# taz.de -- Debatte um Sozialwohnungsbau in Berlin: Systemwechsel verpasst | |
> Berlin zahlt höhere Fördergelder für den Bau von Sozialwohnungen. Eine | |
> Lösung für dauerhaft bezahlbares Wohnen ist das aber nicht. | |
Bild: Sozialwohnungsbau (Symbolbild) | |
Berlin hat zu wenige Sozialwohnungen. Ihr Neubau ist daher eine der | |
dringendsten Aufgaben der Regierung. Das vom Berliner Senat ausgegebene | |
Ziel von 5.000 bezahlbaren neuen Wohnungen pro Jahr ist angesichts der | |
Unterversorgung eigentlich unterambitioniert: Sie würde gerade so | |
ausreichen, um den Verlust bisheriger Sozialwohnungen, für die die | |
Bindungen auslaufen, auszugleichen. | |
Tatsächlich jedoch hinkt Berlin diesem Ziel deutlich hinterher. Nur etwa | |
1.500 geförderte Wohnungen sind bislang in diesem Jahr dazugekommen. | |
[1][Anträge für den Bau neuer Sozialwohngen gab es bis Mitte September | |
überhaupt keine]. Während die finanzielle Überforderung für viele Haushalte | |
steigt, sinkt die Zahl günstiger Wohnungen weiter. Der Handlungsdruck auf | |
den Senat ist also groß. Doch wie so oft, wenn die Aufgaben riesig sind, | |
steht am Ende ein Ergebnis des kleinen Kompromisses. | |
Am Mittwoch hat der Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses die [2][neue | |
Förderung für den Sozialwohnungsbau] beschlossen. Kernpunkt dabei: Für den | |
Bau gibt es wesentlich mehr Geld. Damit wird den deutlich erhöhten | |
Baukosten Rechnung getragen, und es wird auch wieder Anträge zum Bau neuer | |
Sozialwohnungen geben. Viele potenzielle Bauherren, darunter auch die | |
kommunalen Wohnungsbaugesellschaften, haben mit ihren Anträgen auf die | |
absehbare höhere Förderung gewartet. | |
Insgesamt aber bleibt das dysfunktionale System bestehen. Mit viel, viel | |
Geld schafft man Anreize zum privat organisierten Bau von Sozialwohngen, | |
deren Bindungen nach 30 Jahren auslaufen. Spätestens. Denn die Ablösung der | |
Darlehen ist auch künftig schon im zwölften Jahr möglich und damit auch das | |
frühzeitige Ende der Mietpreisbindungen. | |
Möglich bleibt zudem die Umwandlung einstiger Sozial- in | |
Eigentumswohnungen, auch wenn der Senat die Schutzfristen für die | |
Mieter:innen vor Eigenbedarfskündigungen hier auf zehn Jahre erhöht hat. | |
Das faktische Umwandlungsverbot für den freien Markt greift bei | |
Sozialwohnungen nicht. | |
## SPD setzt auf Private | |
Was möglich wäre, aber die SPD nicht will, ist ein Systemwechsel hin zu | |
einer direkten Finanzierung des Sozialwohnungsbaus durch | |
gemeinwohlorientierte Akteure wie den landeseigenen | |
Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften. Der Vorschlag für eine | |
Bauhütte, die die Kapazitäten der Landeseignen für Planung und Bau vereint, | |
liegt auf dem Tisch. Nur wenn Wohnungen von Akteuren ohne maximale | |
Gewinnabsicht errichtet werden, können Sozialwohnungen auch dauerhaft für | |
einkommensschwache Mieter:innen zur Verfügung stehen. Eine Diskussion | |
darüber, so haben es Grüne und Linke immerhin durchgesetzt, findet nächstes | |
Jahr statt. | |
Bislang aber setzt die SPD lieber auf den Markt und Anreize für die | |
Privaten. Mit den neuen Richtlinien hat sie durchgesetzt, dass | |
Wohnungsunternehmen eine Förderung auch nur für den Bau teurerer | |
Sozialwohnungen für 9 Euro pro Quadratmeter Einstiegsmiete erhalten können, | |
anstatt dass sie – wie bisher – dazu verpflichtet werden, zunächst einen | |
Anteil günstige Wohnungen für 6,60 Euro Miete pro Quadratmeter zu bauen. | |
Um zu verhindern, dass gar keine Förderung mehr für die am dringendsten | |
benötigten Wohnungen abgerufen werden, wurde auf Drängen von Linken und | |
Grünen vereinbart, dass maximal 20 Prozent der Fördersumme für die teureren | |
Sozialwohnungen ausgeschüttet werden dürfen. Auch ist festgeschrieben, dass | |
die [3][Kooperationsvereinbarung mit den landeseigenen Wohnungsunternehmen] | |
mit genau regulierten Quoten dafür, wie viele Wohnungen zu welchem Preis | |
entstehen müssen, unangetastet bleibt. | |
Ebenso ausgenommen von den neuen Förderrichtlinien ist das Modell der | |
[4][kooperativen Baulandentwicklung], mit der private Bauträger großer | |
Projekte dazu verpflichtet werden können, 30 Prozent der Wohnungen für | |
einen Einstiegspreis von 6,70 Euro Miete pro Quadratmeter zu bauen. | |
Ergo: Wirklich viel verändert hat sich durch die Neufassung der Förderung | |
nicht. Für das Problem mangelnder Sozialwohnungen – noch gibt es etwa | |
85.000 bei einer Million anspruchsberechtigter Berliner:innen – fehlt | |
weiterhin eine wirkliche Lösungsperspektive. | |
17 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Null-neue-Sozialwohnungen-in-Berlin/!5877790 | |
[2] /Foerderung-von-Sozialwohnungsbau/!5877881 | |
[3] /Landeseigene-Wohnungsgesellschaften/!5865640 | |
[4] /Modell-Kooperative-Baulandentwicklung/!5873152 | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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