# taz.de -- Debüt von US-Sängerin Lady Blackbird: Wasserstoffblonde Wärme | |
> Die US-Künstlerin Lady Blackbird garniert ihr Debütalbum „Black Acid | |
> Soul“ mit Interpretationen von alten Soulsongs, Funkrock und | |
> Jazzstandards. | |
Bild: Gibt den Beat mit ihrer Stimme vor: Lady Blackbird | |
Auch wenn der Albumtitel etwas anderes suggeriert, Lady Blackbirds | |
Debütalbum „Black Acid Soul“ gehört nicht in die Sparte Retro: Die | |
US-Künstlerin, die als Marley Munroe im Südwesten des Landes geboren wurde | |
und mit [1][Gospelmusik in der Kirche] aufwuchs, verschreibt sich weder dem | |
P-Funk noch dem Neo-Soul-Revival. Eher sieht sie sich selbst als | |
Jazzsängerin, die Standards in eigenen neuen Arrangements performt, so wie | |
die elf Songs auf ihrem Debütalbum. | |
Ihr Timbre klingt kratzig, und doch verströmt Lady Blackbirds Stimme viel | |
Wärme. Ihr Gesang schlägt die Hörerin sofort in ihren Bann. Viel Beiwerk | |
zum Stimmenzauber braucht es nicht, minimalistische Bass- und Klaviertupfer | |
behandeln zum Beispiel bei der Coverversion von [2][Nina Simones] | |
„Blackbird“ jede Note so, als sei sie ein rohes Ei. Ähnlich geht es weiter: | |
Meistens fungieren die Instrumente als spartanische Klangkulissen, damit | |
sich der gefühlsbetonte Gesang von Lady Blackbird maximal entfalten kann. | |
Einzig der Titelsong tanzt ein bisschen aus der Reihe. Auf einmal dehnt | |
sich das Instrumentalbett raumgreifend aus, ein flirrender Bass verpasst | |
dem Sound größere Flügel, die Orgel jault schräg. Das wirkt schon | |
unheimlich, beinahe surreal. In die sanfte Klavierballade „Fix it“, eine | |
der wenigen Eigenkompositionen aus der Feder von Lady Blackbird und ihrem | |
Produzenten Chris Seefried, können sich die Hörer:innen dagegen fallen | |
lassen. Dieses Lied klingt wie ein Klassiker aus dem Great American | |
Songbook, dabei hat die Sängerin bei der Wahl ihres Repertoires zu bekannte | |
Klassiker eigentlich links liegen gelassen. | |
## Unbekannte Songs, zu neuem Leben erweckt | |
Wesentlich reizvoller fand sie es, unbekanntere Songs wieder zum Leben zu | |
erwecken – teilweise in einem völlig neuen Gewand. „Collage“, das | |
ursprünglich von der Southern-Rock-/Funkband James Gang stammt, kommt sehr | |
viel intensiver daher als das Original. „Wanted Dead Or Alive“, eine | |
Gospel-Funk-Nummer aus den frühen siebziger Jahren, ursprünglich vom Chor | |
[3][The Voices of East Harlem], hat Lady Blackbird hemmungslos durch den | |
musikalischen Fleischwolf gedreht – und ihr mit „Beware the Stranger“ auch | |
gleich einen neuen Titel verpasst. Das Stück lehnt sich jetzt mehr an Jazz | |
an. | |
Lediglich der markante Backgroundgesang verweist noch auf das Original. | |
Eine bemerkenswerte Idee, die von Chris Seefried stammt. Der Produzent | |
ebnete bereits für die Sängerin Andra Day den Weg zum Erfolg. Diese stieg | |
2021 in die Liga der Berühmtheiten auf, als sie für ihre Hauptrolle in dem | |
Film [4][„The United States vs. Billie Holiday“] mit einem Golden Globe | |
ausgezeichnet wurde. Seefried hält sie für ein Ausnahmetalent. Genau wie | |
Lady Blackbird. Trotzdem legte sein Schützling keineswegs einen | |
kometenhaften Start hin, im Gegenteil. | |
Einst sang Lady Blackbird im Kirchenchor, ihren ersten Auftritt in einem | |
Gotteshaus hatte sie mit fünf. Als Teenager bekam sie einen Plattenvertrag | |
bei einem Label, das sich auf geistliche Musik spezialisierte hatte. Man | |
könnte sagen: Ein Glücksfall war das für sie nicht unbedingt. Tatsächlich | |
hatten ihre Eltern sie in diese Richtung gedrängt – gegen ihren Willen. | |
„Das Ganze war so weit weg von der Person, die ich war“, erinnert sie sich. | |
## Nach LA zu Jimmy Jam und Terry Lewis | |
Kein Wunder, dass Lady Blackbird aus dieser Szene ausbrach, sobald sie | |
volljährig wurde. Mit 18 zog sie nach New York, flog aber immer wieder zu | |
Studiosessions nach Los Angeles. Dort kooperierte sie mit dem | |
Produzentenduo [5][Jimmy Jam und Terry Lewis], die sich vor allem durch | |
ihre Zusammenarbeit mit Janet Jackson einen Namen gemacht hatten. | |
Irgendwann in einer Liga mit Rihanna und Beyoncé zu spielen, das war gewiss | |
Lady Blackbirds Ziel. Als L. A. Reid sie für sein Label Epic unter Vertrag | |
nahm, schien sie dem nahe. Doch schon bald gab es künstlerische | |
Differenzen. Der Deal platzte, damit war der Popstar-Traum von Lady | |
Blackbird vorläufig ausgeträumt. | |
2018 traft sie Chris Seefried. Erst mit seiner Hilfe fand Lady Blackbird | |
nach einigen Experimenten in der Welt des Jazz wirklich zu sich selbst. | |
„Chris war in der Lage, sich in das hineinzudenken, was ich fühlte“, sagt | |
sie. Allerdings ist Lady Blackbird durch ihren Richtungswechsel nun nicht | |
plötzlich zu einer Genresängerin à la Diana Krall geworden. | |
Sie findet es spannender, sich auf der Bühne und in ihren Videos als | |
exzentrische Künstlerin zu inszenieren – mit wasserstoffblond gefärbten | |
Haaren, Nasenring und reichlich Make-up. Im Clip zum Song „It’s not that | |
easy“ trägt Lady Blackbird eine extravagante weiße Robe, angefertigt aus | |
Tüll und Federn. Sie hat eben den Habitus einer Diva, gepaart mit ihrer | |
unnachahmlichen Stimme. | |
14 Jan 2022 | |
## LINKS | |
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[3] https://www.youtube.com/results?search_query=the+voices+of+east+harlem+can+… | |
[4] /Spielfilm-ueber-Billie-Holiday/!5762374 | |
[5] https://www.youtube.com/watch?v=sYgkwgc5fmY | |
## AUTOREN | |
Dagmar Leischow | |
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