# taz.de -- Debatte um Ehegattensplitting: SPD-Politikerinnen für Abschaffung | |
> Führende SPD-Landespolitikerinnen stellen sich hinter den Vorschlag von | |
> Parteichef Klingbeil, das Ehegattensplitting abzuschaffen. Die FDP ist | |
> dagegen. | |
Bild: Serpil Midyatli (SPD) spricht sich für die Abschaffung des Ehegattenspli… | |
BERLIN taz/dpa/epd | Der Vorschlag von SPD-Chef Lars Klingbeil, [1][das | |
Ehegattensplitting abzuschaffen], stößt bei führenden | |
SPD-Landespolitikerinnen auf Zustimmung. Die Vorsitzende der SPD | |
Schleswig-Holstein, Serpil Midyatli, befürwortet eine Abschaffung auch aus | |
volkswirtschaftlichen Gründen. „Bis heute wird selbst noch zu Zeiten des | |
Fachkräftemangels für den Partner oder die Partnerin mit dem niedrigeren | |
Einkommen der Anreiz gesetzt, weniger zu arbeiten.“ Das seien zu einer | |
überwältigenden Mehrheit Frauen, „die in Wirklichkeit gar keine | |
Wahlmöglichkeit haben, selbst zu entscheiden, wie viel sie arbeiten | |
möchten, denn oftmals lohnt sich Mehrarbeit schlichtweg nicht.“ | |
Wenn die 2,5 Millionen Mütter, die derzeit Teilzeit arbeiteten, ihre | |
Arbeitszeit um nur eine Stunde erhöhten, dann könnten dadurch etwa 70.000 | |
Vollzeitstellen geschaffen werden, rechnet Midyatli vor. „So ginge | |
Fachkräftesicherung in einem modernen Land.“ Das Ehegattensplitting sei | |
nicht mehr zeitgemäß. | |
Ähnlich argumentiert auch der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf | |
Hickel gegenüber epd. Empirische Untersuchungen zeigten, „dass in | |
Deutschland dieses konservative Steuerrecht eine Vielzahl von Frauen bei | |
der Erwerbsbeteiligung ausgebremst hat“, so Hickel. Wer heute am | |
Ehegattensplitting festhalte, konserviere „dieses die Frauen | |
diskriminierende Familienmodell und verhindert deren berufliche | |
Entfaltung“. | |
Beim Ehegattensplitting wird das gemeinsame Einkommen eines Paares | |
halbiert, die darauf entfallende Einkommensteuer berechnet und die | |
Steuerschuld anschließend verdoppelt, was vereinfacht gesagt dazu führt, | |
dass jede Partner:in die Hälfte des gemeinsamen Einkommens versteuert. | |
Das nützt vor allem Paaren, bei denen eine Person viel und die andere wenig | |
verdient. Das Ehegattensplitting wurde 1958 erst auf Veranlassung des | |
Bundesverfassungsgerichts ins Einkommensteuergesetz geschrieben und in | |
Urteilen bestätigt. Unter anderem mit dem Hinweis, der vom Gesetzgeber | |
zugrunde gelegte Zweck sei unter anderem „eine besondere Anerkennung der | |
Aufgabe der Ehefrau als Hausfrau und Mutter“. | |
## Gerechtes Steuerrecht für Familien | |
Die [2][Abschaffung des Splittings fordern Feminist:innen seit Jahren]. | |
Klingbeil hatte die Diskussion in dieser Woche erneut angefacht, als er in | |
einem Interview vorschlug, statt der geplanten Einsparungen beim Elterngeld | |
lieber das Ehegattensplitting für neue Ehen abzuschaffen. Aus seiner Sicht | |
wäre es gut, diesem „antiquierten Steuermodell, das die klassische | |
Rollenverteilung zwischen Mann und Frau begünstigt“, ein Ende zu setzen. | |
Unterstützung erhält er auch von Mecklenburg-Vorpommerns | |
Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). Sie hat sich dafür | |
ausgesprochen, das steuerliche Ehegattensplitting zu einem Instrument zur | |
Entlastung von Familien umzubauen. „Das Steuerrecht ist schon lange für | |
Familien sehr ungerecht und es wäre sehr fortschrittlich, wenn die Ampel | |
die Kraft findet, das zu ändern“, sagte Schwesig dem Spiegel. Wichtig sei | |
ihr dabei, Kinder stärker zu berücksichtigen. | |
Schwesig sprach sich dafür aus, das Ehegattensplitting für künftige Ehen | |
abzuschaffen und „stattdessen ein gerechtes Steuerrecht für alle Familien | |
einzuführen“. | |
Auch Midyatli findet, dass „das Ehegattensplitting unserem | |
gleichberechtigten Familienbild überhaupt nicht mehr gerecht wird.“ Es | |
benachteilige Alleinerziehende und nicht verheiratete Paare. „Wir brauchen | |
endlich einen Aufbruch für Familien. Deshalb reden wir über ein neues | |
Elterngeld, die Kindergrundsicherung und auch über die Abschaffung des | |
Ehegattensplittings.“ Alle drei Maßnahmen seien gleichermaßen wichtig. | |
## Union und FDP gegen Abschaffung | |
Union und FDP sind gegen eine Abschaffung des Splittings. „Nach dem Chaos | |
beim Heizungsgesetz will die SPD-Spitze nun die Axt an das | |
Ehegattensplitting legen, das insbesondere für kinderreiche Familien mit | |
niedrigem und mittlerem Einkommen von hoher Bedeutung ist“, sagte der | |
Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei dem Spiegel. „Das wäre nichts | |
anderes als eine gigantische Steuererhöhung.“ | |
So sieht es auch die FDP. „Die SPD wäre gut beraten, den politischen | |
Krawall jetzt gut sein zu lassen“, sagte der stellvertretende | |
Fraktionsvorsitzende Christoph Meyer der dpa. Mäßigung sei das Gebot der | |
Stunde. Der Koalitionsvertrag sei beim Ehegattensplitting klar, und | |
Steuererhöhungen werde es nicht geben. | |
In ihrem Koalitionsvertrag haben sich SPD, Grüne und FDP eigentlich eine | |
Reform und keine Abschaffung vorgenommen: Nur die Steuerklassen beim | |
Ehegattensplitting sollen geändert werden. Beide Partner würden dann in | |
Steuerklasse 4 einsortiert, was die monatliche Steuerlast etwas anders | |
verteilt. Eine Abschaffung, wie Klingbeil sie vorschlägt, wird die FDP | |
nicht zulassen. | |
(Mit Agenturen) | |
12 Jul 2023 | |
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## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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