# taz.de -- Debatte Trumps Rhetorik und Pittsburgh: Soros als Synonym | |
> Trump und seine Anhänger bedienen antisemitische Verschwörungstheorien. | |
> Einer dient ihnen besonders als Sündenbock. | |
Bild: Vielen dient der Philantrop George Soros als Sündenbock für ihre verfeh… | |
Die von den Demokraten erhoffte „Blaue Welle“ [1][ist ausgeblieben]. Zwar | |
hat die Partei bei den Zwischenwahlen am Dienstag einen wichtigen | |
Etappensieg gegen Präsident Trump errungen: Sie hat nun die Mehrheit im | |
Repräsentantenhaus inne und stellt sieben neue Gouverneure. Die | |
Republikaner konnten aber ihre Mehrheit [2][im Senat ausbauen]. Alles | |
deutet nun darauf hin, dass die kulturellen Gräben noch tiefer, der | |
politische Diskurs noch feindseliger werden. Trump sprach bereits von Krieg | |
– denn das Rennen um die Präsidentschaftswahlen 2020 hat am Mittwoch | |
begonnen. | |
In den vergangenen Monaten haben die Republikaner alles darangesetzt, ihre | |
Stammwählerschaft, aber ebenso die „silent majority“ bis hin zum äußerst… | |
rechten Rand für sich zu mobilisieren: auch mit rassistischen und | |
antisemitischen Botschaften. Obwohl Trump eine ausgesprochen | |
[3][israelfreundliche Außenpolitik] verfolgt und man ihn gewiss nicht als | |
Antisemiten bezeichnen kann, blicken die Kritiker Trumps – spätestens | |
[4][seit dem 27. Oktober], als ein Amokläufer elf Menschen in einer | |
Pittsburgher Synagoge erschoss – genau auf die Rhetorik der Republikaner. | |
Haben sich Trump und seine Parteigänger – willentlich oder fahrlässig – | |
antisemitische Verschwörungstheorien zu eigen gemacht, um latent oder offen | |
judenfeindliche Wähler anzusprechen? Dabei geht es um einen viel größeren | |
Kreis als den der rechten Fanatiker und Verschwörungstheoretiker, die vor | |
allem im Internet gegen Juden hetzen. Es geht um die Stimmen von etwa 11 | |
bis 22 Million weißen Amerikanern, die laut Umfragen zumindest in Teilen | |
mit Ideen der Alt-Right-Bewegung sympathisieren und [5][deren | |
Verschwörungstheorien] für plausibel halten. | |
Um diese potenziellen Unterstützer für sich zu gewinnen, haben die | |
Republikaner Hass und Ängste geschürt. Ihre Strategie, den politischen | |
Gegner zu dämonisieren und ihn als Bedrohung für das Wohl der eigenen Basis | |
zu brandmarken, findet in George Soros ihr zentrales Feindbild. Den in | |
Ungarn geborenen jüdischen Investor und Philanthropen, der Milliarden für | |
die Stärkung der Zivilgesellschaft ausgegeben hat und die Demokraten | |
finanziell unterstützt, zeichnen die Republikaner als Repräsentanten einer | |
liberalen Gesellschaftsordnung, die sie ablehnen. | |
## Antisemitismus hat viele Umschreibungen | |
Nicht nur in Ungarn, wo er zu [6][den Erzfeinden Victor Orbáns] zählt, bei | |
Ukip und den Brexiteers oder bei der FPÖ ist der Name „Soros“ zu einem | |
antisemitischen Codewort geworden – vergleichbar etwa mit „Rothschild“, | |
„Hochfinanz“ oder „Ostküste“. Wer antisemitische Vorurteile hegt oder … | |
empfänglich ist, dem signalisiert die Verwendung einer dieser Begriffe, | |
dass ein Komplott einer „globalistischen Elite“ am Werk ist. In den USA | |
haben Trump und seine Partei diese antisemitische Verschwörungstheorie vom | |
rechten Rand in die Mitte des politischen Diskurses getragen. | |
