# taz.de -- Debatte Obamas Außenpolitik: König der Drohnen | |
> Barack Obama trat 2008 als „Friedenskandidat“ an. Doch seine Außenpolitik | |
> unterscheidet sich kaum von der der letzten Bush-Jahre. Eine traurige | |
> Bilanz. | |
Bild: Drohnenopfer wählen nicht: Wahlkampfwerbung für Barack Obama. | |
Wer die Sicherheitspolitik von Obama verstehen will, sollte sich auf keinen | |
Fall an der Wahlkampagne von 2008 orientieren. Damals versprach der | |
Außenseiter eine dramatische Wende in der Außenpolitik: Guantánamo sollte | |
innerhalb eines Jahres geschlossen, Folter und illegale Auslieferungen | |
gestoppt, die Befragungs- und Inhaftierungspolitik der Bush-Jahre revidiert | |
werden. Als Gegner des Irakkrieges galt Obama als „Friedenskandidat“ im | |
Gegensatz zu Hillary Clinton und John McCain. Böse Regime würden auf | |
diplomatischem Weg ausgeschaltet – wenn möglich. | |
Doch noch vor seinem Einzug ins Weiße Haus, signalisierte sein Kabinett, | |
dass Obama stark auf Kontinuität setzen würde. Es war die unsichtbare Hand | |
der Clintons, welche die Schlüsselposten besetzte: Hillary als | |
Außenministerin, Holbrooke als Afghanistanbeauftragter, Panetta an der | |
Spitze der CIA. Bushs Verteidigungsminister Robert Gates blieb im Amt und | |
John Brennan, Bushs Mann für Guantánamo, wurde Obamas Berater bei der | |
Terrorbekämpfung. Um nur einige zu nennen. | |
David Petraeus, Bushs General im Irak, würde später das Kommando in | |
Afghanistan übernehmen und anschließend den Direktorposten des CIA. Die | |
Ernüchterung kam also schnell. Tatsächlich waren die außenpolitischen | |
Veränderungen zwischen der ersten und zweiten Amtsperiode von Bush | |
gravierender als die Unterschiede zwischen letzterer und Obamas | |
Außenpolitik. | |
## Menschenrechtsverletzungen outgesourct | |
Obama beendete die „verschärften Verhörtechniken“ der CIA. Doch hatte die | |
Bush-Administration diese während der zweiten Amtsperiode bereits | |
aufgegeben. Obama schloss auch die berüchtigten „black sites“, in denen die | |
CIA im Ausland Verdächtige folterte. Stattdessen schickte Obama Gefangene | |
in Länder, die die Menschenrechte missachten, und lagert so deren | |
Verletzung einfach aus. | |
Es dauerte dann ein ganzes Amtsjahr, bis Obama sich mit Guantánamo auch nur | |
befasste. Zugegeben, der Kongress blockierte den Transfer von Gefangenen | |
von Kuba ins Mutterland, und weil die USA niemanden aufnahmen, verweigerten | |
sich auch alle anderen Länder. Heute wird Guantánamo kaum noch erwähnt. Es | |
gibt keine Pläne, das Gefängnis zu schließen. | |
Sollte Obama wirklich vorgehabt haben, die Arbeitsweise der | |
US-Geheimdienste zu verändern, dann hat er schnell gelernt, wie mächtig | |
seine Gegner sind. Insider sagen, Obama wollte hässliche Kämpfe vermeiden, | |
um die Gesundheitsreform durchzuboxen. Italien, Polen und die Briten haben | |
hingegen ihre fragwürdigen Agenten strafrechtlich verfolgt, ohne Rücksicht | |
auf interne Machtkämpfe. | |
## Rund 4.400 „gezielte“ Tötungen | |
In Bezug auf Afghanistan hatte Obama bereits in seiner Wahlkampagne | |
klargestellt, dass der Krieg dort, im Gegensatz zum Einmarsch in den Irak, | |
richtig sei. Anstatt auf seinen Vize Joseph Biden zu hören, hielt es Obama | |
lieber mit den Militärs, die die Aufstockung in Afghanistan auf 30.000 | |
Soldaten verlangten. Heute redet man nur noch vom Truppenabzug. | |
Danach wurde der „Counterterrorism“ die Strategie der Wahl, genauer gesagt | |
der Kampf gegen al-Qaida mithilfe von Drohnen, Raketen und den | |
Spezialeinsätzen. Obama mag diese kosteneffektive, flexible | |
Kriegsstrategie, die Verluste auf amerikanischer Seite gering hält. | |
Gezielte Tötungen gehören schon lange ins Repertoire des amerikanischen | |
Staates, aber zum ersten Mal trägt ein Präsident sie voller Stolz vor sich | |
her. | |
Obama geht bei den „gezielten“ Tötungen viel weiter als Georg W. Bush. „… | |
Drohnen der CIA sind des Präsidenten persönliche Luftwaffe geworden und die | |
Soldaten für Spezialeinsätze sind seine Privatarmee, die nun freie Hand | |
haben, auch jenseits der offiziellen Kriegszonen ihren geheimen Geschäften | |
nachzugehen“, kritisiert Tom Engelhardt im Magazin The Nation. Von 2005 bis | |
2012 flogen US-Drohnen 2.400 Angriffe. Insgesamt wurden dabei rund 4.400 | |
Menschen getötet. „Obama schickt keine Terrorverdächtigen mehr nach | |
Guantánamo, um sie foltern zu lassen“, lautet ein beliebter Witz, „er | |
schickt lieber gleich Drohnen, um sie umzubringen.“ | |
Eine der größten Erfolge Obamas, war die Exekution von Bin Laden in | |
