Freitag kamen mindestens 19 | |
Menschen ums Leben. Nach Angaben des Nationalen Instituts für | |
Menschenrechte (INDH) wurden 585 Demonstranten verletzt, darunter 245 durch | |
Schusswaffen. Weitere 2.840 Personen wurden festgenommen. | |
26 Oct 2019 | |
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[1] /Politische-Krisen-in-Suedamerika/!5634050 | |
[2] https://twitter.com/sebastianpinera/status/1187887888069025794 | |
[3] /Proteste-in-Santiago-de-Chile/!5634641 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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