# taz.de -- Debatte um Rihannas Babybauch: Zeigt her eure Bäuche | |
> Die US-Sängerin Rihanna inszeniert öffentlich ihren nackten Babybauch. | |
> Damit stellt sie das gängige Bild von schwangeren Frauen infrage. | |
Bild: Setzt ihren Babybauch in Szene: Rihanna, hier Anfang März auf dem Weg zu… | |
Im Januar schlenderte die neunfache Grammy-Gewinnerin und milliardenschwere | |
Unternehmerin Rihanna vermeintlich zufällig mit ihrem Partner [1][ASAP | |
Rocky] durch Harlem. Zufällig war daran nichts. Weder ihr nackter | |
Babybauch, über und über mit Schmuck behängt, noch lief das Paar | |
Starfotograf Miles Diggs einfach so über den Weg. Nein, Rihanna zeigte der | |
Welt an diesem eiskalten Januartag ganz bewusst und unter ihren eigenen | |
Bedingungen: Ich bin schwanger. | |
Die Bilder gingen innerhalb kürzester Zeit im Internet viral, die | |
Frankfurter Allgemeine bezeichnete sie als „meisterhafte Vorführung von | |
Medienmacht“, die britische Ausgabe des Magazins Glamour meinte: „Rihanna | |
gibt dem ‚Maternity Style‘ im Alleingang einen neuen Namen“. Und die | |
Süddeutsche Zeitung widmet dem Paar eine ganze Stilkritik. Kurzum: Die Welt | |
scheint beim Anblick eines nackten Babybauchs plötzlich kopfzustehen. | |
Während die einen die Bilder, das Outfit, ja, das Zelebrieren feiern, | |
fragen die anderen nur kritisch, warum etwas so Privates so öffentlich | |
präsentiert werden muss. | |
Aber ist es das denn? Gibt es, abgesehen von der tatsächlichen Zeugung und | |
das eigentlich auch nur, wenn heterosexuelle Paare das Glück haben, auf | |
natürlichem Weg ein Kind zeugen zu können, noch etwas Privates an einer | |
Schwangerschaft? Nein, denn [2][Schwangerschaft ist hochpolitisch]. | |
## Weltweiter Kampf um körperliche Selbstbestimmtheit | |
Alle haben plötzlich Fragen, Forderungen und Anmerkungen, dabei hat die | |
Schwangere meist noch gar keine Antworten für sich selbst gefunden – warum | |
sollte sie auch?! Das Umfeld aber will Antworten und die gelten keinesfalls | |
als privat: Ob sie stillen will – aber bitte ja doch! Aber natürlich auch | |
nicht zu lange. Eine Geburt ohne Schmerzmittel wird vorausgesetzt, genauso | |
wie mindestens ein Jahr Elternzeit. | |
Aber danach soll es doch auch bitte zurück an die Arbeit gehen, aber das | |
Kind bloß nicht den ganzen Tag in die Kita schicken, das Geschwisterchen | |
soll nicht lange auf sich warten lassen. Und bei all den Aufgaben gehört es | |
sich natürlich nicht, sich zu beschweren, müde auszusehen oder nicht | |
parallel sehr erfolgreich seinem Job nachzukommen. | |
Schon die Entscheidung, Kinder bekommen zu wollen oder eben nicht, wird | |
immer von allen Seiten kommentiert, hinterfragt und kritisiert. Frauen in | |
der Selbstständigkeit machen sich praktisch mit dem positiven | |
Schwangerschaftstest Gedanken darüber, wie sie sich eine Elternzeit leisten | |
können. Und selbst bei einer Festanstellung stellt sich die Frage nach | |
weiteren Aufstiegschancen und dem Wiedereinstieg – nicht selten winken | |
Arbeitgeber nämlich am ersten Arbeitstag nach der Elternzeit mit der | |
Kündigung. | |
Überall auf der Welt werden gerade – mal wieder – Kämpfe um körperliche | |
Selbstbestimmtheit gefochten und leider nicht zuletzt auch häufig verloren. | |
In den USA beispielsweise will der Supreme Court offenbar das Recht auf | |
Abtreibung kippen. In der Öffentlichkeit werden Schwangere begutachtet: Ist | |
sie zu dick, zu dünn, wie kleidet sie sich, was isst sie, was trinkt sie – | |
kurz: Verhält sie sich verantwortungsvoll? Bei einer Schwarzen Frau und WoC | |
potenziert sich dieses Verhalten nur noch, denn ihr Körper wird öffentlich | |
noch mehr objektifiziert. | |
## Der Babybauch als allgemeiner Besitz | |
Zudem wird der Bauch plötzlich zum allgemeinen Besitz. Sobald er sichtbar | |