Schon im Präsidentschaftswahlkampf von 2016 wurde Soros von Trump als | |
Inbegriff dieser „globalistischen Elite“ denunziert, welche die | |
amerikanische Bevölkerung ausbeute. Hinter dem Protest gegen den höchst | |
umstrittenen Verfassungsrichter Brett Kavanaugh sah Trump „Soros und | |
andere“ am Werk. Und prominente Republikaner behaupten, Soros finanziere | |
die sogenannte Migranten-Karawane, in der sich derzeit Tausende Menschen | |
aus Mittelamerika auf die Südgrenze der USA zubewegen. Trump, der im | |
Wahlkampf gezielt die Angst vor Migranten geschürt hat, hebt diese | |
Verschwörungstheorie in den Bereich des Plausiblen. Gefragt, ob Soros die | |
Karawane mit seinem Geld ermögliche, antwortete Trump: „A lot of people say | |
yes.“ | |
Ultrarechte Kreise wie die Alt-Right-Bewegung und fanatische Einzelgänger | |
wie der Attentäter von Pittsburgh oder Cesar Sayoc, der Briefbomben an | |
Soros und andere verschickte, müssen sich vom US-Präsidenten bestätigt und | |
ermutigt fühlen. „Die Juden“, insbesondere Soros und jüdische | |
Flüchtlingshilfsorganisationen, sehen sie als Hintermänner eines | |
angeblichen Genozids an der weißen Bevölkerung: In den USA finde ein | |
koordinierter Bevölkerungsaustausch statt, wonach Juden nichtweiße | |
Einwanderer systematisch ins Land brächten, um die „weiße Rasse“ zu | |
ersetzen. Wenn Trump nun die Theorie im Umlauf hält, dass Soros die | |
Flüchtlings-Karawane finanziere, spielt er Rassisten und Antisemiten genau | |
in die Hände. | |
Und deren Zerstörungspotenzial sollte man spätestens seit Pittsburgh | |
keinesfalls unterschätzen. Geblickt werden muss aber auch auf die Millionen | |
potenzieller Sympathisanten, die Wahlen entscheiden können. Auch ihnen | |
gegenüber funktioniert der Hinweis auf Soros als Code, um eine | |
vermeintliche Verschwörung zu entlarven. | |
## Ablenken von politischen Versäumnissen | |
Und Soros personifiziert nicht nur den politischen Gegner, er wird zugleich | |
auch zum Sündenbock für die politischen Versäumnisse der Trump-Regierung. | |
Wenn man nicht erklären kann, warum Amerika trotz der Machtfülle der | |
Republikaner noch nicht „great again“ und auch der Washingtoner „Sumpf“ | |
noch nicht trocken gelegt ist, schiebt man die Schuld auf Soros. Für all | |
die Trump-Wähler, deren Hoffnungen er eigentlich enttäuscht hat, bietet | |
sich so die Lösung eines Dilemmas: Anstatt sich vom Präsidenten abzuwenden, | |
flüchtet man sich in antisemitische Verschwörungstheorien und schiebt | |
vermeintlich allmächtigen Juden wie Soros die Schuld daran zu, dass Trump | |
seine Versprechen noch nicht einlösen konnte. | |
In Deutschland sollte man das nicht als amerikanisches Spektakel abtun. Es | |
ist kein Zufall, dass gerade der AfD-Rechtsausleger und Steve | |
Bannon-Bewunderer Petr Bystron es sich zum Ziel gemacht hat, ein | |
angebliches Komplott zwischen der Regierung Merkel und Soros aufzudecken. | |
Dieses wolle, so Bystron auf Twitter, „massiv die öffentliche Meinung | |
beeinflussen“. Auch in Deutschland benutzen rechte Kreise den Namen Soros | |
als Signalwort. | |
11 Nov 2018 | |
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## AUTOREN | |
Jacob Eder | |
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