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# taz.de -- DFB-Team mit breiter Stärke: Bullerbü in Brentford
> Das bereits fürs Viertelfinale qualifizierte deutsche Team lebt von
> seiner Harmonie. Hilfreich dafür ist, dass wirklich alle das Spiel
> bereichern.
Bild: Starke Bank: Die eingewechselten Lena Lattwein (l.) und Linda Dallmann (r…
In Brentford wurden jüngst wieder Otter gesichtet. Wo der Fluss Brent sich
mit einem Kanal vereinigt und wenig später in die Themse fließt, just am
DFB-Hauptquartier, hat man ein Stückchen Land der Wildnis zurückgegeben.
Nun nisten hier Wasservögel, gibt es reiche Fischgründe, Eisvögel, eine
Vielfalt von Insekten und eben Otter. Ein bisschen wie aktuell beim
Nationalteam: sehr ruhig, sehr friedlich, geradezu idyllisch.
Die Hauptquartiere von deutschen Nationalteams sind seit jeher
Gegenstand endloser Interpretationen. Da gab es den Geist [1][von Campo
Bahia], den Horror von Watutinki, und die Älteren werden sich noch an die
legendäre Vorbereitung am Schlucksee erinnern. Wenn Brentford etwas sagt
über den Geist der deutschen Elf, dann spiegelt es das Gefühl tiefer
Harmonie. „Wir haben hier viel Zeit und Ruhe“, beschreibt es Linda
Dallmann, während Lattwein von den Spaziergängen im grünen Brentford
schwärmt. Bis auf das letzte Gruppenspiel am Samstag gegen Finnland, für
das das Team nach Milton Keynes reist, verbrachten die Deutschen die
gesamte Vorrunde hier und werden auch zum Viertelfinale zurückkehren.
Die beiden Ersatzspielerinnen haben die recht angenehme Aufgabe, vor dem
bedeutungslosen letzten Spiel gegen Finnland mit den
Medienvertreter:innen zu plaudern, bei strahlendem Sonnenschein am
Kanal und einer sportlichen Lage, an der es nichts zu mäkeln gibt. Nach
zwei sehr überzeugenden Auftritten [2][gegen Dänemark (4:0)] [3][und
Spanien (2:0)] hat das deutsche Team sich zu Titelfavoritinnen gemausert
und ist vorzeitig als Gruppenerster fürs Viertelfinale qualifiziert; vor
allem in der Heimat hat das viele überrascht.
Auch für die Spielerinnen ist das Ergebnis nicht selbstverständlich. „Es
lief nicht immer so, wie wir das wollten, auch von der Zusammenarbeit
untereinander her und mit dem Trainerteam“, so deutet Lattwein interne
Konflikte rund um die Serbien-Niederlage an, die die Spielerinnen
mittlerweile oft umrissen haben, wenngleich sie dabei im Ungefähren
bleiben. „Wir haben es geschafft, uns auszusprechen und neu zu finden.“
## Neue Solidarität mit Prinz
Den Knall nach der 2:3-Pleite, dann das lange Trainingslager in
Herzogenaurach, wo man auch mal zusammen am Pool gechillt und Kaffee
getrunken habe, beschreiben alle Teammitglieder als prägend für diese EM.
Eine wichtige Rolle für die neue Solidarität spielt offenbar auch [4][die
als Teampsychologin tätige Birgit Prinz]. „Nach schweren Spielen wie gegen
Serbien mussten wir überlegen, wie wir da wieder rauskommen“, erzählt Linda
Dallmann. „Wir hatten das ein oder andere Treffen mit Birgit und der
Mannschaft. Jede hat gesagt, was ihr persönlich wichtig ist. Was sie von
den Teamkolleginnen braucht, wie wir sie unterstützen können. Das hat der
Mannschaft sehr geholfen. Birgit hat sehr großen Einfluss.“
So oft fällt auf dieser Pressekonferenz das Wort Mannschaft, dass man
glauben könnte, der DFB werde den schon eingemotteten PR-Slogan wieder
hervorkramen. Das hier ist ein Team, das sich als ein solches fühlt.
