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# taz.de -- DFB-Team gegen Spanien: Nahezu perfekt ohne Ball
> Das deutsche Team ermauert sich taktisch klug einen Sieg gegen Spanien.
> Dieses Blut-Schweiß-und-Tränen-Spiel dürfte identitätsstiftend wirken.
Bild: Die Leichtigkeit einer Torschützin: Klara Bühl freut sich über ihren f…
Als der Abpfiff ertönte, sank Lena Oberdorf auf dem Rasen zusammen,
[1][Martina Voss-Tecklenburg] atmete erst mal durch. Ein Spiel, das wie ein
vorgezogenes Finale dieses Turniers wirkte, war vorbei und gewonnen. Mit
2:0 hatten die Deutschen sich einen Sieg über Spanien regelrecht ermauert
und damit den vorzeitigen Einzug ins Viertelfinale gesichert. Es war ein
fantastisches, atemloses Ringen zweier Philosophien, das keine Minute
kannte. Ihr bekommt den Ball, wir die Punkte, so lautete die riskante
deutsche Strategie, die eigentlich fast immer schiefgeht. Unter tosendem
Lärm des spanischen Publikums in Brentford setzten die Deutschen diesen Akt
auf Messers Schneide mit Schweiß und zusammengebissenen Zähnen fast zur
Perfektion um. Oft wirkte es, als sei Spanien eine Minute davor, nun aber
wirklich zu treffen. Die tatsächlichen Torchancen jedoch blieben spärlich.
Nicht viele Teams können das, ein Weltklasseteam 90 Minuten den Ball
zirkulieren lassen, ohne dass er auch mal reingeht. Für diese „brutal gute
kollektive Defensivleistung“ (Hegering) half es gewiss, dass schon in der
dritten Minute Torhüterin Sandra Paños einen haarsträubenden Fehlpass
spielte, direkt in die Füße von Klara Bühl. Bühl, eine der Besten in der
ersten Hälfte mit defensiver Ackerleistung und einziger Aktivposten nach
vorn, vollstreckte humorlos zum 1:0. Noch in der ersten Halbzeit erhöhte
Alex Popp mit der zweiten echten Chance per Kopf auf 2:0 und unterstrich
ihre Wichtigkeit fürs Team. Das hässliche Spiel der Deutschen gegen das
schöne Spiel der Spanierinnen trug Früchte.
Dass sich Voss-Tecklenburg überhaupt genötigt sah, diese Strategie zu
wählen, statt mitzuspielen, sagt schon einiges über die herausragende
Entwicklung des spanischen Teams der letzten Jahre. Und über das
Entwicklungsdefizit in Deutschland. „Wir wussten, dass wir zwei
Möglichkeiten haben, gegen Spanien zu Chancen zu kommen“, erklärte
Voss-Tecklenburg nachher geradeheraus. „Erstens: hohes Pressing, aber das
können wir nicht so lange aufrechterhalten. Die zweite Möglichkeit ist ein
tieferes Pressing im 4-5-1, um die Außen zuzumachen.“
Lange Strecken war dies das Mittel der Wahl. Klar, sagte sie trocken, mehr
Ballbesitz wäre vielleicht schön. „Vielleicht schaffen wir es, uns dahin zu
entwickeln, dass wir auch gegen Spanien mehr Ballbesitz haben, aber noch
sind wir nicht so weit.“ Schon ein erstaunliches Eingeständnis angesichts
dessen, dass die Spanierinnen bis vor Kurzem international noch fast keine
Rolle spielten.
## „Bereit zu leiden“
So war es vor allem die Nacht der robusten Schlachtrösser. Die starke Lena
Oberdorf räumte kompromisslos alles ab, während ihre Kolleginnen vor dem
eigenen Sechzehner Passwege zuliefen. Es war ein Spiel, das fast durchweg
so aussah wie die letzten fünf Minuten einer 1:0-Führung im
Champions-League-Finale. Was durchkam, wurde von Marina Hegering als Turm
in der Schlacht entsorgt. Sophia Kleinherne empfahl sich in der zweiten
Hälfte anstelle der bisweilen wackligen Felicitas Rauch. Und Merle Frohms
parierte in der 70. Minute Weltklasse gegen Caldentey, nachdem sie in der
Phase zuvor mit ein paar schlechten Zuspielen unnötig schnell den Ball
hergeschenkt hatte.
„Die Mannschaft war heute bereit zu leiden“, resümierte Voss-Tecklenburg.
„Ich bin stolz, dass wir das können, die richtigen Mittel für Gegner
wählen.“ Der hohen taktischen Flexibilität darf sich die deutsche Elf
rühmen. Und die kollektive deutsche Defensive, vor dem Turnier noch als
Schwachpunkt ausgemacht, schaffte es in einer glänzenden Partie, Spanien
müde zu rennen.
Mit dem Sieg geht die deutsche Elf im Viertelfinale den ebenfalls als
Gruppenerste qualifizierten Engländerinnen aus dem Weg. Das dürfte beide
Seiten freuen. Nach dieser Vorrunde käme ein mögliches Aus gegen die
berauschten Engländerinnen eher unpassend für [2][das zarte Wiedererblühen
des deutschen Fußballs]. Österreich oder Norwegen sind machbare Aufgaben.
Dass im bedeutungslosen letzten Spiel gegen Finnland am Samstag Lena
Oberdorf und Felicitas Rauch gelbgesperrt fehlen, dürfte Voss-Tecklenburg
wesentlich weniger beunruhigen als die leichte Verletzung von Lina Magull
und die Corona-Erkrankung von Lea Schüller. Wie schnell ein Corona-Ausbruch
Titelträumen ein Ende bereiten kann, daran erinnern sich vor allem die
Bayern-Spielerinnen bestens. Vorerst aber ist Träumen möglich, nach dem
Spiel umso mehr denn je. Die Deutschen haben gezeigt, dass sie auf ein
Team, das auch [3][ohne Alexia Putellas] zu den besten des Turniers zählt,
eine kluge Antwort haben. Und solche Blut-Schweiß-und-Tränen-Spiele sind ja
auch schon mal identitätsstiftend.
13 Jul 2022
## LINKS
[1] /Bundestrainerin-Martina-Voss-Tecklenburg/!5735729
[2] /Leistungsexplosion-der-DFB-Elf/!5863938
[3] /Fifa-Wahl-zur-Weltfussballerin/!5826205
## AUTOREN
Alina Schwermer
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