ist, wird er gestreichelt, getätschelt und begutachtet – egal wo, egal von | |
wem. Ja, das passiert bei Frauenkörpern auch ganz ohne Schwangerschaft, | |
scheint aber während einer solchen gemeinhin vollkommen in Ordnung zu sein. | |
Ohne ein Wort setzt Rihanna mit ihren Bildern ein ganz klares Zeichen: Mir | |
ist egal, was ihr denkt, ich höre nicht auf, als Frau zu existieren, nur | |
weil ich ein Kind in mir trage. Und damit konfrontiert sie die | |
Gesellschaft, die jahrhundertelang Schwangere aus der Öffentlichkeit | |
ausgeschlossen hat und die physische Realität von Schwangerschaft gleich | |
mit. Ja, ich hatte Sex – so what?! Während schwangere Frauen in der Antike | |
noch verehrt und als physische Verkörperung der Verbindung der Frau mit | |
„Mutter Erde“ angesehen wurden, hat sich dieses Bild seit dem Mittelalter | |
stark gewandelt. | |
Eine Schwangerschaft wurde als fast schändlicher Zustand, als Zeichen der | |
Instabilität angesehen und wurde deswegen auch bis zur Geburt des Kindes | |
besser verborgen. Nicht selten häufen sich daher Aufzeichnungen oder auch | |
Darstellungen in Filmen und Serien, in denen schwangere Frauen ihre gesamte | |
Schwangerschaft abseits aller anderen verbringen oder ihnen strikte | |
Bettruhe verordnet wird. Selbst Prinzessin Diana hüllte ihren Babybauch | |
Mitte der 1980er Jahre noch in gerüschte und weite Kleider. Anfang der | |
1990er waren es wiederum prominente Frauen, die ihre Schwangerschaft nicht | |
mehr verstecken wollten. Das Porträt der hochschwangeren und nackten | |
Schauspielerin Demi Moore in der Vanity Fair 1991 sorgte für enormes | |
Aufsehen. Die New York Times meinte damals, Moore läutete damit das | |
„Zeitalter der Schwangerschaftskunstporträts“ ein. | |
## Promi-Frauen feiern ihre schwangeren Körper | |
In den folgenden Jahren schlossen sich ihr weitere Frauen an wie Model | |
Cindy Crawford, Sängerin Britney Spears und Tennisspielerin Serena | |
Williams. 2017 stellte die Sängerin Beyoncé mit ihren Babybauchbildern | |
sogar einen neuen Weltrekord auf. Hochschwanger mit Zwillingen, ließ sie | |
sich in Unterwäsche und einem Schleier ablichten. 9,9 Millionen Likes und | |
450.000 Kommentare brachten ihr damals mal eben einen neuen | |
Instagram-Like-Weltrekord ein. Doch nicht nur das. Beyoncé zeigte nicht nur | |
ihren nackten Bauch, sie spielte mit ihren Bildern auch noch mit dem | |
Klischee: Durch den Schleier und die riesige Blumendekoration im | |
Hintergrund wirkt das gesamte Setting fast wie auf einer Hochzeit. | |
Rihanna bringt diesen Trend mit ihren Bildern auf ein neues Level. Denn | |
auch wenn die Bilder und ihre Auftritte inszeniert sind, bringt sie den | |
nackten Babybauch in den Alltag. Egal ob im Urlaub, auf dem neuen Cover der | |
Vogue, oder auf dem roten Teppich, Rihanna zeigt zurzeit ihren Bauch und | |
zwar voller Stolz. Sie verhüllt ihren Körper nicht, steckt ihn nicht in die | |
gängige verspielte Umstandsmode mit Schleifen, Streifen oder Blumenmustern. | |
Sie selbst bezeichnet ihren Look als „rebellisch“ und das ist er auch. | |
Die Sängerin traut sich das, was die Modeindustrie schwangeren Frauen wegen | |
ihrer gesellschaftlichen Normen bisher verwehrt: aufzufallen, sich | |
weiterhin extravagant zu kleiden oder auch einfach nur aktuelle Trends zu | |
tragen. Rihanna wehrt sich mit ihren Outfits dagegen, [3][als | |
„Gebärmaschine“ wahrgenommen zu werden.] Dabei hat sie einfach nur | |
beschlossen, weiterhin sie selbst zu sein und das ist wohl das Radikalste, | |
was eine schwangere Frau in der Öffentlichkeit tun kann. | |
6 May 2022 | |
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## AUTOREN | |
Malaika Rivuzumwami | |
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