Deutlich wird das etwa, wenn es um die Rolle der Einwechselspielerinnen
geht. Lattwein und Dallmann werden vermutlich gegen Finnland von Anfang an
zum Zuge kommen. Beide kamen gegen Dänemark und Spanien von der Bank,
Lattwein traf gleich zum 3:0 gegen die Däninnen. Das sei ein gutes Gefühl,
dass „auch zählbare Tore von der Bank kommen“, sagt die Wolfsburgerin. Die
Münchnerin ergänzt: „Es ist eine große Stärke, weil andere diese Breite u…
Qualität nicht haben. Uns zeichnet das extrem aus, dass wir Akzente setzen
können, wenn der Gegner müde wird.“
Und offenbar ist die Rolle der Bank neu abgesprochen. Man sehe sich nun als
wichtige Stimmungsmacherinnen im Spiel. „Das hätte früher besser sein
können. Seit Turnierstart leben wir das sehr gut. Wir merken, dass wir die
Elf auf dem Platz erreichen und dass wir nach den 90 Minuten genauso kaputt
sind wie die, die spielen.“ Eine Möglichkeit, den nicht zum Zuge Kommenden
sportliche Bedeutung und Wertschätzung zu geben und dem Team auf dem Platz
Rückhalt. Die Alpha-Bänklerin ist offenbar Laura Freigang, die, wie
Lattwein sagt, „noch keine Minute gespielt hat, aber sich bei jedem Spiel
das Herz aus der Seele schreit“.
## „Wir haben einfach Bock“
Die beiden erfolgreichen Spiele in Brentford haben die Stimmung denkbar
beflügelt. Es lässt sich den Spielerinnen durchaus abnehmen, dass sie gegen
die vermutlich tief stehenden, schon ausgeschiedenen Finninnen im sportlich
bedeutungslosen letzten Spiel nicht relaxen möchten. „Wir haben einfach
Bock, die Gruppe zu null zu beenden und noch mal einen draufzusetzen“, sagt
Linda Dallmann.
Wenn es eines gibt, was die Bullerbü-Atmosphäre dabei marginal trübt, ist
es Corona. Lea Schüller hat es erwischt, in anderen Teams traf es
Superstars wie die Niederländerin Vivianne Miedema. Das deutsche Team hat
deshalb, auch auf Wunsch der Spielerinnen, einen geplanten Nachmittag mit
den Familien im Hotel abgesagt. Man sei sehr vorsichtig, treffe die
vielfach mitgereisten Verwandten und Partner:innen nun nur draußen und
einzeln. Ein Ausbruch würde die viel gelobte Breite des Kaders schnell
ausdünnen.
Lena Lattwein, die Wolfsburgerin, und Linda Dallmann, die Münchnerin,
stehen dabei auch für die beiden zentralen Achsen des Kaders. Ob die großen
Bayern- und Wolfsburg-Blöcke ein sportlicher Vor- oder Nachteil sind,
darüber sind die beiden ausnahmsweise uneinig. Lattwein hält es für eine
Stärke, wenn „die Automatismen drin sind und viele Spielerinnen den
gleichen Fußball spielen und verstehen“. Linda Dallmann erklärt
überraschend, ihr „mache es mehr Spaß, mit vielen Ideen und Vereinen
zusammenzuspielen“. Was Lattwein dazu veranlasst, schnell nachzuschieben:
„Das war nicht so gemeint, dass ich es nicht mag, mit euch Bayern zu
spielen.“ Harmonie first.
15 Jul 2022
## LINKS
[1] /Besuch-im-deutschen-WM-Lager/!5040221
[2] /Leistungsexplosion-der-DFB-Elf/!5863938
[3] /DFB-Team-gegen-Spanien/!5864308
[4] /Fussball-EM-der-Frauen/!5855034
## AUTOREN
Alina Schwermer
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