# taz.de -- Debatte um Wehrpflicht und Abhörskandal: Demokratische Abwehrberei… | |
> Deutschland mangelt es an Abwehrbereitschaft, dafür muss Personal her. | |
> Aber auch Diplomatie und Desinformation im Netz müssen mitgedacht werden. | |
Bild: Wegen Personalmangels fährt der Chef selbst: Verteidigungsminister Boris… | |
Es sind harte Zeiten für die deutsche Außenpolitik. Das Taurus-Debakel und | |
die unklaren Aussagen von Bundeskanzler Olaf Scholz, warum eine Lieferung | |
des Marschflugkörpers an die Ukraine nicht machbar sei, läuteten ein | |
Kommunikationsdesaster ein. Hinzu kam die peinliche Abhöraffäre. | |
Bundeswehrspitzen sind offenbar nicht in der Lage, ihre digitale | |
Kommunikation so zu organisieren, dass der Feind nicht mithören kann. | |
Da helfen die markigen Ansagen von Verteidigungsminister Boris Pistorius | |
wenig, wenn er den Fall einerseits als schwerwiegend bezeichnet und sich | |
andererseits bei der Ursachenforschung [1][relativ bedeckt hält]. | |
Deutschland wirkt mehr als anfällig gegen die Nadelstiche aus dem Kreml. | |
Die Konsequenz war dieser Tage intensive Krisendiplomatie, um den Schaden | |
bei den Verbündeten in Europa und in den USA zu begrenzen. Fatal sind etwa | |
Aussagen aus Großbritannien, die dem Kanzler und der Regierung | |
bescheinigen, eine Gefahr für die internationale Sicherheit zu sein. Erneut | |
wird sichtbar, dass sich Kanzleramt und Außenministerium, konkret Scholz | |
und Annalena Baerbock, wenig einig sind, weder bei der Taurus-Lieferung | |
noch bei einer gemeinsamen Strategie, um sich gegen Attacken russischer | |
Propaganda zu wappnen. | |
In dieser allgemeinen Hilflosigkeit treibt Pistorius seine Pläne für die | |
Wiedereinführung einer Wehrpflicht voran, wie auch immer diese aussehen | |
wird. Auf seinem Trip nach Skandinavien begutachtete er Modelle wie das | |
schwedische, das vorsieht, dass zwar alle jungen Frauen und Männer eines | |
Jahrgangs gemustert werden, aber nur ein ausgewählter Teil tatsächlich den | |
Grundwehrdienst leistet. Daraus speist sich dann eine Reserve, die im | |
Ernstfall einsetzbar ist. | |
Dass dieser Ernstfall durchaus kommen kann, ist spätestens seit Februar | |
2022 klar. Mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine erhöht sich | |
die Bedrohungslage in Europa, auch in Deutschland. Zuvor wurde die | |
Wiedereinführung einer allgemeinen Wehrpflicht zuletzt vor allem | |
diskutiert, weil Krankenhäusern, Seniorenheimen und sozialen Einrichtungen | |
die Zivildienstleistenden abhandengekommen waren. Die Rückkehr eines | |
klassischen Landkrieges nach Europa hat jedoch die Frage nach soldatischem | |
Menschenmaterial wieder auf die Tagesordnung gesetzt. | |
Doch anstatt diesen Aspekt klar zu benennen und Konditionen wie Folgen zu | |
diskutieren, wenn kommende [2][Generationen deutscher Staatsangehöriger | |
eingezogen werden] könnten, flüchtet sich der Minister in schwammige | |
Aussagen nach dem Motto „Lieber alles offen lassen als Klartext sprechen“. | |
Fakt ist: Es fehlt an Nachwuchs in der Bundeswehr. Rekrutierungsversuche | |
fruchteten wenig in den vergangenen Jahren. Das Armeepersonal in den | |
kommenden Jahren auf über 200.000 Menschen anwachsen zu lassen wird wohl | |
scheitern. | |
Also muss die Bevölkerung ran. Manche hoffen darauf, mit der Wehrpflicht | |
würde die Bundeswehr demokratischer und diverser, andere befürchten, die | |
Gesellschaft werde militarisierter. Vermutlich kann das ausgestaltet werden | |
– aber nur, wenn nicht plötzlich aus der früheren Vernachlässigung des | |
Militärischen ein panisches Primat desselben entsteht. Die derzeitige | |
Konjunktur immer neuer Finanzierungs- und Aufrüstungsbegehren lässt daran | |
aber zweifeln. | |
Vollmundig hatte die Bundesregierung im Sommer 2023 über ihre Nationale | |
Sicherheitsstrategie angekündigt, den Begriff und die Bedeutung von | |
Sicherheit für die Bevölkerung neu zu gestalten. Von einer integrierten | |
Sicherheit ist dort die Rede, von einem Zusammenspiel militärischer | |
Verteidigung, Cyberabwehr, Strategien gegen Desinformation, | |
Bevölkerungsschutz, humanitärer Hilfe, Entwicklungszusammenarbeit und | |
diplomatischen Anstrengungen. Von diesen Zusammenhängen ist in diesen Tagen | |
wenig bis gar nichts zu hören. Nicht einmal von einer in sich | |
zusammengeschrumpften Linken, die sich lieber mit sich selbst beschäftigt, | |
als genau auf dieses Defizit hinzuweisen. | |
Wir leben in Zeiten, in denen der Krieg nach Europa zurückgekehrt ist. | |
Offenbar ist es notwendig, dies immer und immer wieder zu betonen. Diese | |
Zeiten fordern einen hohen Preis, von jedem Einzelnen. Dazu braucht es aber | |
ein starkes Plädoyer für mehr als Militärdienste und Beschaffung von | |
Kriegsgerät. Demokratie ist nur dann wirklich krisenfest und abwehrbereit, | |
wenn es um mehr als Verteidigung im klassisch-kriegerischen Sinne geht. Die | |
bittere Erkenntnis: In der Putin’schen Logik ist dies längst angekommen. | |
Jüngstes Beispiel sind die diplomatischen Verstimmungen, die die | |
Taurus-Debatte und der Abhörfall in der Luftwaffe – der eigentlich [3][nur | |
ein Skandälchen ist] – ausgelöst haben. | |
8 Mar 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Abgehoertes-Taurus-Gespraech/!5996687 | |
[2] /Debatte-um-Wehrpflicht/!5993640 | |
[3] /Abhoerskandal-bei-der-Bundeswehr/!5993428 | |
## AUTOREN | |
Tanja Tricarico | |
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