Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Pro und Contra Wehrpflicht für Frauen: Stillen und gestanden?
> Männer sollen künftig einen Fragebogen zum Wehrdienst ausfüllen und ihn
> verpflichtend zurücksenden. Frauen müssen nicht antworten. Ist das
> gerecht?
Bild: Jeden Tag „Girls-Day“ beim Bund? Schülerin am 25. April im Verteidig…
## JA
Frauenrechte müssen gern mal dafür herhalten, irgendwelche Absurditäten zu
begründen, 2001 zum Beispiel den Krieg in Afghanistan. Und auch jetzt, in
der Debatte um den neuen Wehrdienst, wird die Gleichheit der Geschlechter
zum Argument, die Pflicht scheinbar gerecht für alle durchzusetzen. „In der
heutigen Zeit“, so Unionsfraktionsvize Johann Wadepuhl, [1][könnten
zwischen Frauen und Männern „keine Unterscheidungen“ mehr gemacht werden.]
Das passiere in anderen Bereichen ja auch nicht.
Ach nein? Ein paar Zahlen: Sechs Monate soll künftig der Grundwehrdienst in
Deutschland dauern, in dem junge Männer nicht vollständig über sich selbst
verfügen könnten. Neun Monate allein dauert eine Schwangerschaft, in der
Schwangere hierzulande einer staatlich auferlegten Austragungspflicht
unterstehen. [2][Der Abbruch von Schwangerschaften ist nach wie vor
illegal.]
Vier Monate nehmen Männer durchschnittlich Elternzeit, 15 Monate Frauen –
obwohl sie Einkommen, Karriereoptionen und oft auch spätere Rente damit
einbüßen. Häufig geschieht das, weil die Kinderbetreuung nicht
flächendeckend ausgebaut ist. Neun Stunden unbezahlter Arbeit mehr als
Männer leisten Frauen derzeit pro Woche, das sind rund 20 Tage im Jahr,
unabhängig davon, ob Kinder im Spiel sind oder nicht. Oh doch also:
[3][ganz sicher werden Unterschiede zwischen den Geschlechtern gemacht.]
Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich, so steht es im Grundgesetz. Das
heißt jedoch nicht, dass Gleichheit im Alltag annähernd verwirklicht wäre.
Die Unterschiede verlaufen entlang verschiedener Trennlinien, zwischen Arm
und Reich zum Beispiel, oder eben zwischen Menschen, die schwanger werden
können und denen, die es nicht können. Frau zu sein, bedeutet im Alltag bis
heute Benachteiligung und Reglementierung.
Und das nicht nur in Bezug auf das Recht auf den eigenen Körper, sondern
auch auf Arbeit, Geld, Steuern oder den Schutz vor Gewalt. Der Gender Pay
Gap liegt bei 18 Prozent: für gleiche Arbeit wird kein gleicher Lohn
gezahlt. Das Ehegattensplitting zementiert Ungleichheit. Und 331 Menschen
starben 2023 durch Partnerschaftsgewalt, in der deutlichen Mehrzahl Frauen.
Diese Missverhältnisse auszugleichen, ist Aufgabe des Staates. Solange sie
bestehen, liegt Gerechtigkeit nicht nur in Gleichbehandlung, sondern vor
allem im Bekämpfen elementarer Ungerechtigkeit. Frauen müssen Zugang zu
ihren im Grundgesetz gewährten Rechten bekommen. Wenn sie also Pistorius'
Fragebogen freiwillig ausfüllen, sich freiwillig verpflichten wollen,
bitte. Aber Kinder, Küche und Krieg als Pflichtprogramm: Das ist keine
Option. Patricia Hecht
## NEIN
Wenn schon Wehrpflicht, dann für alle. Alles andere ist unangenehmes
Rausreden, das an die Debatte um die Lieferung von 5.000 Helmen an die
Ukraine erinnert: Wir stehen fest an eurer Seite, aber…
Wenn die Bundesregierung ihre Bürger*innen zu Aussagen über ihre
Militärtauglichkeit verpflichtet, dann sollte diese Pflicht
selbstverständlich für jede*n gelten. Sollten nur Männer antworten müssen,
ist das eine Form von Diskriminierung. In einem Staat, der von sich
behauptet, die rechtliche Gleichberechtigung der Geschlechter erreicht zu
haben, könnte es Männer geben, die sich angesichts dieses Fragebogens
ungerecht behandelt fühlen. Und noch viel krasser: Wenn das
Verteidigungsministerium Frauen und andere Nichtmänner nur so halb ernst
nimmt, wenn es um Wehrtüchtigkeit geht – zementiert sich damit nicht auch
der gesellschaftliche Blick auf Frauen, die nur so halb ernst genommen
werden in Fragen, bei denen es ums Ganze geht?
