# taz.de -- Leistungsexplosion der DFB-Elf: Befreiender Knall | |
> Nach dem eindrücklichen 4:0-Sieg des DFB-Teams gegen Dänemark scheint das | |
> eben noch beargwöhnte Team zum EM-Titelfavoriten aufzusteigen. | |
Bild: „Gemeinsam gönnen können“: Lina Magull, Agressive Leader, geht voran | |
Es ist lange her, dass es Spaß gemacht hat, einem deutschen Nationalteam | |
bei einem Großturnier zuzuschauen. Und vielleicht war es das, was die | |
deutschen Fans an diesem Abend in Brentford am meisten schockierte. Nicht | |
das überragende Spiel der Deutschen gegen Dänemark, nicht das in der Höhe | |
gerechtfertigte 4:0 gegen die Vize-Europameisterinnen, [1][das auch ein 7:0 | |
hätte sein können]. Sondern die Tatsache, dass es wahrhaftig viel Spaß | |
machte zuzuschauen. | |
Und dass die da unten offensichtlich ebenso viel Freude hatten. Rasante | |
Passstafetten und Bälle in die Tiefe, aggressives Pressing mit enorm vielen | |
Balleroberungen, selbstbewusstes eins gegen eins in der Offensive, Chancen | |
im Minutentakt und ein Team, bei dem jede nahezu gleichwertig ersetzt | |
werden konnte. Nicht nur Fans rieben sich die Augen: Was ist das für ein | |
Team? Und was ist mit dem bräsigen, mittelmäßigen, ideenlosen Deutschland | |
der letzten Jahre passiert? | |
Der Kontrast könnte kaum größer sein zu den zwei auch spielerisch | |
schlechten Turnieren der Vorjahre. Noch in diesem Jahr prägten Verletzungen | |
wie die von Popp, Marozsán und Hegering, Corona-Ausfälle sowie ein offenbar | |
auch interner Krach nach der 2:3-Niederlage gegen Serbien die Vorbereitung. | |
„Es war viel Frust hinter dem Schuss“, sagte Torschützin Lina Magull spät… | |
über ihr 1:0. | |
„Ich war froh, dass er auch so reingeknallt ist.“ Es war der einzige | |
Moment, in dem die Probleme der letzten Jahre durchschimmerten. Denn fast | |
erstaunlicher als die Leichtigkeit auf dem Platz war die ruhige | |
Selbstverständlichkeit, mit der Magull den Sieg verbuchte. „Ganz ehrlich, | |
ich hatte keine Zweifel vorm Spiel, weil die letzten Wochen uns unglaublich | |
gutgetan haben. Ich bin nicht überrascht. Man hat über 90 Minuten gespürt, | |
wie emotional ergriffen wir sind, uns gegenseitig etwas zu gönnen.“ | |
„Viel Wärme füreinander“ | |
Ähnliches wurde in den Aussagen der Kolleginnen spürbar. Hier steht ein | |
Team, das weiß, was es kann, und dem ziemlich egal ist, wie es vorher | |
taxiert wurde, das viel Wärme füreinander und eine stimmige interne Balance | |
zu haben scheint – und „diese Energie, die ihr alle gespürt habt“ | |
(Voss-Tecklenburg). Es war ein Auftritt von Titelfavoritinnen. Spielerisch | |
haben die Deutschen mehr überzeugt als die hoch gehandelten Engländerinnen, | |
Niederländerinnen und Schwedinnen. | |
Was ist da passiert? „Wir haben einfach Vorbereitungszeit gehabt“, wies | |
Voss-Tecklenburg auf das Camp in Herzogenaurach als Schlüsselfaktor hin. | |
Bemerkenswert ist aber auch, dass es sich um fast denselben Stamm handelt | |
wie bei der WM 2019. Die größte Veränderung dürfte die Umstellung der | |
fehleranfälligen Abwehr mit Sara Doorsoun zugunsten des stabileren Duos | |
Hegering/Hendrich sein; die Abwesenheit von Almuth Schult zwischen den | |
Pfosten ist dagegen ein Verlust, der sich erst in Drucksituationen zeigen | |
könnte. Ansonsten aber steht hier dasselbe Rückgrat, das 2019 als | |
mittelmäßig kritisiert wurde. | |
Ein Team ohne Weltstars hat Vor- und Nachteile: In Umbruchzeiten wie 2019 | |
kann nichts durch die Einzelaktionen einer Alpha-Spielerin gerettet oder | |
kaschiert werden. In guten Zeiten aber zeigen sich die Vorzüge eines eher | |
egalitären Ensembles; einmal eingespielt und mit einer Trainerin | |
ausgestattet, die die einzelnen Stärken zu beleuchten weiß, ist die | |
Qualität umso breiter. Zweitens waren auch die individuellen | |
Entwicklungsschritte enorm. Giulia Gwinn war bei der letzten WM 19 Jahre | |
alt und kickte mit der damals 18-jährigen Klara Bühl noch beim SC Freiburg, | |
Lena Oberdorf war erst 17 und spielte gemeinsam mit der 21-jährigen Lea | |
Schüller bei der SGS Essen. | |
## Befreit vom Trubel um Dzenifer Marozsán | |
Drei Jahre später sind alle Schlüsselspielerinnen bei den Spitzenklubs | |
Bayern und Wolfsburg, eine bei Weitem nicht selbstverständliche Entwicklung | |
für hochgehandelte Talente. Auch erfahrene Spielerinnen wie Svenja Huth, da | |
noch in Potsdam, sind erst spät zu internationaler Klasse gereift. Und mit | |
der jungen Jule Brand oder den noch nicht eingesetzten Sophia Kleinherne | |
und Spätstarterin Tabea Waßmuth kommt Vielversprechendes nach. | |
Zuletzt ist dieses Team noch eines: [2][befreit vom Trubel um Dzenifer | |
Marozsán]. Der einzige echte deutsche Star agiert im Nationalteam oft | |
glücklos; während der letzten Weltmeisterschaft war sie zudem teilweise | |
verletzt ausgefallen. Der permanente mediale Fokus auf Marozsán als | |
Retterin, die ewige Frage – „Spielt sie oder spielt sie nicht und wie fit | |
ist sie?“ – brachten ziemlich viel Unruhe. Und entband vielleicht auch die | |
eine oder andere Spielerin davon, selbst Verantwortung zu übernehmen. Nun | |
scheinen das Team und Voss-Tecklenburg sich und einander gefunden zu haben, | |
zum rechten Zeitpunkt vorm Spitzenspiel gegen Spanien am Dienstag. | |
„Wir haben die Messlatte hochgelegt und wollen sie bestätigen“, sagte | |
Magull, „weil es verdammt viel Spaß macht, mit dem Team zu performen.“ Wenn | |
nichts Unvorhergesehenes passiert, wird man das auch gegen Spanien sehen. | |
11 Jul 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.soccerdonna.de/de/-dfb-elf-mit-statement-zum-start-uns-muss-man… | |
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Dzsenifer_Marozs%C3%A1n | |
## AUTOREN | |
Alina Schwermer | |
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