# taz.de -- Demonstration gegen Polens Regierung: Für Demokratie, gegen die PiS | |
> In Warschau demonstrieren Polen und Polinnen gegen die populistische | |
> Regierungspartei. Sie sorgen sich: Bleibt ihr Land künftig noch eine | |
> Demokratie? | |
Bild: Bei der Demonstration am Sonntag nahmen laut Veranstalter eine halbe Mill… | |
WARSCHAU taz | „Hier ist Polen! Hier, wo wir stehen, ist Polen“, ruft | |
Donald Tusk, früherer polnischer Premier und ehemaliger Ratspräsident der | |
Europäischen Union (EU), der Menschenmenge am Warschauer Plac na Rozdrożu | |
in der Nähe des Regierungssitzes zu. In wenigen Minuten beginnt in Polens | |
Hauptstadt der große Marsch für Freiheit und Demokratie und gegen die | |
Politik der nationalpopulistischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit | |
(PiS). | |
Auf dem Dach des roten Doppeldeckerbusses, von dem aus Tusk über die Menge | |
blickt, steht auch Lech Wałęsa, ein berühmter Anführer [1][der polnischen | |
Gewerkschafts- und Friedensbewegung Solidarność] aus den 1980er und 90er | |
Jahren. Noch bevor der 79-Jährige nur ein Wort sagen kann, skandiert die | |
Menge schon: „Wir danken dir“ und „Wir werden siegen“. | |
Der Tag der Demonstration ist symbolträchtig: Am 4. Juni 1989 errang | |
Wałęsas Solidarność in den ersten, noch halb freien Wahlen den ersten Sieg | |
über ein kommunistisches Regime im Ostblock. | |
Auch heute stehen die Polinnen und Polen am Scheideweg: Die Opposition | |
steht für eine freiheitliche Demokratie, die Regierungspartei PiS führt das | |
Land weiter in den Autoritarismus. Im Herbst dieses Jahres stehen | |
Parlamentswahlen an. Viele in der Menschenmenge – nach Angaben der | |
Veranstalter sind es eine halbe Million – schwenken die polnische Flagge, | |
weiß-rot, und blau-gelbe EU-Flaggen. | |
## Angst vor der PiS-Disziplinarkammer | |
Sichtlich gerührt erinnert Wałęsa an die Anfänge des polnischen | |
Freiheitskampfes, damals, in der Danziger Lenin-Werft. Erst hätten ihn | |
Agenten des kommunistischen Staatssicherheitsdienstes (Stasi) auf Schritt | |
und Tritt verfolgt – [2][und Jahre später hätten PiS-Funktionäre versucht, | |
ihm selbst eine Stasi-Vergangenheit anzuhängen]. Er deutet auf sein T-Shirt | |
mit der Aufschrift „Konstytucja“ (Verfassung) und ruft ins Mikrofon: | |
„Schreibt in eure Programme ‚Gewaltenteilung‘ und ‚Beschränkung auf zw… | |
Amtszeiten‘. Nur so verhindert ihr, dass wir immer wieder neu um Freiheit | |
und Demokratie kämpfen müssen.“ | |
Die 19-jährige Studentin Ania ist mit ihrer Mutter und Großmutter aus dem | |
oberschlesischen Kattowitz angereist. Ihr Nachname soll, wie auch die der | |
anderen sich auf der Demonstration Äußernden, nicht veröffentlicht werden, | |
aus Sicherheitsgründen. | |
„Wir haben uns spontan entschlossen, uns dem Marsch anzuschließen.“ Den | |
Ausschlag habe das [3][Auschwitzvideo der PiS] gegeben. „Uns als Nazis | |
und SS-Leute beleidigen zu lassen, nur weil wir anderer Meinung sind als | |
das PiS-Regime, das geht nicht!“, sagt die Jurastudentin. | |
Ihre Mutter Katarzyna ist Richterin und über den Abbau der Demokratie und | |
des Rechtssystems in Polen entsetzt. „Wir am Gericht haben Angst, dass uns | |
unser nächstes Urteil vor die PiS-Disziplinarkammer bringt und wir dann | |
degradiert werden.“ | |
## „Dieses Auschwitzvideo – einfach widerlich!“ | |
Der 24-jährige Filip aus der Ostseestadt Danzig trägt ein selbstbemaltes | |
Transparent, darauf der PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński hinter | |
Gefängnisgittern. Die Bürgerinnen und Bürger müssten dieser Verbrecherbande | |
endlich zeigen, wo ihr Platz sei, sagt er. „Vielleicht ist es schon zu | |
spät. Wenn die EU nicht eingreift, werden bei den nächsten Wahlen im Herbst | |
nur noch PiSler antreten. Denn potenziell sind wir alle hier in den Augen | |
der PiS entweder SS-Leute oder russische Agenten.“ Er schüttelt sich voller | |
Abscheu: „Dieses Auschwitzvideo – einfach widerlich!“ | |
Der 62-jährige [4][Bauer] Ewald ist mit einer ganzen Gruppe aus dem | |
ostpolnischen Podlachien angereist. „Wir leben vielleicht am Ende der Welt, | |
aber nicht hinter dem Mond.“ Seine Frau Maria fällt ihm ins Wort: „Wir | |
leben von unserer Hände Arbeit und sind stolz darauf. Uns aber von den | |
EU-Zuschüssen abzuscheiden und uns dafür mit einem lächerlichen Kindergeld | |
abzuspeisen – das sind Machenschaften, die wir noch von den Kommunisten | |
kennen.“ Ihr Dorf meine dazu: „Dość! – Wir haben die Nase voll. Es reic… | |
4 Jun 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Solidarnosc/!t5041430 | |
[2] /Vergangenheitsbewaeltigung-in-Polen/!5276489 | |
[3] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/polen-pis-auschwitz-video-empoerung-… | |
[4] /Polen-fuer-Zoelle-auf-Ukraine-Agrarimporte/!5923111 | |
## AUTOREN | |
Gabriele Lesser | |
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