Wer argumentiert, dass Frauen nicht in den Schützengraben gezwungen werden
sollten, solange es ansonsten keine Gleichberechtigung gibt, der steckt
argumentativ in der Schlammgrube fest. Genausogut könnte auch gesagt
werden: So lange wir nicht gleich bezahlt werden, werden wir keine
Kranführerin, keine Vorstandsvorsitzende, keine Schöffin, kehren wir keine
Straße, kriegen wir keine Kinder, putzen wir keine Hintern, zahlen wir
keine Steuern.
Den professionellen Waffengebrauch exklusiv Männerhänden zu überlassen, ist
ein schwerer Fehler. Warum sollten Männer bevorzugt behandelt werden, wenn
es um militärische Posten geht? Jahrzehntelang wurde dafür gekämpft, dass
auch Frauen in die Bundeswehr dürfen: Wieso sollte man sie jetzt so
behandeln, als wären sie nur im Ausnahmefall echte Kerle?
Früher entzogen sich Männer der Haus- und Pflegearbeit mit dem Argument,
dass sie ja das Geld nach Hause bringen würden. Dieses Verhältnis hat sich
in den vergangenen Jahrzehnten stark geändert. Heute können Männer ihre
vermeintliche Überlegenheit nur noch damit begründen, dass sie halt
diejenigen sind, die im Kriegsfall die Rübe hinhalten müssen.
Freilich kann man für die Abschaffung jeglicher Militärpflicht egal welchen
Geschlechts plädieren. Aber Gleichberechtigung für alle endet nicht beim
Militär. Früher endete sie am Baustellenzaun, vor dem Polizeiauto und der
Manageretage. Wer dafür plädiert, für Frauen eine Ausnahme bei der
Musterung zu machen, muss sich von Männern vorhalten lassen: Dann auch eine
Ausnahme von der Hausarbeit! Doris Akrap
12 Jun 2024
## LINKS
[1] https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.bundeswehr-unionspolitiker-fo…
[2] /Juristin-ueber-Abtreibungen/!5978634
[3] /Familienreport-2024-vorgestellt/!6010754
## AUTOREN
Patricia Hecht
Doris Akrap
## TAGS
Wehrpflicht
Bundeswehr
Gender Pay Gap
GNS
Youtube
Bundeswehr
Boris Pistorius
Militär
## ARTIKEL ZUM THEMA
Bundeswehr-Show „Explorers“ bei YouTube: Waffenfans mit Smartphones
Vier Influencer:innen reisen im Campingbus durch Deutschland und haben
viel Spaß. Der Haken: Sie bewerben die Bundeswehr und lieben Waffen.
Pläne zu neuer Wehrpflicht: Pistorius will Wehrerfassung
Der SPD-Verteidigungsminister will erfassen, wer für den Dienst an der
Waffe bereitstünde. Seine Partei war in der Frage bislang zurückhaltend.
Verteidigungsminister stellt Pläne vor: Rang und schlank
Führungsstrukturen der Bundeswehr sollen gestrafft, eine neue
Cyberstreitkraft geschaffen werden. Auch an eine Rückkehr der Wehrpflicht
wird gedacht.
Debatte um Wehrpflicht und Abhörskandal: Demokratische Abwehrbereitschaft
Deutschland mangelt es an Abwehrbereitschaft, dafür muss Personal her. Aber
auch Diplomatie und Desinformation im Netz müssen mitgedacht werden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.