Pakistan. Obama hat damit etwas hinbekommen, was noch keinem Demokraten vor | |
ihm gelang: Er hat das Stigma erschüttert, Demokraten seien Schwächlinge in | |
Sachen Sicherheit. Vielleicht wird er genau deshalb die Wahlen gewinnen. | |
Aber was passiert, wenn demnächst auch andere den Einsatz von Drohnen | |
intensivieren? Israel hat damit bereits begonnen. | |
## Doch, es geht noch schlimmer | |
Zu Obamas Verteidigung muss man festhalten: Er hat die Truppen aus dem Irak | |
geholt (dem Zeitplan von Bush folgend) und einen Zeitplan für den Abzug in | |
Afghanistan ausgearbeitet. Er hat das US-Engagement für Bündnispolitik | |
verstärkt, was erfolgreiche Einsätze wie etwa in Libyen ermöglichte. Libyen | |
hat auch gezeigt, dass Obama im Notfall Waffen einsetzt, um Menschenrechte | |
zu schützen, wie im Wahlkampf versprochen. | |
Die Beziehungen zu Europa – sofern vorhanden – sind geschmeidiger geworden | |
als in den Bush-Jahren. Die beeindruckende Rede in Kairo hat eine wichtige | |
Botschaft in die arabische Welt gesendet, dass Amerika eben nicht nur ein | |
Gesicht hat und der Islam an sich für die Demokraten kein Problem | |
darstellt. Auch wenn es Obama schwer fiel, diesen Worten Taten folgen zu | |
lassen, er hat etwas von dem Schaden wiedergutgemacht, den Abu Ghraib, der | |
Krieg im Irak und Bushs islamfeindliche Äußerungen angerichtet haben. | |
Was ist von einer zweiten Amtszeit Obamas zu erwarten? Wir haben gelernt, | |
Obamas öffentlichem Auftritt kein Vertrauen mehr zu schenken. Fast hat man | |
den Eindruck, „als ob die Reden Obamas der einen Hälfte seines Gehirn | |
entspringen und seine Politik der anderen“, sagte der US-Journalist James | |
Mann in seinem Buch „The Obamians“ (Die Obamianer). Feststeht auch, dass | |
der riesige Verteidigungsetat auch unter Obama nicht schrumpfen wird. Aber | |
so bitter das ist, es kann noch schlimmer kommen: Gewinnt das Gespann Mitt | |
Romney/Paul Ryan die Wahlen im kommenden November, werden wir das erleben. | |
4 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Paul Hockenos | |
## TAGS | |
Irak | |
US-Drohnen | |
George W. Bush | |
Schwerpunkt USA unter Donald Trump | |
Schwerpunkt Syrienkrieg | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Irakisches Kriegsgefängnis Abu Ghraib: Häftlinge erhalten Entschädigung | |
Vier Millionen Euro als Wiedergutmachung für Misshandlungen: So viel | |
erhalten 71 Ex-Gefangene aus Abu Ghraib von einem Subunternehmen der | |
US-Armee. | |
Daten von US-Drohnen leicht zugänglich: Ich sehe das, was du auch siehst | |
Die unbemannten US-Flugdrohnen sind immer noch unzureichend gesichert. Ihr | |
Videosignal kann mit der richtigen Ausrüstung quasi jeder abfangen. | |
Debatte Europa und US-Wahl: Obamas größte Fans | |
Wenn die Europäer über den amerikanischen Präsidenten zu entscheiden | |
hätten, wäre alles klar. Ihre Devise: Nie wieder einen wie Bush! | |
Obamas Wahlkampfrede: „Unser Weg ist härter“ | |
Barack Obama bittet in seiner Rede bei der Convention der Demokraten um | |
mehr Zeit. Er sagte, die Wähler stehen vor der Wahl zwischen zwei Visionen | |
für die USA. | |
US-Demokraten in Charlotte: „Lasst Obama im Amt“ | |
Die US-Demokraten haben Barack Obama offiziell als Kandidaten für die Wahl | |
im November nominiert. Zuvor verteidigte ihn sein ehemaliger Kontrahent | |
Bill Clinton. | |
Kommentar Parteitag Demokraten: Die sozialdemokratischen Obamas | |
Es ist nicht egal, ob Obama oder Romney die Wahlen gewinnt. Das zeigt ein | |
Blick in die Wahlprogramme von Demokraten und Republikanern. | |
Wahlkampf in den USA: Die Stimme ihres Präsidenten | |
Sehr Emotional inszeniert sich Michelle Obama auf dem Parteitag. Damit | |
bereitet sie den Boden für die Wiederwahl ihres Gatten. | |
Umweltpolitik im US-Wahlkampf: Klimawandel ist kein Thema | |
Mitt Romney setzt auf Öl und Kohle. Präsident Obama hat seine grünen Wähler | |
enttäuscht, endeckt die Umwelt aber wieder. | |
Kommentar Obamas Drohung gegen Syrien: Nichts als Nebelkerzen | |
Und wieder wird eine neue Runde internationale Scheindebatte gedreht. | |
Dieses Mal: Obama droht mit Militärschlag. Dem Assad-Regime ist das egal. | |
US-Präsident droht Assad mit Militäreinsatz: Obamas „rote Linie“ | |
Die „rote Linie“ wird überschritten, sobald Syrien einen | |
Chemiewaffeneinsatz auch nur vorbereitet, sagt Barack Obama. Dann droht dem | |
Assad-Regime ein US-Militärschlag. | |
Kommentar Drohnenkrieg der USA: Obamas dunkle Seite | |
Der Drohneneinsatz der USA zeigt: Es steckt mehr Bush im | |
Friedensnobelpreisträger Obama, als man je gedacht hätte. Es müssen Grenzen | |
gesetzt werden. |